Armin Krenz: SPIEL und SELBSTBILDUNG
Rezensiert von Alexandra Großer, 23.04.2025

Armin Krenz: SPIEL und SELBSTBILDUNG. Kitas brauchen eine pädagogische Revolution. Oberstebrink Verlag (Ratingen) 2024. 176 Seiten. ISBN 978-3-96304-616-2. D: 22,00 EUR, A: 22,60 EUR.
Thema
Bildung in Kindertageseinrichtungen wird immer mehr als Ausbau von Fertigkeiten verstanden, anstatt als Auf- und Ausbau von Kompetenzen. Oftmals einhergehend mit speziellen Förderprogrammen zur mathematischen und sprachlichen Bildung beziehungsweise Schulvorbereitung. Gründe dafür gibt es viele. Dabei bedeutet Bildung Selbstbildung und nirgendwo kann ein Kind sich besser selbstbilden als im Spiel. Armin Krenz stellt fest, dass das Spiel an Bedeutung und Wert in den Kindertageseinrichtungen verloren hat. Doch dabei ist es gerade das Spiel, welches Kindern viele Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten bietet, die es auf das Leben vorbereiten. Wissenschaftlich fundiert und anhand vieler fachlicher Grundlagen sowie Erkenntnissen aus der Hirnforschung erläutert Armin Krenz, weshalb das Spiel wieder ins „Zentrum der Pädagogik“ (Klappentext) gerückt werden muss, und wie spielen, lernen, Bildung und Hirnentwicklung sich gegenseitig beeinflussen.
Autor:in
Prof. h. c. Dr. h. c. et Hon.- Prof. Armin Krenz für Entwicklungspsychologie und Elementarpädagogik a.D. war über 40 Jahre als Wissenschaftsdozent, Bildungsreferent, Kita-Praxisbegleiter, Therapeut (mit Zulassung zur heilkundlich psychologisch-therapeutischen Tätigkeit) sowie als Coach & Supervisor in Deutschland und als Gastprofessor an einigen nord- und osteuropäischen Universitäten tätig. Er ist der Entwickler des „Situationsorientierten Ansatzes“. Von 1975 – 1979 hat er in einer Erziehungs- und Eheberatungsstelle, von 1979 – 1985 an einem landeskirchlichen Aus- und Fortbildungsinstitut und von 1985 bis 2013 am Institut für angewandte Psychologie und Pädagogik (IFAP) in Kiel gearbeitet.
Aufbau
Insgesamt beinhaltet das Buch zwischen Vorwort und Schluss sechs Kapitel mit Unterkapiteln. Markiert werden die einzelnen Kapitel durch grüne Seiten. Zwischen den einzelnen Textabschnitten finden sich in grün umrahmten Kästen Zitate berühmter Persönlichkeiten zum Spiel.
