Maria Luise Gebauer, Maxi Mercedes Grehl et al.: Nonverbal kommunizieren
Rezensiert von Dr. phil. Rita Zellerhoff, 27.11.2024
Maria Luise Gebauer, Maxi Mercedes Grehl, Friderike Lange: Nonverbal kommunizieren. Körperausdruck in Studium und Beruf erfolgreich einsetzen.
UTB
(Stuttgart) 2024.
130 Seiten.
ISBN 978-3-8252-6109-2.
D: 22,90 EUR,
A: 23,60 EUR,
CH: 29,90 sFr.
Reihe: UTB - 6109.
Thema
Ziel dieses Buches ist die Befähigung von Menschen in Sprechberufen Ihre Kommunikationsfähigkeit durch ihren Körperausdruck zu optimieren.
Entstehungshintergrund
Die Autorinnen haben mit diesem Übungsbuch ein Werk geschaffen, das eine wesentliche Schlüsselkompetenz für zukünftige Lehrerinnen aufzeigt und systematisch aufbaut.
Autorinnen
Die Autorinnen, die an der Universität Halle Wittenberg im Arbeitsbereich Kommunikation und Stimme am Zentrum für Lehrerinnenbildung arbeiten, ergänzen sich mit ihren Schwerpunktsetzungen in der Lernplattform Körper-Stimme-Haltung für Lehrkräfte.
Aufbau und Inhalt
Das Buch umfasst 130 Seiten. Es ist als Übungsbuch konzipiert und gibt nach einer theoretischen Einführung viele Hinweise und Tipps, wie Lehrkräfte mit der Unterstützung durch ihren Körperausdruck effizient kommunizieren können. Die Übungsvorschläge sind durchgängig mit Zeichnungen veranschaulicht. Nach dem Literaturverzeichnis gibt es eine tabellarische Übersicht der Übungen, ein Register und ein Abbildungsverzeichnis.
Die Autorinnen differenzieren mit Bezug auf Heilmann zwischen Körpersprache und Körperausdruck und erwähnen den Mythos der Wirksamkeit von Körpersprache, wie ihn Heilmann bereits 2013 auf der DGSS-Tagung in Regensburg erörtert hat. Die Autorinnen spezifizieren Körpersprache als eindeutige, unmissverständliche Gesten und konventionalisierte Gesten, wie etwa die Sprache der Gehörlosen und legen den Schwerpunkt Ihres Buches auf den Körperausdruck. Sie haben die Intention, die Wirksamkeit der nonverbalen Kommunikation zu steigern. Dazu beschreiben sie anschaulich verbale, paraverbalen und nonverbale Aspekte der Kommunikation und stellen gängige Kommunikationsmodelle vor. Bei den Axiomen Watzlawicks fehlt mir eine kritische Stellungnehme, wie sie beispielsweise Rusch 1994 geäußert hat. Er bemängelte die Gleichsetzung von Kommunikation und Verhalten. Bei der Embodied Comunication geht es um einen wechselseitigen Prozess der Kommunizierenden, die gleichzeitig Hörende und mit ihrem Körperausdruck auch Sendende sind. Dieser Dualismus von Leib und Seele ist das Grundverständnis der Autorinnen.
„ Auch wir verstehen Kommunikation als ganzheitlichen Prozess in dem bewusste und unbewusste Prozesse auf sprachlich-sprecherische, aber vor allem auch auf körperlicher Ebene sichtbar werden und im Miteinander von Personen eine Wirkung erzielen.“ (23)
Als Einflussfaktoren dieses Prozesses werden Mimik, Proxemik und Kinesik aufgeführt und exemplarisch mit Bewegungsparametern zur Kinesik veranschaulicht. Das Situationsmodell von Geissner wird vorgestellt und ausführlich besprochen, ehe auf individuellen Faktoren eingegangen wird, wie sie sich beispielhaft als „Big Five“ auf die Kommunikation auswirken, als da sind:
„1. Offenheit für Erfahrungen,
2. Gewissenhaftigkeit
3, Extraversion
4. Verträglichkeit
5. Neurotizismus“ (29).
Außerdem werden Einflüsse von Kultur, Wissen, Sozialisation und Gender besprochen.
Das zweite Kapitel stellt den wesentlichen Teil des Buches dar. Es ist eine umfassende Trainingsanleitung, die in unkomplizierter Weise die Leser mit du anspricht. Es gibt freie Flächen für Notizen. Sechs Übungen kann man über QR-Code hören, sodass die Augen bei ihrer Anwendung geschlossen werden können. Außerdem gibt es vier Beispiele von TEDx Rednerinnen und Rednern auf YouTube, die als mögliche Bereicherung des Repertoires der Übenden vorgestellt werden. Beim ersten Beispiel war meine Aufmerksamkeit allerdings gespalten, weil die Aussprache des silben- und wortauslautenden -ig nicht den Regeln der Hochlautung entspricht.
