Günter Daniel Rey: Lehren und lernen mit digitalen Medien
Rezensiert von Marc-Dominique Barth, 01.07.2025

Günter Daniel Rey: Lehren und lernen mit digitalen Medien. Theorien und Design. Hogrefe AG (Bern) 2024. 192 Seiten. ISBN 978-3-456-86362-7. D: 50,00 EUR, A: 51,40 EUR, CH: 65,00 sFr.
Thema
Das vorliegende Werk befasst sich mit Whiteboard-Animationen, pädagogischen Agenten, digitalen Lernspielen und Künstlicher Intelligenz im Kontext des Lehren und Lernens mit digitalen Medien. Dabei werden aktuelle Forschungsergebnisse aufgegriffen und Empfehlungen zur Gestaltung benannt. Das Herausgeberwerk folgt als Neuerscheinung des im Jahr 2009 veröffentlichen Lehrbuchs „E-Learning“ von Prof. Dr. Günter Daniel Rey.
Autor:innen und Herausgeber:innen
Prof. Dr. Günter Daniel Rey ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Medienforschung und stellvertretender Dekan der Philosophischen Fakultät an der Technischen Universität Chemnitz. Seit 2013 ist er zudem Professor für die Psychologie digitaler Lernmedien.
Jun. Prof. Dr. Maik Beege ist seit 2021 Tenure-Track Professor für Digitale Medien an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Seine aktuellen Forschungen beschäftigen sich mit dem Lernen aus Instruktionsvideos, fehlerhaften Lösungsbeispielen sowie Auswirkungen von Signalisierungstechniken im Lernprozess.
Dr. Felix Krieglstein beschäftigt sich mit der lernfördernden Gestaltung verschiedener Lernmedien. Zudem ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Chemnitz im Rahmen der Professur der Psychologie digitaler Lernmedien.
Prof. Dr. Steve Nebel ist Professor für Schulbezogene Medienbildung an der Universität Potsdam. Seine aktuelle Forschung beschäftigt sich mit psychologischen Perspektiven auf das Lernen mit und über Medien.
Ass.-Prof. Dr. Manuel Ninaus ist an der Universität Graz als Tenure-Track Professor für digitale Technologien und Psychologie tätig. Seine Forschung befasst sich mit kognitiven, emotionalen und neurofunktionalen Prozessen des spielbasierten Lernens.
Prof. Dr. habil. Sascha Schneider ist Professor an der Universität Zürich. Seine Forschung untersucht die sozialen, motivationalen und emotionalen Prozesse als Moderatoren und Mediatoren erfolgreicher Lehr, Lern- und Abrufprozesse mit digitalen Medien.
Lukas Wesenberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Chemnitz. Dort erforscht er beispielbasierte Lernumgebungen und die Wirkung von interessanten, aber lernirrelevanten Zusätzen in Lernmaterialien.
Jun.-Prof. Dr. Maria Wirzberger arbeitet an der Universität Stuttgart. Dort leitet Sie die Abteilung für Lehren und Lernen mit intelligenten Systemen sowie das fakultätsübergreifende Interchange Forum for Reflecting on Intelligent Systems.
Entstehungshintergrund
Das Buch Lehren und lernen mit digitalen Medien folgt als Neuerscheinung auf das im Jahr 2009 veröffentlichte Lehrbuch „E-Learning“ von Prof. Dr. Günter Daniel Rey. Vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung des Forschungsfeldes zum Lehren und Lernen mit digitalen Medien greift das Buch als Herausgeberwerk, an dem viele Autorinnen und Autoren mitgewirkt haben, die zu vorgenanntem Thema forschen, den aktuellen Forschungstand auf und verbindet diese mit Empfehlungen zur Gestaltung in der Praxis.
