Ralph Frenken: Kinderzeichnungen und Pränatalpsychologie
Rezensiert von Prof. Dr. Chirly dos Santos-Stubbe, 31.03.2025

Ralph Frenken: Kinderzeichnungen und Pränatalpsychologie.
Tectum
(Baden-Baden) 2024.
269 Seiten.
ISBN 978-3-689-00169-8.
D: 59,00 EUR,
A: 60,70 EUR.
Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag / Reihe Psychologie - 34.
Thema
Im vorliegenden Buch geht es um die Darstellung einer vollständigen Psychotherapie entlang der Kinderzeichnungen und Knetarbeiten eines siebenjährigen Patienten, wobei der pränatalen Zeit eine besondere Aufmerksamkeit eingeräumt wird und wie diese in „ganz unterschiedlicher Weise…symptomatisch, sprachlich, künstlerisch in Zeichnungen und Knetfiguren sowie motorisch“ (S. 1) durch das Kind im Verlauf der Psychotherapie zum Ausdruck gebracht wird. Der Autor, Ralph Frenken, setzt sich u.a. als Ziel dieser Einzelfallforschung aufzuzeigen, „dass die Zeichnungen eindeutig psychodynamisch verständliche Themen und möglicherweise auch genuin pränatale Aspekte aufweisen“ (S. 45). „Insofern zielt die Untersuchung bewusst auf die Nachwirkungen der frühesten Lebensphase, der pränatalen Welt“ (S. 3). Frenkels Hauptinteresse lag sowohl in der Pränatal Psychologie als auch in der künstlerischen Produktion“ (S. 71) des Kindes.
Autor
Ralph Frenken ist ein promovierter Psychologe (Dipl. Psych., Dr. Phil.) und Erziehungswissenschaftler, der als approbierter Kinder- und Jugendpsychotherapeut in eigener Praxis tätig ist. Er war Universitätsassistent an der Universität Innsbruck und ist Autor zahlreicher Publikationen zu unterschiedlichen Themen wie beispielsweise „Kindheit und Biographie“ (1999), „Kindheit und Mystik im Mittelalter“ (2002), „Gefesselte Kindheit. Geschichte und Psychologie des Wickelns“ (2011), „Symbol Plazenta. Pränatalpsychologie der Kunst“ (2016), „Bilder der Altsteinzeit: Pränatalpsychologische Aspekte“ (2023). Eine Vielzahl von wissenschaftlichen Artikeln zeigen die Breite seines Fachinteresses.
Entstehungshintergrund
Grundlage für die Entstehungsgeschichte dieses Werkes mögen u.a. die Erkenntnisse und früheren Schriften des Autors Ralph Frenken zu den Themenbereiche Pränatalpsychologie der Kunst und die Repräsentation der Plazenta gewesen sein. Vor allem aber kam die zusätzliche Inspiration während der Kinderpsychotherapie, die im Zentrum des vorliegenden Buches steht: die künstlerische Darstellung der spezifischen pränatalen Erinnerungen, die bereits vor Beginn dieser Psychotherapie in der Bilderproduktion, den Zeichnungen des Kindes dargestellt wurden. Dies veranlassten den Autor en détail in Form einer Theorie der Pränatalpsychologie entlang der Kinderzeichnungen und künstlerischen Produktion im Laufe der Psychotherapie und ihrer unbewussten Implikationen für das Familiengeschehen und die intrapsychischen Konflikte des Kindes der Leserschaft vorzustellen.
Aufbau und Inhalt
Das ‚für Tom‘ gewidmete Buch, stellt die Psychotherapie dieses – zu Beginn der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie – siebenjährigen Patienten Tom dar. Seine Psychotherapie dauerte ca. 2 ½ Jahre, wurde einmal pro Woche in einer Sitzung von 50 Minuten durchgeführt und alle vier Wochen wurde begleitend eine Elternberatung angesetzt. Während der psychotherapeutischen Sitzungen produzierte der Patient insgesamt 80 Bilder, deren Entstehungsgeschichte vom Psychotherapeuten protokolliert wurden und im Laufe der vorliegenden Schrift dargestellt und erläutert werden. Auch Bilder aus der Zeit vor Beginn der Psychotherapie werden im Buch ebenfalls teilweise miteinbezogen und analysiert.
In diesem Werk von Ralph Frenken befinden sich weit über 100 Abbildungen, wobei oft eine Abbildung in mehreren Details zu besserer Illustrierung dargestellt und mit Buchstaben untergliedert wird. Es handelt sich sowohl um farbige als auch schwarz-weiße Fotos von unterschiedlichen Zeichnungen und Knetfiguren aus der Zeit der Psychotherapie sowie darüber hinaus.