Das Bewusstmachen des Zusammenhangs zwischen äußerer und innerer Haltung stellt die erste Trainingseinheit dar. Das Ziel ist das Erlangen von Sicherheit und Zielgerichtetheit. Am Beispiel der Fortbewegungsarten werden unterschiedliche Modi ausprobiert und Auswirkungen auf den Köperausdruck vom Kopf bis zu den Füßen erfahrbar gemacht. Im Fokus steht die Aufrichtung des Körpers. Hier glaubte ich Parallelen zur Stimmschulung von Linklater zu sehen, noch bevor ich entdeckte, dass die Autorin Gebauer eine autorisierte Lehrerin der Stimmarbeitsmethode nach Kristin Linklater ist, denn diese beginnt das Training des ersten Tages mit der Aufrichtung der Wirbelsäule. Es gibt vielfältige Körperübungen: Das Finden der Mittelachse, die Verwurzelung, Beweglichkeit und Geschmeidigkeit, Lockerungsübungen und die Erkundung des Kommunikationsraumes der Arme mit ihrer Auswirkung auf die sprechbegleitende Gestik und das Kontaktverhalten, das mit Hilfe von Bewegungsparametern beobachtet und mittels einer Videoanalyse skaliert werden kann. Ein Übungsschwerpunkt stellt die Mimik dar. Die Autorinnen gehen hier auf das Kampfgrinsen und das Pokerface ein, welche beide verhindern, dass die wahren Gefühle der Sprecher und Sprecherinnen zum Ausdruck kommen. Stattdessen fordern die Autorinnen:
„Es geht darum, dass dein Gesichtsausdruck situationsangemessen und verbindend sowohl zum Inhalt passt als auch kongruent zu deiner Gestimmtheit eingesetzt werden kann.“ (88)
Es werden die Areale des Gesichtes beschrieben, die für den Ausdruck der Basismotivationen zuständig sind und dementsprechend bei den Gesprächspartnern wahrgenommen werden können. Anschließend wird ein breites Repertoire an Übungen vorgeschlagen, welches alle Bereiche des Gesichtes aktiviert, insbesondere die Kiefermuskulatur,
Zum Thema „Blickkontakt: Bewegung und Verbindung“ wird eine hilfreiche Formel vorgestellt, bei deren Anwendung der Blickkontakt bei großem Publikum nach der WMU-Form nach Bilinski (2014) hergestellt werden kann, Bei einer langsamen Ausführung des schweifenden Blickes sollte es möglich sein, den Kontakt zu seinen Zuhörern zu fördern. Es werden Tipps gegeben, wie man sich in fremden Räumen Sicherheitsanker verschaffen kann und auch, wie man im digitalen Raum Blickkontakt herstellen kann.
Zum Thema „Verhalten im Raum: Wie wir uns positionieren“ wird vorgeschlagen, sich den Raum zu eigen zu machen und zum Beispiel sich einen Platz für seine Materialien und seine Stichwortkonzepte zu besorgen, Bewegungsräume auszuloten und für sich einen Sitzplatz zu sichern. Es wird empfohlen, den Raum zu erkunden und den Umgang mit Pult und Präsentationsflächen zu erproben. Dazu gibt es einen Beobachtungsauftrag zur Sensibilisierung der Wahrnehmung der Art und Weise, wie andere Menschen bei öffentlichen Auftritten den Raum nutzen. Bei den hierzu vorgeschlagenen Übungen werden Bilder imaginirt und Türöffner für unterschiedliche Belastungssituationen vorgestellt.
Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit Nähe und Distanz und besonders mit dem Bedürfnis, dass der eigene Raum respektiert wird. Dazu werden Distanzsignale beschrieben, wie eine gedachte Mittellinie, welche die Grenze zwischen den persönlichen Räumen bildet. Passend dazu wird für Gesprächsrunden eine Checkliste empfohlen und es wird der Auftrag erteilt, zu überprüfen wie in beruflichen und privaten Kontexten und im öffentlichen Raum Nähe und Distanz erlebt wird.
Diskussion
Die Autorinnen sind ausgewiesene universitäre Lehrkräfte. Sie bringen reiche Erfahrungen aus ihrem Tätigkeitsfeld der Lehrerbildung sowie aus der Phonetik, der Sprechwissenschaft, dem gestischen Sprechen, der Stimmschulung, der systemischen Beratung, und dem Theaterspielen mit. Dieser große Erfahrungsschatz kommt dem Leser zugute. Das Buch bietet nach einer kompakten und theoretisch fundierten Auseinandersetzung zu Körpersprache und Körperausdruck eine präzise Anleitung zur nonverbalen Kommunikation. In den neun Trainingseinheiten werden die wesentlichen Aspekte des Körperausdrucks thematisiert. Hervorheben möchte ich die Illustration der Übungen durch aussagekräftige Zeichnungen.
Fazit
Dieses sehr systematische aufgebaute Übungsbuch kann Menschen befähigen ihre Kommunikation durch Körperausdruck zu optimieren. Nonverbal authentisch zu kommunizieren, stellt eine Schlüsselkompetenz für Lehrende dar. Darüber hinaus kann das Buch allen Menschen in Sprechberufen und Studierenden empfohlen werden.
Literatur
Linklater.K. (2019): Meisterwerk Stimme. Entfaltung und Pflege eines natürlichen Instruments, München: Reinhardt, 5. überarbeitete und erweiterte Auflage, aus dem Englischen von Michael Petermann und Irmela Beyer,
Rusch, G. (1994). Kommunikation und Verstehen. In K. Merten, S. J. Schmidt & S. Weischenberg (Hrsg.), Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft. (S. 60–78). Opladen: Westdeutscher Verlag.
Rezension von
Dr. phil. Rita Zellerhoff
Lehrerin für Sonderpädagogik mit den Förderschwerpunkten: Sprache, Lernen, Emotionale und soziale Entwicklung
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Zitiervorschlag
Rita Zellerhoff. Rezension vom 27.11.2024 zu:
Maria Luise Gebauer, Maxi Mercedes Grehl, Friderike Lange: Nonverbal kommunizieren. Körperausdruck in Studium und Beruf erfolgreich einsetzen. UTB
(Stuttgart) 2024.
ISBN 978-3-8252-6109-2.
Reihe: UTB - 6109.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32963.php, Datum des Zugriffs 13.12.2024.
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