Inhalt
Bildung von Anfang an – und wo bleibt das SPIEL? – Die aktuelle Bildungspraxis muss im Fadenkreuz einer kritischen Betrachtung deutlich hinterfragt werden
In diesem Kapitel setzt sich Amin Krenz kritisch mit dem Thema Bildung in der Kita auseinander. Er beanstandet, dass Bildung und Bildungsarrangements vor allem „f ü r Kinder gedacht und f ü r sie geplant […] [und] arrangiert werden“ (S. 6), statt vom Kind aus. Er zeigt auf, dass besonders nach PISA ein Wandel in den Kitas stattgefunden hat. „Wo früher tatsächlich die Kindergartentage gemeinsam mit Kindern geplant wurden, stehen heute förderorientierte Bildungsprogramme auf der Tagesordnung, die abgearbeitet werden“ (ebd.). In diesem Zusammenhang macht er auf den im SGB VIII gesetzlich verankerten eigenen Bildungs- Erziehungs- und Betreuungsauftrag von Kindertageseinrichtungen aufmerksam, der durch die „förderpädagogische[n] Erwartungen“ (S. 8) verschiedener Akteure in der Praxis nicht mehr als solcher wahrgenommen wird. Dieser eigene Bildungsauftrag grenzt sich deutlich von einem „schulischen Lernen“ (ebd.) ab. Die Realität jedoch sieht anders aus, trotz des Rechts des Kindes „auf Ruhe und Freizeit, auf Spiel und altersgemäße Erholung“ (ebd.). Es scheint so, als ob aufgrund „förderpädagogischer Erwartungen von vielen Eltern […] [sowie] bildungsfaszinierten Landesverbänden, bildungsgeprägten Fachberater*innen und bildungsorientierten Trägern von Kindertageseinrichtungen, […] fachwissenschaftliche Erkenntnisse über die Bedeutung der Selbstbildung der Kinder […] und neurobiologische Befundergebnisse im Sinne einer nachhaltigen Bildungsarbeit“ (ebd.) zugunsten einer Bildungsarbeit im Sinne von „Wissenserweiterung“ und Schulfähigkeit, ad absurdum geführt werden. Kritisch betrachtet Armin Krenz die Entwicklungen im frühpädagogischen Bereich, die seit der Veröffentlichung der Ergebnisse der PISA-Studien ab dem Jahr 2000 für viel Aufregung sorgten (vgl. S. 9). Differenziert zeigt er auf, was eigentlich unter Bildung verstanden wird. „Bildung bezieht sich immer auf zwei Grundsatzelemente. Zum einen versteht sich Bildung als eine aktive Aneignung der Welt durch das Kind selbst und als Anregung aller Kräfte der Kinder durch die an der Pädagogik bindungsbeteiligten Erwachsenen“ (S. 10). Bildung ist Selbstbildung und „vollzieht sich in erster Linie durch, mit und über das Spiel!“ (S. 17). Armin Krenz weist immer wieder darauf hin, dass in den Bildungsplänen der Bundesländer, die Bildungsbereiche miteinander verknüpft und alltagsintegriert in die pädagogische Arbeit einfließen sollen, in der Praxis werden sie jedoch oft teilisoliert und getrennt voneinander umgesetzt. Was sich „an den Tages- und Wochenplänen“ (S. 16) zeigt. Er spricht sich dafür aus, dass Pädagog*innen ihren Kita-Alltag kritisch betrachten, prüfen und umgestalten, damit Kinder die Möglichkeit haben Bildung aus erster Hand zu erfahren.
Kinder brauchen ZEIT für ihre Ent-wicklung! Ein Plädoyer zur notwendigen Entschleunigung des Kita-Alltags
Das Kind hat ein Recht auf „Ruhe und Freizeit, Spiel und … Ruhe“ (S. 36) zitiert der Autor den Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention. Er fordert pädagogische Fachkräfte dazu auf sich von einer „entwicklungsfeindlichen Beschleunigungspädagogik“ (ebd.) zu verabschieden und sich einer „entschleunigenden Entwicklungsbegleitung“ (ebd.) hinzuwenden. Dies bedeutet, den Kindern ihre eigenen Entwicklungszeiträume zurückzugeben, ihnen Zeit zur Verfügung zu stellen, damit sie „in nachhaltige Selbstbildungsprozesse hineinfinden“ (S. 29) können. Damit dies gelingt müssen die starren Tagesabläufe und „ausgefüllte[n] Tagespläne […], die den Aufenthalt von Kindern takten“ (S 30) aufgelöst werden. In seinem Plädoyer fordert er die Ersetzung der Berufsbezeichnung „Erzieher*in durch den Begriff Entwicklungsbegleiter*in“ (S. 37), da es in der Elementarpädagogik wieder um eine „beziehungsorientierte Entwicklungsbegleitung“ (ebd.) gehen sollte. „Bildung muss als ein Prozess der Selbstbildung des Kindes verstanden werden“ (ebd.).
