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Volker Weiß: Das Deutsche Demokratische Reich

Rezensiert von Wolfgang Schneider, 24.03.2025

Cover Volker Weiß: Das Deutsche Demokratische Reich ISBN 978-3-608-96667-1

Volker Weiß: Das Deutsche Demokratische Reich. Wie die extreme Rechte Geschichte und Demokratie zerstört. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2025. 208 Seiten. ISBN 978-3-608-96667-1. D: 22,00 EUR, A: 22,70 EUR.

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Thema

Wen interessiert die Wahrheit, wenn man sich alles so zurechtbiegen kann, wie man es gerade braucht – um an Ende zu Macht und Einfluss zu kommen? Volker Weiß untersucht, wie die extreme Rechte sich aufmacht, Geschichte für ihre Zwecke umzudeuten und den geistigen Bürgerkrieg, den sie in vollem Gange sieht, dabei genüsslich anheizt. Das Ziel: Die Deutungshoheit über Geschichte und Gegenwart erlangen, um Deutschland aus der westlichen Phalanx herauszulösen.

Autor

Volker Weiß ist promovierter Historiker und hat viele Jahre für die Zeit und Zeit Geschichte, aber auch für andere Medien wie die Frankfurter Rundschau, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die TAZ oder Spiegel online. Aktuell ist er nur noch als Autor für die Süddeutsche Zeitung tätig und gilt als profunder Kenner der neurechten Szene. Sein Buch „Die autoritäre Revolte. Die neue Rechte und der Untergang des Abendlandes“ gilt diesbezüglich laut Verlag als Standardwerk zum Thema und wurde für den Preis der Leipziger Buchmesse 2017 nominiert.

Aufbau und Inhalt

Den Auftakt dieses Buches bildet ein Blick auf das Verhältnis der rechten Szene zu Russland. Das ist nämlich prinzipiell durchaus ambivalent, wie Volker Weiß deutlich macht, war doch Russland sozusagen der erklärte Feind der extremen Rechten. Das ist allerdings nur schwierig mit der Bewunderung vieler Akteure aus der Szene in Verbindung zu bringen, die sich vor allem in der autoritären Führung und den offen ausgetragenen Kampf gegen den von Putin gerne als „verweichlicht“ bezeichneten westlichen Lebensstil mit seiner unmoralischen Dekadenz. Und das weiß auch der Mann in Moskau und unterstützt viele rechte Organisationen in Europa mehr oder weniger offen. Was zur zentralen Frage nach drei Jahren Krieg in der Ukraine für Rechs führt: Wie lässt sich damit umgehen? So gibt es Menschen, die im Krieg mit Kiew endlich die Chance sehen, Russland zu besiegen, während auf der anderen Seite diejenigen stehen, die den ukrainischen Weg der Anbindung an den Westen für völlig verfehlt halten und daher die russische Position unterstützen

Nicht erst nach Alexander Gaulands berühmter „Fliegenschiss“-Rede über die Schrecken der Nazi-Zeit verwundert zumindest das historisch bewanderte Publikum die Umdeutung des Nationalsozialismus‘ durch die extreme Rechte. Gerne genommen: Eigentlich war die NSDAP eine linke Partei, schließlich habe sie das ja quasi im Namen getragen. Exemplarisch geht Weiß auf die Behauptung ein, die Nationalsozialisten seien eigentlich Linke gewesen. Mit diesem Punkt setzt sich Volker Weiß ausführlich auseinander und hat offensichtlich so ziemlich alles an zugänglichen Quellen erforscht, die zu dieser Aussage belastbare Erkenntnisse liefern könnten – und ist dabei natürlich auf diese eine gestoßen, die die Geschichtsumdeuter gerne als Beweis für ihre Behauptungen verweisen. Und er zeigt – oh, Wunder (ein bisschen Sarkasmus darf sein), dass diese Aussage einfach völliger Blödsinn und vor allem die Quellenangabe falsch ist.

Und auch dem Thema DDR und die Sicht der rechten Szene auf eben jene untersucht der Autor und zeigt an vielen Stellen, wie flexibel die Deutung von Geschichte sein kann. Die einen stilisieren die ehemalige DDR als Heimat der wahren und reinen Deutschen dar, die die Mauer nicht von der Westlichen Welt unter Führung der USA umerzogen werden konnte. Wem die Deutung nicht passt, so zeigt Volker Weiß deutlich auf, der malt ein Bild der DDR als ehemaligen Lebensort von (politischen) Taugenichtsen, die – siehe Angela Merkel – eh alle nur SED-Liebhaber:innen waren; halt ganz so, wie es gerade hilft.

Diskussion

Wer sich durch das irritierende Cover nicht hat abschrecken lassen, erlebt ein Buch, das erschüttert, weil es eine solch breite Palette von Geschichtsumdeutung und querer Weltanschauung präsentiert, dass man es als Leser:in zwischenzeitlich nicht glauben möchte. Wie kann es sein, dass Menschen sich auf so etwas einlassen? Autoren wie Volker Weiß ist es jedenfalls zu verdanken, dass am Ende niemand sagen könne, er habe von nichts gewusst. Es steht nur zu befürchten, dass auch die hier recherchierten Fakten nicht dazu führen werden, dass Menschen, die dem Postfaktischen verfallen sind, plötzlich ihre Meinung ändern. Beeindruckend ist auf jeden Fall die tiefe Detailkenntnis, die Volker Weiß zur Thematik nahezu auf jeder Seite beweist. Er verfällt dankenswerterweise nicht der Versuchung, das Wahlverhalten mancher Menschen erklären zu wollen, sondern beschreibt einfach, was er recherchiert hat – ohne Beschimpfung von Wähler:innen. Und gerade das macht das Buch so unfassbar intensiv – aber eben auch bedrückend: Denn es wird deutlich, worum es bei all dem letztlich geht. Um Macht!

Fazit

„Scharfsinnig“ nennt der Verlag das Buch – und dem ist nichts hinzuzufügen. Volker Weiß macht deutlich, dass er weiß, wovon er schreibt; ohne in Wertungen und Vorwürfe zu verfallen, hält er sich an schlichte Fakten und Analysen.

Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
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Es gibt 143 Rezensionen von Wolfgang Schneider.

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ISSN 2190-9245