Aufbau
Das Buch gliedert sich in insgesamt sieben Kapitel, für die sich jeweils ein*e andere Autor*in oder ein Autor*innenteam verantwortlich zeichnet. Das erste Kapitel greift dabei die Grundlagen der Informationsverarbeitung auf. Diese werden im zweiten Kapitel nochmals differenzierter in den Blick genommen, abseits des reinen kognitiven Prozesses. Die nachfolgenden Kapitel drei und vier befassen sich schließlich mit konkreten Anwendungsfällen wie den Whiteboard-Animationen und den Pädagogischen Agenten. In den Kapiteln fünf und sechs werden das Lehren und Lernen mit Beispielen sowie digitale Lernspiele behandelt. Abschließend stellt Kapitel sieben intelligente Systeme für das Lehren und Lernen vor. Jedes Kapitel schließt zudem mit einer umfangreichen Literatur und Quellensammlung, die der/dem Lesenden die Möglichkeit bietet, weitergehende Recherche zu betreiben.
Inhalt
Informationen verarbeiten und speichern
Das erste Kapitel des Buches zeigt unterschiedliche Wissensformen sowie Gedächtnismodelle auf. Zudem wird dargelegt, warum Lernen nicht ohne Belastung funktioniert und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Zudem wird geschildert, wie diese Faktoren in der Ausgestaltung von Lernmaterial berücksichtigt werden können, um Lernprozesse für die Lernenden möglichst gewinnbringend gestalten zu können. Dazu wird auf die Theorie der kognitiven Belastung (CTL) zurückgegriffen. Des Weiteren werden die Theorie des Text- und Bildverstehens (ITPC) sowie die Kognitive Theorie des multimedialen Lernens (CTML) vorgestellt. Bevor der Autor dieses Kapitels auf die Gestaltung von Lernmedien anhand der zuvor vorgestellten Theorien eingeht, widmet er sich jeweils der Kritik der bzw. den Einschränkungen der aufgezeigten Theorien. So ist oftmals die Forschung auf Basis mathematischer oder naturwissenschaftlicher Materialien erfolgt. Eine Übertragbarkeit auf z.B. sozialwissenschaftliche Wissensbereiche ist zudem zweifelhaft. Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass die zitierten Modelle keine Aussagen über Einflüsse motivierender, emotionaler, sozialer sowie selbstregulierender Faktoren treffen (vgl. Rey (Hrsg.) 2024. S. 27).
Lernen nicht nur ein kognitiver Prozess
Die im ersten Kapitel aufgezeigte Kritik wird im zweiten Kapitel aufgegriffen. Es werden Erweiterungen der zuvor vorgestellten Theorien vorgestellt. Dabei beschränkt sich der Autor nicht auf eine mögliche Erweiterung, sondern greift auch neue Theorien auf. Benannt werden unter anderem:
- Konnektivismus
- Theorie des kollaborativen Lernens
- Theorie der kognitiven Flexibilität
- Das Design-Funktionen-Aufgaben-Rahmen-Modell
- Theorie des pädagogischen Lernens
- Integriertes Modell multimedialer Effekte auf das Lernen
Nach dem theoretischen Input widmet sich ein großer Teil des Kapitels der praktischen Gestaltung von Lernmedien. Hier fallen Begrifflichkeiten wie Emotional Design. Dazu wird der Einfluss positiver und negativer Emotionen auf den Lernprozess in den Blick genommen. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten wie auditive Hinweiszeichen, Autonomieunterstützung werden ebenfalls dargelegt. Auf folgende Aspekte geht das Kapitel mit Blick auf Gestaltungsbeispiele ebenfalls ein: Das Liefern einer sinnvollen Begründung für die zu erfüllende Aufgabe, das Anerkennen damit verbundener negativer Gefühle, eine autonomieunterstützende Sprache, das Anbieten von Wahlmöglichkeiten sowie die Förderung von inneren Motivationsressourcen. Des Weiteren werden soziale Prozesse zur Unterstützung des Lernens beschrieben.
