Birgit Dorner: Ästhetische Bildung und Bildende Kunst in der Sozialen Arbeit
Rezensiert von Prof. Dr. Johann Bischoff, 19.12.2024
Birgit Dorner: Ästhetische Bildung und Bildende Kunst in der Sozialen Arbeit. Studienkurs Soziale Arbeit.
Nomos Verlagsgesellschaft
(Baden-Baden) 2024.
200 Seiten.
ISBN 978-3-7560-0230-6.
D: 24,00 EUR,
A: 24,70 EUR.
Reihe: Studienkurs Soziale Arbeit.
Thema
Birgit Dorners Intention ist es, die Bedeutung der Bildenden Kunst und der Ästhetischen Bildung für die Soziale Arbeit zu verdeutlichen. Dabei stellt sie ausführlich die theoretischen Grundlagen der Ästhetischen Bildung, der Kulturellen Bildung und der Kunstpädagogik dar, reflektiert aber auch didaktische Hinweise für künstlerisches Schaffen in der Sozialen Arbeit.
Bildende Kunst und Ästhetische Bildung in der Sozialen Arbeit fördere die Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit bei den Betroffenen, sei hilfreich zur Selbstreflexion, Kommunikation und fördere kulturelle und soziale Teilhabe der Adressaten, so Dorner. Insofern sei die ästhetische Bildung eine unabdingbare Komponente im Kontext der Sozialen Arbeit postuliert sie.
Mit der Publikation beabsichtigt sie zudem, insbesondere den Studierenden historische Grundlagen der Ästhetischen Bildung und der Bildenden Kunst für ihre zukünftige Arbeit deutlich zu machen, Bildende Kunst und Kulturelle Bildung leisten, so Dorner, einen Beitrag zur gesellschaftlichen und damit auch zur kulturellen Teilhabe. Das impliziere verschiedene Bedeutungsaspekte, wie Mitbestimmung, Mitwirkung, Eingliederung, Integration, Inklusion, Beteiligung, Teilnahme, Einbezogen sein und Chancengleichheit.
Explizit wird darauf verwiesen, dass kulturelle Teilhabe ein wesentlicher Bestandteil einer lebendigen demokratischen Gesellschaft sei.
Autorin
Birgit Dorner, Autorin der Publikation „Ästhetische Bildung und Bildende Kunst in der Sozialen Arbeit“ ist Professorin für Kunstpädagogik in der Sozialen Arbeit an der Katholischen Stiftungshochschule München. Sie studierte Kunstpädagogik, Malerei und Grafik an der Akademie der Bildenden Künste München und schloss ihr Studium mit dem Diplom für Malerei und Grafik ab. Sie promovierte an der Maximilians-Universität München in Kunstpädagogik und Kunstgeschichte, arbeitete als Lehrerin für das Fach Kunst an Gymnasien und ist seit 1999 Professorin für Kunstpädagogik in der Sozialen Arbeit.
Ihre Forschungsschwerpunkte erfassen Kunstpädagogik in der Sozialen Arbeit, Ästhetische Bildung in der frühen Kindheit, Kulturelle Bildung, Neue Ästhetik in sozialen Kontexten, Kunstpädagogik in der Gedenkstättenarbeit, Gender und Diversity in der Kunstpädagogik.
Aufbau und Inhalt
Die Publikation gliedert sich in zwölf Kapitel, die jeweils sehr differenziert gegliedert sind, z.T. m.E. zu ausgeprägt, z.B. im Kapitelpunkt 9.2.1 (Visionen gestalten) oder im Kapitelpunkt 9.4.1 (Künstlerische Materialien).