Vor diesem Hintergrund erarbeitet Ralph Frenken diese Einzelfallanalyse, in dem er in der Einleitung (Seite 1–4) die Hauptzugänge zum Buchinhalt vorstellt und diese bereits in Verbindung mit dem im Laufe des Buches in den einzelnen Themen wie pränatale Psychologie, Bilderanalyse, Kinderzeichnung, Bedeutsamkeit der Umgebung für die Entstehung von Wörtern und Bildern einführend vorstellt. Die methodische Herangehensweise dieser Studie liegt in der objektiven Hermeneutik, mit ihren ausführlichen Interpretationen, hier vor allem die Interpretation der einzelnen Bilder und die Erfassung von Sinnstrukturen. „Die vorliegende Untersuchung stellt somit eine Einzelfallrekonstruktion der künstlerischen Produktion eines Kindes in einer Psychotherapie dar“ (S. 3).
Im Abschnitt Pränatalpsychologie (S. 5–19) führt Ralph Frenken weitere Autoren und Autorinnen auf diesem Gebiet ein und untermauert theoretisch somit sein Forschungsinteresse. Seine erste Frage lautet: „Beginnt das Erleben bereits vor der Geburt?“ (S. 5). Im weiteren Verlauf beantwortet er diese Frage und begründet diese aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Plazenta bildet (mit Nabelschnur und Bauchwand), so der Autor, ein erstes Objekt für den Fötus, da dieser sie als Erstes Erinnerungsbild erlebt mit der er taktil, motorisch und emotional verbunden ist. Die Föten lernen hochkomplexe akustische Muster und strukturieren durch all das und entwickelt eine komplexe Psyche. Somit bilden die pränatalen Erfahrungen (wie z.B. durch die Plazenta gut oder unzureichend versorgt zu werden) in allen Wahrnehmungsbereichen die Grundlagen von Erleben und Erinnern. „Diese Urerfahrungen lassen sich in den kulturellen Bindungen des Menschen wiederauffinden, so die in diesem Buch vertretene These… Insbesondere in der bildenden Kunst sind bestimmte Symbole erkennbar mit pränatalen bzw. genauer: plazentalen Erinnerungsspuren verbunden“ (S. 18). Diese „Erinnerungsspuren“ des pränatalen bzw. plazentalen (Er-)Lebens werden auch auf postnatale Objekte übertragen (u.a. als Ursache von Tierphobien – insbesondere Angst vor Spinnen). Auch in diesem Abschnitt rekurriert der Autor auf verschiedene Werke, sowie auf weitere wissenschaftliche Untersuchungen (z.B. Zwillingsforschung) aus den Nachbardisziplinen. Die literarischen Quellen sind im ganzen Buch in die Fußnoten gestellt.
Kinderpsychotherapien und Kinderzeichnungen ist der darauffolgende Abschnitt überschrieben (S. 21–47). Da eine Kinderpsychotherapie sich nie rein sprachlich gestaltet, entstehen während dieses Prozesses recht oft Bilder (S. 22). Diesem Entstehungsprozess sowie dessen Analyse widmet sich sowohl dieser Buchteil als auch insgesamt das vorliegende Buch. Anhand der Darstellung sehr vieler Abbildungen von Kinderzeichnungen, stellt Ralph Frenken entwicklungspsychologische Aspekte der Bild- und Zeichenentwicklung und -entstehung bei Kindern in unterschiedlichen Altersstufen dar. Nach der Unterteilung von jüngeren Kindern (bis zu 6 Jahren) folgt die Auseinandersetzung mit älteren Kindern (6 Jahre und älter). Hier werden Bilderproduktionen von Kindern mit und ohne psychopathologische Befunde gezeigt und analysiert. Der Autor stellt ausführlich insgesamt fünf Patientinnen und Patienten von namenhaften Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (Sophie Morgenstern, Melanie Klein, Donald Winnicott und Anneliese Ude-Pestel) vor. Bei allen diesen Patienten und Patientinnen werden die pränatalen bzw. plazentalen Thematiken auch von diesen damaligen Kinderpsychotherapeuten und -therapeutinnen erkannt.
Der Korpus des vorliegenden Buches beginnt mit der Überschrift Fall Tom (7-10 Jahre) (S. 49–241). Hier gliedert der Autor die Fallgeschichte des Jungen in fünf Unterkapitel, nämlich in Vorbemerkung, Anamnese und Diagnostik, Therapie, Toms Bilder vor der Therapie und psycho- und familiendynamische Aspekte.