Whiteboard Animationen
Im dritten Kapitel des Buches wird die Studienlage zum Einsatz von Whiteboard-Animationen vorgestellt. Hier ist die empirische Basis bzgl. des lernfördernden Einsatzes noch überschaubar. Als wichtiges Gestaltungselement wird der Einsatz einer menschlichen Hand in den Animationen beschrieben. Auch scheint der Einsatz von Stimmen, die mit Hilfe Künstlicher Intelligenz erzeugt werden, große Potenziale bieten, und sogar das Stimmeprinzip umkehren oder sogar aufheben (vgl. Rey (Hrsg.) 2024. S. 82).
Pädagogische Agenten
Die Pädagogischen Agenten werden im vierten Kapitel vorgestellt. Dazu wird eine Brücke zu bekannten Konversationsagenten wie Siri und Alexa geschlagen. Die Anforderung an einen Agenten, damit dieser als pädagogischer Agent fungiert, ist, dass dieser in einen Bildungskontext eingebunden ist und einem expliziten instruktionalen Nutzen oder Zweck dient. Neben der Abgrenzung zu Avataren findet hier eine Differenzierung nach den Rollen statt, die ein Agent einnehmen kann:
- Demonstration und Modellierung von Aufgaben
- Anleitung und Unterstützung
- Informationsquelle
- Testen
Weiterführend findet eine Auseinandersetzung mit dem Einfluss pädagogischer Agenten auf kognitive Prozesse, motivationale bzw. affektive Prozesse sowie soziale Prozesse statt. Hierbei wird u.a. auf die in den Kapitel eins und zwei vorgestellten Theorien zurückgegriffen.
Lehren und Lernen mit Beispielen
Mit dem Lehren und Lernen mit Beispielen befasst sich der Autor des fünften Kapitels. Eingangs werden drei Arten von Beispielen vorgestellt:
- nicht ausgearbeitete Beispiele
- ausgearbeitete Beispiele
- Modellbeispiele
Jedes der vorgestellten Beispielarten wird anhand eines Beispiels erläutert. Daneben zeigt der Autor dieses Kapitels auf, zu welchem Zweck die jeweilige Beispielart verwendet wird. Eine Brücke zu den ersten Kapiteln des Buches schlägt dann der Abschnitt, der sich mit den Vorteilen von Beispielen auseinandersetzt, Stichwort: kognitive Entlastung. Aber nicht nur die Vorteile werden erwähnt, auch Nachteile wie eine Verstehensillusion, Passivität oder Schema-Automatisierung kommen zur Sprache. Den Abschluss des Kapitels bilden aus Studien abgeleitete Gestaltungsprinzipien für Beispiele.
Digitale Lernspiele
Das Kapitel digitale Lernspiele führt eine Definition eben jener aus. Zudem wird auf den Widerspruch, basierend auf der rein kognitiven Perspektive hinsichtlich überflüssiger kognitiver Belastung durch das Hinzufügen von, für den Lernprozess irrelevanten, aber motivationsfördernden Elementen, verwiesen. Dem gegenüber steht die Möglichkeit, etwa durch die Integration von pädagogischen Agenten im Spiel, Lernende zu motivieren und die Bereitschaft zu erhöhen mehr geistige Anstrengung zu investieren (vgl. Rey (Hrsg.) 2024. S. 136). Analog zu den Ausführungen im fünften Kapitel widmen die Autoren des sechsten Kapitels auch den motivationalen, emotionalen und sozialen Faktoren einen Abschnitt, in dem sie jeweils darlegen, welchen Einfluss dies auf digitale Lernspiele hat. Die Komplexität des Ganzen wird abschließend in einem, von den Autoren vorgestellten Modell des Lernens mit digitalen Lernspielen, sichtbar. Die anschließend angeführten Forschungen zeigen zudem auf, dass es hinsichtlich der Lernspielgestaltung noch einer Vielzahl weiterer Studien bedarf, um verallgemeinerbare Aussagen bezogen auf die Lernspielgestaltung zu ermöglichen.