„Hast Du heute schon gespielt?“ – Das kindliche Spiel als Bildungsmittelpunkt für Kinder
In diesem Kapitel widmet sich der Autor der Theorie des Spiels mit seinen verschiedenen Spielformen. Er zeigt auf, dass das Spiel schon immer zum Leben des Menschen dazugehörte und einen wichtigen Platz im Leben der Menschen einnahm und nimmt. Es scheint jedoch so zu sein, dass in der heutigen Zeit das Spiel etwas ist, was man eher Kindern zuschreibt. Entweder als Zeitvertreib oder als Bildungswerkzeug. Kaum beachtet wird jedoch, dass „Kinder beim Spielen für das Leben lernen“ (S. 44). Armin Krenz skizziert die Spieltheorien der wichtigsten „Grundlagenvertreter, die sich mit dem Bedeutungswert des SPIELS/SPIELENS von und für den Menschen forschend auseinandergesetzt haben“ (S. 44 f), bevor er die unterschiedlichen 16 Spielformen vorstellt. Er fasst zusammen, dass „jede Spielform […] ihren besonderen und einzigartigen Wert im Hinblick auf die Entwicklung von Kindern“ (S. 70) hat. Am Ende resümiert der Autor, dass alle Forschungsergebnisse auf drei Aspekte hinweisen. „Das Spiel
- ist von entscheidender Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes.
- ist der Nährboden für den Auf- und Ausbau außergewöhnlich vieler personaler und schulischer Fertigkeiten.
- erweist sich auch als eine Grundlage für später notwendige berufliche Merkmale“ (S. 74).
Nachfolgend zählt er einige der Fähig- und Fertigkeiten auf, die Kinder durch das Spiel erwerben und als „bedeutsame Grundleistungen“ (ebd.) gelten, wie beispielsweise die Erweiterung der Wahrnehmung, die Entwicklung funktioneller Systeme oder die Bildung von Synthesen (vgl. S. 75). Um entsprechende Entwicklungsprozesse auf- und auszubauen, sind „wesentliche Spielbedingungen“ (S. 76) erforderlich. Dazu gehören
- „Zeit (S. 77)
- Platz (ebd.)
- Materialien (S. 78)
- Mitspieler*innen (S. 79)
- Entscheidungsfreiheit (ebd.) und
- Ruhe“ (S. 80).
Unabdinglich, befindet er, ist es, dass pädagogische Fachkräfte sich mit dem Thema Spiel, der „eigenen Spielfähigkeit“ (S. 81) und „Spielpraxis“ (ebd.) auseinandersetzen. Dazu finden sich am Ende des Kapitel Fragen zur Reflexion.
Das SPIEL muss wieder der Mittelpunkt einer bildungsaktiven Elementarpädagogik werden! Ein deutliches Plädoyer für eine größere Wertschätzung des SPIELS
In diesem Kapitel lässt Armin Krenz verschieden Expert*innen zum Thema Spiel, deren Gedanken, Ausführungen und Erkenntnisse er zitiert, zu Wort kommen. Neben Prof. Dr. Jörg Maywald oder Margit Franz, führt er Prof. Dr. Rolf Oerter, Dr. phil. Karl Gebauer sowie André Frank Zimpel heran. Dr. phil. Karl Gebauer sowie André Frank Zimpel, beschäftigten sich jeweils in ihren Forschungen damit, „was das Spiel mit dem kindlichen Gehirn macht“ (S. 85) und wie es die Hirnentwicklung beeinflusst. Sie erläutern, welche Gehirnprozesse durch das Spiel, die Freude am und im Spiel und Glückserlebnisse im Gehirn angeregt und geschaffen werden. Prof. Dr. Rolf Oerter, der sich „über Jahrzehnte“ (S. 89) unter anderem der Rolle des Spiels und seiner Bedeutsamkeit in der kindlichen Entwicklung widmete, sah das Spiel der Kinder „vor allem [als] Lebensbewältigung“ (S. 89). Gerade im Spiel können Kinder all das tun, was Erwachsene tun. Sie können im Spiel Probleme und Schwierigkeiten bewältigen.