Bei der ‚Vorbemerkung‘ erläutert Ralph Frenken kurz die unterschiedlichen Ausdrucksformen, die in der Psychotherapie des siebenjährigen Patienten Tom zur Anwendung kamen.
‚Anamnestisch und diagnostisch‘ erfahren die Leser als Erstes die Symptomatik des Jungen, die von Schulschwierigkeiten, über Rivalitäten mit dem jüngeren Bruder, aggressiven Impulsen mit autoaggressiven Anteilen und in diesem Rahmen allgemeine familiäre Konflikte mit den Eltern.
Die ‚aktuelle Situation‘ wird hier spezifischer – bezogen auf die Daten der Anamnese und Diagnostik- präsentiert.
Bei den ‚Biografischen Daten‘ bekommen die Leser einen tieferen Einblick in die Familienkonstellation, was fundamental ist, um Toms Problematik im Rahmen des pränatalen Erlebens zu verstehen. Vor allem bedeutsam sind hier die Informationen über den Schwangerschaftsverlauf (S. 51f). Die Geburt des jüngeren Bruders setzte die Problematik des Patienten in Gang.
Verschiedene ‚Tests und projektive Verfahren‘ wurden durchgeführt. Hierauf folgte eine ‚diagnostische Einschätzung‘ mit der Empfehlung einer Kinderpsychotherapie.
Unter der Überschrift ‚Therapie‘ werden siebzehn Therapiesitzungen mit Tom im Detail vorgestellt. Wortwörtliche Aussagen des Kindes und des Therapeuten werden den Lesern aus den Sitzungsprotokollen zugänglich gemacht und entsprechend tituliert (z.B. 22. Stunde: „Fliegender Fisch und Zerstörungsorgan“). Jede protokollierte Stunde verfügt über zahlreiche Bilder, die Tom in der Sitzung produziert hat, sowie einer Interpretation und theoretisch-zusammenhängenden Erläuterungen sowie Reflexionen des Therapeuten. Die Bilderproduktion und Fantasien des jungen Patienten stehen hier im Vordergrund.
Nachfolgend stellt der Autor ‚Toms Bilder vor der Therapie‘ vor. Es sind 90 Bilder, die vor Beginn der Therapie (bereits aus der Kindergartenzeit von Tom) dem Therapeuten durch die Mutter des Patienten zur Verfügung gestellt wurden. Davon wählte der Autor sieben aus und setzt diese in Vergleich und in Beziehung zu denen, die während der Psychotherapie produziert wurden. Zusammenhänge werden hier erläutert und mit den Hauptthesen des Autors in Verbindung gebracht.
Als letzter Abschnitt dieses ausführlichen Teils kontextualisiert Ralph Frenken rückblickend und gleichzeitig einordnend in die Therapie und Nach-Therapiezeit ‚psycho- und familiendynamische Aspekte‘ des Falls Tom. „Die Therapie begann, als die beteiligten Eltern Hilfe suchten. Meine Aufgabe bestand darin, die konfligierenden Anteile und Impulse Toms zu mentalisieren und zu containern. Die phantasierten „Katastrophen“ galt es zu entschärfen und ertragbar zu machen. Die realen Eltern taten ihren Teil dazu, die Konflikthaftigkeit der verschiedenen Forderungen zu erkennen und verträglicher für Tom zu gestalten“ (S. 240f). Hier betont der Autor, dass „das vorliegende Buch keine Darstellung eines Therapiefalles liefern soll, sondern lediglich die verschiedenen Quellen der Impulse darstellen, die sowohl zu Symptomen als auch zur künstlerischen Produktion Toms führten. Das Ineinandergreifen der zeitlich verortbaren Ebenen pränatal, präödipal und ödipal sollte begreifbar werden.“ (S. 241)
Vor der Zusammenfassung, der umfangreichen Literaturliste mit Titeln in mehreren europäischen Sprachen, dem Abbildungsverzeichnis und den Quellenangaben zu den anfänglichen Zitaten (von Gerhard Richter und Martin Buber), die das Buch abschließen, setzt sich der Autor im letzten analytischen Abschnitt mit der Empirie der Pränatalzeit in Bildern auseinander (S. 243- 253). Thematisiert wird u.a. die Evidenz seiner These der erinnerungshaften Fantasien sowie Fantasie Strukturen aus der Zeit vor der Geburt und ihr Ausdruck im künstlerischen Schaffen an den Materialien, sowie in den begleitenden sprachlichen Äußerungen während des psychotherapeutischen Geschehens. „In der Kinderpsychotherapien kommt […] als wichtiges Medium der motorisch-gestische Ausdruck hinzu. Erinnerung wird damit anders stimuliert. Im Fall des künstlerischen Handelns nun geht es bewusst gar nicht um Erinnern, sondern um das Schaffen von Werken… Gleichwohl kann das Unbewusste diese Situation strukturieren durch Freisetzen von Wahrnehmungsfragmenten früherer Situationen.“ (S. 252)
Diskussion
Die pränatale Zeit, eine bedeutsame, obwohl kurze, Phase in der menschlichen psychischen Entwicklung, wird in der gegenwärtigen entwicklungspsychologischen Literatur sehr eng gefasst. In den zahlreichen in den letzten Jahren erschienenen Lehrbücher der Entwicklungspsychologie finden wir vor allem eine Wiederholung des Biologieunterrichts vor. Auch da, wo es um das Thema des emotionalen Zustandes der Schangerer geht, findet sich kaum bis gar nichts (außer in Zusammenhang mit Stress) über die psycho-emotionale Rückkopplung zwischen Mutter und Fötus und über die Tragweite der Emotionen der Schwangeren auf die psychoemotionale Entwicklung und Beeinflussung des Kindes über die biologische Ebene hinaus.