Die einzelnen Kapitel stellen sich wie folgt dar:
- Einführung Ästhetische Bildung und Bildende Kunst in der Sozialen Arbeit
- Kultur und kulturelle Teilhabe
- Bildende Kunst
- Ästhetik, ästhetische Wahrnehmung und ästhetische Erfahrung
- Ästhetische und Kulturelle Bildung
- Kreativität, Phantasie und Spiel
- Bilder und Bildkompetenz
- Kunstpädagogik als ästhetisch-kulturelle Bildung in der Sozialen Arbeit
- Das Gestalten und das künstlerische Material
- Rezeption und Bildbetrachtung
- Präsentieren und Öffentlichkeiten schaffen
- Kunstdidaktische Grundlagen für die Soziale Arbeit
Es folgt das Literaturverzeichnis und ein Sach- und Personenregister.
Zeitweise sehr ausführlich gibt sie Einführungshinweise, um Grundbegriffe der Kunstpädagogik, der ästhetischen Wahrnehmung, Kreativität und der Phantasie kennenzulernen, in einigen Kapitelpunkten erinnern die Ausführungen an ein Kunstkompendium.
Gleichwohl liegt eine Publikation vor, die es erleichtert, die Bedeutung der Ästhetischen Bildung für die Soziale Arbeit kennenzulernen. Jedes Kapitel beginnt mit einer Zusammenfassung zentraler Aussagen, sodass eine Konzentration auf wesentliche Aspekte der Aussagen leichtfällt. Die Autorin weist auch jeweils transparent aus, worauf sich ihre Argumentation in den einzelnen Kapiteln bezieht (empfohlene Literatur zur Vertiefung der Aussagen).
Die einzelnen Kapitel sind zwar theoriebezogen, wechseln aber auch den Abstraktionsgrad und weisen Arbeitsbeispiele oder auch Übungen aus. Ausgenommen davon nur die Kapitel 6 und 12.
Die ersten zwei Kapitel geben eine Einführung in das genannte Themenfeld und Hinweise zur gesellschaftspolitischen Bedeutung, der Auseinandersetzung mit der ästhetischen Bildung und der Bildenden Kunst.
Im Kapitel 3 setzt sich die Autorin explizit mit der Bilden Kunst auseinander und liefert eine Darstellung vieler Facetten der Kunst im Kontext der Sozialen Arbeit.
Im 4. Kapitel werden Wahrnehmungsprozesse thematisiert und es folgt ein kleiner Exkurs zur ästhetischen Praxis im Alltag.
Kapitel 5 beinhaltet historische Entwicklungslinien zur Ästhetischen und Kulturellen Bildung mit Reflektion des dahinterliegenden Bildungsbegriffs. Dabei bezieht sie sich auch auf Wolfgang Klafki und Klaus Mollenhauer. Nach dem eher theoretisch orientierten Diskurs folgt ein zweiter „Diskussionsstrang“ zur ästhetisch-kulturellen Bildung, hier beschreibt sie Projekte aus München, die der neuen Kunstpädagogik zugeordnet werden können, z.B. KEKS (1968 nennt sich eine Gruppe von jungen Kunsterziehern KEKS, W. Zacharias, P. Buchholz, F. Klein und M. Popp) und die Pädagogische Aktion. Zielstellung der Bewegung war, die Kulturelle Bildung als konstitutive Komponente der Identitäts- und Persönlichkeitsbildung zu sehen.
Kapitel 6 beleuchtet weitere Bausteine der Kulturellen Bildung: Fantasie, Kreativität und Spiel.
Im 7. Kapitel setzt sich Dorner mit einer anderen Thematik auseinander, sie hat das Kapitel mit „Bilder und Bildkompetenz“ ausgewiesen. Es wird eine Klassifikation der Bilder nach Mitchel vorgestellt und Funktionen beschrieben, dazu weist sie ein Beispiel aus. Bildkompetenz und Visual Literacy sind für Dorner zentrale Begriffe, die Fähigkeiten und Fertigkeiten fördern und ermöglichen können, wie Bilder lesen, Bilder decodieren, visuelle Aussagen kreieren und visuelles Denken.
Kapitel 8 verweist auf Kunstpädagogik und ästhetisch-kulturellen Bildung in der Sozialen Arbeit. Dabei geht Dorner auf zentrale Begriffe der Sozialen Arbeit ein: Lebensweltorientierung, Empowerment, Lebensbewältigung, Inklusion.