Alle Expert*innen fordern, dass das Spiel der Kinder im frühpädagogischen Bereich wieder einen Hauptteil der Frühpädagogik ausmacht und dem Spiel ein weitaus größerer Stellenwert eingeräumt wird als den „Förderprogrammen mit ihrem Stundenplancharakter“ (S. 85), wie es Jörg Maywald ausdrückt. Fachlich und wissenschaftlich fundiert zeigen die Expert*innen auf, welch positiven Einflüsse das Spiel auf die gesamte Entwicklung der Kinder hat.
Armin Krenz stellt aufgrund seiner langjährigen Praxis in der Begleitung von Kindertageseinrichtungen in unterschiedlichen Kontexten ernüchternd fest, dass das „SPIEL in der Praxis deutlich an Wert verloren hat“ (S. 92). Er resümiert, dass pädagogische Fachkräfte früher in vielerlei Hinsicht in die „Spieltätigkeiten der Kinder in hohem Maße eingebunden [und] […] ganz aktive Mitspieler*innen“ (ebd.) waren, sich dies im Laufe der Zeit verändert hat und die „heutige Realität in den allermeisten Kindertageseinrichtungen völlig anders“ (S. 93) aussieht. Er führt all die Argumente auf, die ihm in seiner Praxis begegneten und „herangezogen werden“ (ebd.), wenn es um die Begründung geht, warum das Spiel der Kinder in der Kita eingeschränkt stattfindet und an Wert verloren hat.
Er geht allen Argumenten nach, die für ihn „nicht wirklich den Kern einer fachlich-sachlichen Betrachtung [treffen], warum das Spiel in der Praxis soviel an Wert verloren hat“ (ebd.). In seiner Erörterung zeigt er auf, wie das Spiel der Kinder durch analytische Perspektiven auf verschiedenen Ebenen der Einrichtung, beispielsweise der Struktur- und Prozessqualität als auch der Ergebnisqualität, Veränderungen herbeiführen, die das Spiel der Kinder wieder in den Fokus der Frühpädagogik und Alltag der Kita rücken.
Aussagen die in den Bildungsrichtlinien/Bildungsgrundsätzen und Bildungsprogrammen der 16 Bundesländer zum SPIEL auf- und ausgeführt sind
Unterstützt wird seine Argumentation durch die unterschiedlichen Aussagen und Ausführungen „zum Bedeutungswert des Spiels“ (S. 107) in den Bildungsrichtlinien beziehungsweise Bildungsplänen der 16 Bundesländer. Armin Krenz gibt damit pädagogischen Fachkräften Argumente und Inhalte an die Hand, mit denen sie die wichtige Zeit und Bedeutung des Spiels „als persönlichkeitsförderliche Bildung, bessere Schulvorbereitung und nachhaltige Lernbereitschaft“ (ebd.) fachlich belegen können, neben den „wissenschaftlichen Argumenten“ (S. 107 f).
Allen Bildungs-, Orientierungs- und Rahmenplänen gemein ist, dass sie die immense Bedeutung des Spiels für das Lernen und die Entwicklung von Kindern hervorheben. Einige wenige Bildungspläne gehen noch einige Schritte weiter und reichern ihre Ausführungen mit praktischen Beispielen an und verknüpfen „spielaktive Alltagssituationen mit den Bildungsbereichen“ (S. 120), wie dies beispielsweise im Bildungsplan des Landes Brandenburg zu lesen ist. Dieser geht auch detailliert auf die Aufgaben von Pädagog*innen ein. Die auf der einen Seite als Spielpartner*innen zur Verfügung stehen sollten und auf der anderen Seite dafür zu sorgen haben, dass Kinder vielfältige Materialien und Räume zum Spielen zur Verfügung haben.