Auch wenn Sigmund Freud in seinem Werk dieser Zeit wenig Beachtung geschenkt hat, wissen wir heute, dass diese Lebensphase ihre Bedeutung nicht nur in der Formung der organischen, biologischen Strukturen der Individuen hat, sondern auch in der Beeinflussung des Erlebens und Verhaltens in der postnatalen Zeit: Dass die Einstellung der Mutter zu ihrem Fötus Einfluss auf mögliche spätere psychischen Auffälligkeiten des Säuglings und Kindes hat, wurde bereits vor längerer Zeit untersucht (z.B. David, 1981; Cole, 1989 nach Wendt, 1997). Psychodynamisch arbeitenden Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen kommt deshalb die Aufgabe dies zu berücksichtigen zu.
Das Thema Kinderzeichnung und künstlerisches Schaffen von Kindern in der Kinderpsychotherapie spielt ebenfalls in der Fachliteratur ein Randdasein, obwohl während der psychotherapeutischen Sitzungen mit Kindern nicht nur gesprochen wird, sondern unterschiedliche Materialien spielerisch und gestalterisch eingesetzt werden. Eine der Gründe für die geringe Beachtung dieses Themas mag die immer wieder erwähnte fehlende Vergleichbarkeit der kindlichen Produktionen und somit die vermeintlich geringe Nutzung im wissenschaftlichen Kontext sein. Eine Kinderzeichnung wird dann oftmals lediglich als eine Ausdrucksmöglichkeit des Kindes im Therapiegeschehen angesehen, ohne weitere (außer Farbeinterpretationen) Bezüge zu beachten, vor allem nicht bzgl. des pränatalen Lebens.
Ebenfalls der Themenbereich Einzelfallanalyse, die eigentlich in der Geschichte der Psychologie und Psychotherapie Tradition hat, wird wegen N=1 selten im Rahmen einer gesamten Studie dargestellt.
Die Verknüpfung dieser drei gerade erwähnten vernachlässigten Bereiche in der aktuellen Fachliteratur macht aus dem Buch von Ralph Frenken ein Unicum.
Sequenzielle Bilder des Patienten Tom, die aber bereits in geraumer Zeit vor Beginn der eigentlichen Psychotherapie entstanden sind, können als eine Art von Kontinuität bezüglich der pränatalen Thematik angesehen werden, da diese im Therapieverlauf in ähnlicher Weise wieder auftauchen. Dadurch wird auch klar, dass keine Vorbeeinflussung durch den Autor und seine Theorien wirksam sein konnte. Mit dem potenziellen Verdacht der Bildergestaltungsbeeinfussung durch den Therapeuten setzt sich Ralph Frenken selbstreflexiv immer wieder auseinander. Selbstkritik und Reflexion der eigenen Interventionen und Inputs im Therapieverlauf ist ein immer wiederkehrendes Thema.
Das Buch ‚Kinderzeichnung und Pränatalpsychologie‘ zeigt eine durchgängige Plausibilität in der Argumentation sowohl theoretisch als auch im Hinblick auf die Symptomatik und die praktische Durchführung der Psychotherapie. Vor dem Hintergrund der tiefenpsychologischen Theorien besitzt das Buch einen hohen Praxiswert: Ralph Frenken zeigt darin, wie Kinderzeichnung die pränatale Phase widerspiegeln und das postnatale Leben am Ende der frühen und am Anfang der mittleren Kindheit beeinflussen kann und symptomatisch wirkt.