Das 9. Kapitel beschreibt das Gestalten und künstlerisches Material. Auch der Einsatz digitaler Medien im bildnerischen Prozess wird von Dorner aufgegriffen. Mimesis (Nachahmung) und Poiesis (zweckgebundenen Handeln) werden von Dorner als zentrale Punkte der Ästhetik beschrieben, sie exemplifiziert ihre Aussagen dazu und weist zudem im Kapitel auf Ansätze der künstlerischen Forschung hin.
Kapitel 10 widmet sich der Rezeption und Bildbetrachtung. In diesem Kapitel werden auch methodische Aspekte der Bildbetrachtung und Kunstvermittlung in den Museen dargestellt.
Das kurze Kapitel 11greift den Aspekt Präsentation (Ausstellen der künstlerischen Ergebnisse) auf, im Kapitel 12 werden dann eher marginal kunstdidaktische Grundlagen im Rahmen der Sozialen Arbeit betrachtet, z.T. werden aber im Kapitel sehr ausführlich entwicklungspsychologische Aspekte des Kindes in Anlehnung an Richter vorgestellt. Ein Resümee wird nicht gegeben.
Zielgruppe
Als Zielgruppe können primär Studierende der Sozialen Arbeit genannt werden, aber auch Kunsterzieher/​Kunsterzieherinnen Studierende.
Für Studierende im kulturellen Bereich könnte die Publikation ebenfalls hilfreich sein, wenn sie mit praktizierter Bildungsarbeit verbunden werden kann.
Diskussion
Die Publikation gibt einen guten Überblick über die vielfältigen Aspekte der Ästhetischen Bildung und der Bildenden Kunst im Kontext der Sozialen Arbeit. Didaktische Hinweise dazu hätten m.E. noch komplexer ausfallen können, hierfür würden sich doch die Arbeitsbeispiele oder Übungen eignen. Zentrale Aussagen werden zum Teil redundant in den einzelnen Kapitelpunkten vorgestellt, der Abstraktionsgrad der Aussagen wechselt teilweise in den Kapiteln.
Die Publikation von Birgit Dorner lässt erkennen, dass sie möglichst viele Aspekte der Ästhetischen Bildung für Studierende der Sozialen Arbeit ansprechen möchte, um die Komplexität dieses Fachgebietes zu betonen. Auch wird ihr Anliegen deutlich, Ästhetische Bildung als integrativen Bestandteil der professionellen Ausbildung von Sozialpädagoginnen/​Sozialpädagogen zu definieren. Bildende Kunst und Ästhetische Bildung in der Sozialen Arbeit sind als „Bausteine“ anzusehen, die Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit bei den Betroffenen fördern können und eine kulturelle und soziale Teilhabe der Adressaten ermöglichen können. Insofern wird von Dorner die ästhetische Bildung als eine unabdingbare Komponente im Kontext der Sozialen Arbeit gesehen.
Fazit
Die Publikation ist sehr differenziert gegliedert, teilweise werden m.E. zu viele Aspekte aufgegriffen, die für die Diskussion eher eine marginale Bedeutung haben. Gleichwohl ist nachvollziehbar, dass die Autorin als Lehrende möglichst komplex ihr Wissen an Studierende weitergeben möchte.
Rezension von
Prof. Dr. Johann Bischoff
Professor für Medienwissenschaft und angewandte Ästhetik an der Hochschule Merseburg
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Es gibt 10 Rezensionen von Johann Bischoff.
Zitiervorschlag
Johann Bischoff. Rezension vom 19.12.2024 zu:
Birgit Dorner: Ästhetische Bildung und Bildende Kunst in der Sozialen Arbeit. Studienkurs Soziale Arbeit. Nomos Verlagsgesellschaft
(Baden-Baden) 2024.
ISBN 978-3-7560-0230-6.
Reihe: Studienkurs Soziale Arbeit.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32897.php, Datum des Zugriffs 19.01.2025.
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