„Auf die Plätze, fertig los…“ Ausgewählte, empfehlenswerte Literaturhinweise zur Literaturgattung SPIEL
Damit pädagogische Fachkräfte ihre Spielpraxis erweitern und „das SPIEL mit seinen großartigen Erlebnismomenten in den Mittelpunkt [..] rücken“ (S. 166) hat der Autor „eine kleine Literaturzusammenstellung […] über besonders empfehlenswerte Bücher“ (S. 165) zusammengestellt. Alle Bücher wurden vom Autor „sorgsam auf ihre gute Lesbarkeit, die Güte ihrer fachlichen Aussagekraft und ihren fachlichen Nutzwert untersucht“ (ebd.). Zu finden sind hier:
- „Spiele mit Kindern im Krippenalter (S. 166 f)
- Fingerspiele (S. 167)
- Bewegungsspiele (167 f)
- Aggressionsspiele zum Austoben (S. 168)
- Musikspiele (S. 168 f)
- Regelspiele (S. 169 f)
- Märchen-/Theaterspiel (S. 170 f)
- Inklusion (S. 171)
- Handpuppenspiel (S. 171 f)
- Freispiel (S. 172) und
- Schattenspiel“ (ebd.)
Diskussion
Kitas brauchen eine pädagogische Revolution, ganz im Sinne des Untertitels, hält Armin Krenz als Anwalt der Kinder ein Plädoyer für das Spiel und die Selbstbildung in diesem Buch. Er kritisiert, nimmt Stellung, zeigt Haltung und fordert alle pädagogischen Fachkräfte dazu auf, ihren Kita-Alltag kritisch zu hinterfragen und dem Spiel und Selbstbildung wieder den hohen Stellenwert, den diese verdienen, zu geben. Er fordert sie auf, den Kita-Alltag zu entschleunigen, sich auf die Spuren von Zeit- und Raumdieben zu begeben, um kindorientierte Selbstbildungsräume sowie Raum und Zeit für das Spiel zu schaffen. Und damit dem Kinderrecht auf Spiel und Erholung, Freizeit und Ruhe nachzukommen. Anhand von neurowissenschaftlichen Erkenntnissen, der Spielforschung, und lernpsychologischer Aspekte erklärt er anschaulich, wie Spielen und Lernen, Entwicklung und Hirnentwicklung zusammenhängen und warum getaktete Tagesabläufe (nicht nur) in Kindern Stress verursachen.
In seinen Ausführungen konstatiert er die Forderung nach offenen Konzepten, da scheinbar nur mit diesem „bildungsreiche Angebote“ in Funktionsräumen umgesetzt werden können. Der Autor sieht darin eine Verletzung der Vielfalt der unterschiedlichen Konzepte mit ihren unterschiedlichen Ausrichtungen nach beispielsweise Montessori, Fröbel, Steiner, Freinet, Korczak, Reggio u.a. Seine Kritik bezieht sich hier vor allem auf einen Artikel der kindergarten heute „Was heißt denn hier ,nur' betreuen?“ von 2/2024 und den darin enthaltenen Aussagen der Autorin, Kita neu zu denken. Auch wenn er manchen Aussagen zustimmt, sieht er andere sehr kritisch. Im Prinzip jedoch sind sich beide Autoren einig, die „Alltagsgestaltung [muss] in vielen Kindertagesstätten neu durchdacht […] und neu gestaltet werden“ (S. 23).