Intelligente Systeme für das Lehren und Lernen
Das letzte Kapitel des Buches setzt sich mit dem Einsatz intelligenter Systeme für das Lehren und Lernen auseinander. Eingangs erfolgt dazu eine kurze Einführung in das Thema künstliche Intelligenz. Neben dem geschichtlichen Background werden auch drei verschiedenene Ansätze des Trainings einer KI aufgezeigt:
- Überwachtes Lernen (supervised learning)
- Unüberwachtes Lernen (unsupervised learning)
- Bestärkendes Lernen (reinforcement learning)
Für den Einsatz intelligenter Technologien in der Bildung werden durch die Autorin drei grundlegende Paradigmen vorgestellt. Darüber hinaus stellt diese Einsatzszenarien für intelligente Bildungstechnologien unterschiedlicher Zielgruppen dar. Ebenfalls werden die sechs Stufen der Automatisierungen (0 bis 5) vorgestellt. Das umfangreiche Kapitel führt die/den Lesenden zudem in die Begrifflichkeiten Big Data und Large Language Models (LLMs) ein. Dies im Kontext Lehre und Datenanalyse. Das KI gestützte Systeme nicht ausschließlich positiven Nutzen haben und der Einsatz auch mit ethischen Fragestellungen verknüpft werden sollte wird ebenfalls beleuchtet. Dabei wird etwa auch auf den AI ACT der Europäischen Kommission verwiesen, bzw. aus eben jener Verordnung zitiert.
Diskussion
Das Herausgeberwerk „Lehren und lernen mit digitalen Medien“ bietet eine strukturierte und zugleich praxisnahe Darstellung der aktuellen Forschung zum Einsatz digitaler Medien im Bildungskontext. Die Beiträge greifen nicht nur klassische Lerntheorien auf, sondern erweitern diese um zeitgemäße Ansätze, die insbesondere affektive, motivationale und soziale Aspekte berücksichtigen. Damit trägt das Werk der Kritik an rein kognitiven Erklärungsmodellen Rechnung, die im Buch selbst geäußert wird, und fördert ein integratives Verständnis von digitalem Lernen.
Die Gliederung des Buches ist logisch und strukturiert aufgebaut – von theoretischen Grundlagen über konkrete Anwendungsbeispiele bis hin zu einem Abhandlung über KI-gestützte Systeme. Der Umgang mit Technologien wie Whiteboard-Animationen, digitalen Lernspielen oder pädagogischen Agenten erfolgt dabei differenziert. Ihre Potenziale und Herausforderungen werden sorgfältig abgewogen, ohne sie als pauschale Lösungen darzustellen. Auch ethische Fragestellungen, etwa im Zusammenhang mit dem Einsatz intelligenter Systeme, werden berücksichtigt – ein Aspekt, der angesichts rasanter technologischer Entwicklungen besonders relevant ist.
Zudem bestehen zwischen den einzelnen Kapiteln vielfältige inhaltliche Bezüge und Querverweise. Diese Verknüpfungen stärken die Kohärenz des Werks und unterstützen ein vertieftes Verständnis der Aspekte des digitalen Lehrens und Lernens.
Fazit
„Lehren und lernen mit digitalen Medien“ ist ein inhaltlich fundiertes und gut strukturiertes Werk, das Forschenden und Praktiker*innen im Bildungsbereich wertvolle Einblicke bietet. Die Verbindung von theoretischem Fundament und praktischen Gestaltungsempfehlungen macht das Buch besonders anschlussfähig für die Gestaltung digitaler Lernprozesse. Dank der breiten thematischen Aufstellung und der Beteiligung zahlreicher renommierter Expert:innen aus den Bereichen Psychologie, Pädagogik und Medienforschung gelingt es dem Autor*innenteam, ein aktuelles und facettenreiches Bild digitaler Bildungsmedien zu zeichnen.
Rezension von
Marc-Dominique Barth
staatlich anerkannter Erzieher, M.A. Kindheits- und Sozialwissenschaften, Fachberatung für Kindertagesstätten
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