Wie bereits bei der Darstellung des Inhaltes sichtbar geworden sein müsste, geht der Autor mutig und gekonnt vor und liefert hier einen wesentlichen Beitrag zu einer ausdifferenzierten Sicht der pränatalen Zeit im Rahmen nicht ausschließlich biologischer Faktoren, sondern in Verbindung mit dem psychoemotionalen Erleben von Mutter und Kind als ein echter Beitrag zur (Tiefen)Psychologie der pränatalen Zeit: die plazentale Zeit in Erinnerung, in den Emotionen, als Symbolik und Kunstausdruck in der Kinderpsychotherapie.
Ralph Frenkens Buch beinhaltet zahlreiche Details, die große Relevanz und Interesse implizieren. Kritisch zu erwähnen sind dennoch einige -geringfügige Fehler in der Notierung der Bilder, der Farben und Fußnoten. Wünschenswert wäre es sicherlich mehr über die begleitende Elternberatung im Verlauf der Psychotherapie des Kindes zu erfahren. Dieses Fachbuch ist verfasst in einem guten verständlichen Schreibstil, der die Erläuterungen von komplexeren Aussagen zugänglicher macht. Die Analogien und Beispiele tragen zum allgemeinen guten Verständnis bei und sind durchgehend dem Autor gelungen. Derweilen ist die Darstellung der Therapiestunden spannend und manchmal sogar lustig, trotz der gesamten Ernsthaftigkeit der Problematik des Patienten und Seriosität des Autors. Das Buch zeigt eine durchgängige Plausibilität in der Argumentation sowohl theoretisch als auch im Hinblick auf die Symptomatik und praktische Durchführung der Psychotherapie. Nicht allein vor dem Hintergrund der tiefenpsychologischen Theorien besitzt das Buch einen hohen Praxiswert.
Die Rezensentin, die bereits viele Jahre tiefenpsychologisch orientierte Kinderpsychotherapie in der Praxis aufweisen kann und in ihrer Lehre das Thema Kinderzeichnung – sowohl im Rahmen der Entwicklungspsychologie als auch in gesonderten Seminaren in ihrer Lehrtätigkeit anbietet – beurteilt das vorliegende Buch als eine bemerkenswerte Arbeit, die vor allem im Kontext der pränatalen Psychologie eine Würdigung dieses Lebensabschnittes sieht, der aber so oft vernachlässigt wird. Es besteht kein Zweifel daran, dass die pränatale Psychologie erforscht wird und in allen Lehrbüchern der Entwicklungspsychologie als ein (kurzes) Kapitel vorhanden ist. Aber welche Gestalt und welchen Raum nimmt sie im Rahmen der kindlichen Produktion, um diese Lebensphase zu verarbeiten, in der Psychotherapie ein? Welche unbewussten Äußerungen sehen wir im Therapieverlauf und deuten diese pauschal – in Form „wenn das gezeichnet wird, dann bedeutet das…“. Die Hermeneutik der Kinderzeichnung als psychoemotionaler Ausdruck des pränatalen Lebens öffnet hiermit eine andere neue Sicht auf die Kunstproduktion von Kindern während der Psychotherapie.
Das vorliegende Buch ist sehr empfehlenswert für Berufsgruppen, die vor allem mit Kindern und Eltern arbeiten.
Fazit
Obwohl die Themen Kinderzeichnung und Pränatale Psychologie gegenwärtig häufig in der psychologischen und kinderpsychotherapeutischen Fachliteratur vernachlässigt werden, zeigt das Buch von Ralph Frenken die Bedeutsamkeit dieser Themen auf, sowohl als eine Möglichkeit der Verarbeitung von maladaptativem Verhalten, Regressionen, der Integration von Emotionen sowie als Ausdruck künstlerischer Leistungen von Kindern im kinderpsychotherapeutischen Geschehen. Das vorliegende Buch umfasst die Bandbreite des intrapsychischen Lebens eines Jungen und berücksichtigt dabei die Bedeutung und Auswirkung der pränatalen Phase und steht somit in engem Zusammenhang mit der klinischen Entwicklungspsychologie. Es ist eine Theorie der pränatalen Zeit im Ausdruck der Kinderzeichnung.
Rezension von
Prof. Dr. Chirly dos Santos-Stubbe
Dipl. Psych.
Hochschule Mannheim – Fakultät Sozialwesen
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