Dem Autor ist es wichtig eine Pädagogik vom Kind aus zu denken, also kindorientiert und an den Grundbedürfnissen der Kinder orientiert und unter den Aspekten der Selbstbildung der Kinder. Indem er aufzeigt, wie wertvoll das Spiel für die Entwicklung und Bildung der Kinder ist, welche Aufgaben Pädagog*innen als Entwicklungsbegleiter*innen haben, indem sie Material, Raum, Zeit und sich selbst als Mitspieler*innen und/oder Impulsgeber*innen zur Verfügung stellen, fordert er dazu auf „entwicklungshinderliche Bedingungen, Strukturen und Merkmale zu identifizieren und in entwicklungsförderliche Schwerpunkte zu wandeln“ (S. 23). Dabei ist ihm bewusst, dass Pädagog*innen im Alltag viele Herausforderungen zu bewältigen haben. Doch genau hier setzt er auch an. Indem er eben auch dazu auffordert nicht nur strukturelle Bedingungen, beispielsweise für „Verhaltensirritationen“ (S. 95) bei Kindern verantwortlich zu machen, sondern sich bei den analytischen Überlegungen auch an den pädagogischen Ansatz beziehungsweise Ausrichtung zu wagen und infrage zu stellen. Zu überprüfen, ob er eventuell für die „Verunsicherung der Kinder“ (ebd.) verantwortlich ist. Es gilt alle Bereiche der Einrichtung einer Analyse zu unterziehen und gegebenenfalls zu verändern. An oberster Stelle steht für ihn in diesem Zusammenhang auch, mehr Raum und Zeit für das Spiel und damit Selbstbildung der Kinder zu schaffen.
Immer wieder weist Armin Krenz daraufhin, dass in den Bildungs- und Orientierungsplänen der Bundesländer die Bildungsbereiche untereinander verknüpft sind und damit der ganzheitlichen Pädagogik entsprechen. Während die aufgeführten Beispiele zu den Bildungsbereichen als Anregungsimpulse zu verstehen sind, nicht als isolierte „Fördermaßnahmen“ (S. 95). Im Spiel der Kinder finden sich viele Verknüpfungen zu den einzelnen Bildungsbereichen, wie diese beispielsweise in den Rollenspielen der Kinder zu finden sind. Allerdings braucht es dazu jedoch auch das Wissen dazu, damit Pädagog*innen Kinder dabei begleiten können, um beispielsweise mathematische Aspekte zu entdecken oder Hypothesen zu bilden und diesen forschend nachzugehen.
Auch wenn Armin Krenz Bezug zu den Bildungs- und Orientierungsplänen nimmt, sich den verschiedenen Spielformen widmet, die Aufgabe der Pädagog*innen als „beziehungsorientierte Entwicklungsbegleiter*innen“ definiert, geht er wenig auf die praktische Begleitung ein. Ebenso fehlen Beispiele, wie zum Beispiel mathematische Aspekte, die sich im Spiel der Kinder ergeben, indem sie beispielsweise Autos in einer Reihe aufstellen oder nach Farbe oder Größe sortieren, durch die Pädagog*innen aufgegriffen werden können. Also der Verknüpfung zwischen Spiel und Bildung bzw. der Bildungsbereiche. Der Fokus liegt eindeutig auf den spielpädagogischen und spielpsychologischen Aspekten und deren positiven Einflüsse auf die gesamte Entwicklung und Selbstbildung der Kinder. Er warnt jedoch auch davor, „anzunehmen, Kinder lernten im Freispiel automatisch Selbständigkeit, Selbstbildungsimpulse und Verantwortungsbewusstsein“ (S. 62). Denn Pädagog*innen haben einen Bildungsauftrag, es ist ihre Aufgabe Kinder, beispielsweise mit Impulsen, Ideen, Material zu unterstützen, in Konflikten zu begleiten, bei der Emotionsregulation.
Fazit
Das Buch ist auf der einen Seite ein Plädoyer dafür der Bedeutung des Spiels und der Selbstbildung wieder einen hohen Stellenwert im Kitaalltag einzuräumen. Gleichzeitig fordert es dazu auf, die Einrichtung auf allen Ebenen zu analysieren, um dem Spiel mehr Zeit und Raum zugeben und den Alltag zu entschleunigen. Pädagogische Fachkräfte finden viele wissenschaftlich und fachlich fundierte Argumentationsgrundlagen, um Spiel wieder zum Zentrum ihrer Pädagogik zu machen.
Rezension von
Alexandra Großer
Fortbildnerin, päd. Prozessbegleiterin, systemische Beraterin
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