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Andreas Witt, Steffen Schepp et al.: ANKOMMEN - Biografiebezogene Gruppenintervention für Jugendliche zum Umgang mit der eigenen Fremdunterbringung

Rezensiert von Wolfgang Schneider, 17.04.2025

Cover Andreas Witt, Steffen Schepp et al.: ANKOMMEN - Biografiebezogene Gruppenintervention für Jugendliche zum Umgang mit der eigenen Fremdunterbringung ISBN 978-3-7799-8415-3

Andreas Witt, Steffen Schepp, Jörg M. Fegert, Elisa Pfeiffer, Miriam Rassenhofer: ANKOMMEN - Biografiebezogene Gruppenintervention für Jugendliche zum Umgang mit der eigenen Fremdunterbringung. Mit Online-Materialien. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2025. 216 Seiten. ISBN 978-3-7799-8415-3. D: 54,00 EUR, A: 55,60 EUR.

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Thema

Was früher niemanden wirklich interessiert hat, ist heute sowohl in der Forschung als auch der Praxis der Jugendhilfe (hoffentlich) bestens bekannt: Eine Herausnahme von jungen Menschen aus dem elterlichen Haushalt und eine anschließende Unterbringung in einer Wohngruppe oder einer anderen stationären Wohnform sind massive Einschnitte in eine Biografie. Bei der Bewältigung dieses einschneidenden Ereignisses kann Biografiearbeit ein wichtiger Faktor zur Aufarbeitung sein. Ankommen ist wissenschaftlich evaluiertes Programm, das durch acht Gruppensitzungen positive Effekte auf die psychische Gesundheit von fremduntergebrachten Jugendlichen haben kann. Dieses Buch soll helfen, das Programm breiter zu steuern und Mitarbeiter:innen von Wohngruppen befähigen, es selbst anzuwenden. Online-Materialien sind Bestandteil dieses Buches.

Autor:innen

PD Dr. phil. Andreas Witt ist Chefpsychologe an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie an den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern. Steffen Schepp ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Kinder- und Jugend psychiatrie/​Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut in eigener Praxis. Prof. Dr. Jörg M. Fegert ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/​Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm. Prof. Dr. Elisa Pfeiffer ist Lehrstuhlinhaberin für Klinische Psychologie und Kinder- und Jugendpsychotherapie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und leitet eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe zum Thema Trauma bei Kindern und Jugendlichen am Universitätsklinikum Ulm. Prof. Dr. Miriam Rassenhofer leitet die Sektion Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und Verhaltensmedizin an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/​Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind u.a. Forschung zu Kindesmisshandlung und Kinderschutz.

Aufbau und Inhalt

Bevor es in die praktische Arbeit geht, bildet der erste Teil den theoretischen Hintergrund – sowohl im Rahmen eines groben Überblicks als auch konkret auch auf das Konzept Ankommen, die notwendigen Rahmenbedingungen und seine Evaluation bezogen. Dabei wird deutlich, dass sich für die im Rahmen der Evaluation begleiteten Jugendlichen zum Beispiel sowohl internalisierende als auch externalisierende Verhaltensauffälligkeiten deutlich zurückgegangen sind. Der Hauptteil beschäftigt sich aber mit der Vorgehensweise im Rahmen der Intervention. Geklärt werden zum Beispiel die Gruppenzusammensetzung während der Wirksamkeitsstudie (12- bis 17-Jährige) und inwieweit die Einbeziehung von Bezugspersonen erfolgte. Das können neben Personen aus der Herkunftsfamilie auch Bezugsbetreuer:innen aus der Einrichtung, Vormünder oder weitere Begleiter:innen sein. Die Sitzungen selbst – acht an der Zahl – lassen sich in drei Phasen einteilen und finden wöchentlich für jeweils 90 Minuten statt. Die erste Sitzung steht unter der Überschrift Meine Rechte. Dabei geht es um Rahmenbedingungen der Maßnahme, Gruppenregeln und Psychoedukation zu Kinderrechten und den häufigsten Gründen für Fremdunterbringungen im Allgemeinen. Gefühle ist die zweite Sitzung betitelt. Hier steht die Erläuterung zu Funktionen und Differenzierung von Gefühlen sowie der Zusammenhang von Gefühlen, Gedanken und Verhalten im Zentrum. Damit ist die erste Phase abgeschlossen und die eigentliche Arbeit beginnt. Dafür findet am dritten Termin die Einführung in die Biografiearbeit statt. Neben der Klärung vom Nutzen derselben wird ein persönlicher Steckbrief sowie eine Karte der bisherigen Wohnorte der Teilnehmer:innen erstellt. In der vierten Sitzung geht es um Meine Geschichte: Die Jugendlichen fertigen eine schriftliche Nacherzählung ihrer Fremdunterbringung und der ersten Tage in der aktuellen Einrichtung an. Um Merkmale und Aufgaben von Eltern und Loyalitätskonflikte geht es dann in Sitzung Fünf, die mit Zwischen den Stühlen überschrieben ist. Es folgt die sechste Sitzung, die gleichzeitig die letzte der zweiten Phase ist: Meine offizielle Geschichte. Im Fokus stehen hier Vor- und Nachteile des offenen Umgangs mit der Fremdunterbringung, selbstsicheres Verhalten und die Entwicklung der offiziellen Unterbringungsgeschichte. Die dritte Phase startet unter dem Titel Brieffreunde. In dieser siebten Sitzung sollen die Jugendlichen einen Brief an andere Jugendliche schreiben, die in der gleichen Situation sind wie sie selbst. Den Abschluss bildet dann die achte Sitzung zum Thema Meine Zukunft: Die Teilnehmer:innen formulieren Wünsche für ihre Zukunft, blicken auf ihre Erfahrungen der vergangenen Wochen und das Gelernte zurück und feiern ein gemeinsames Abschlussfest.

Diskussion

Dieses als Manual angelegtes Buch hält, was es verspricht. Nach dem kurzen aber für das Verständnis dieses Programms wichtigen theoretischen Einführung folgt der umfangreiche Praxisteil, der die vorher vermittelten Grundkenntnisse aufgreift. Es wird deutlich, dass bei der Entwicklung Theoretiker:innen und Praktiker:innen von involvierten Jugendhilfeinrichtungen mit all ihren Kompetenzen mitgearbeitet haben. Es bleibt zu hoffen, dass sich trotz der Herausforderungen des pädagogischen Alltags in Gruppensettings der stationären Jugendhilfe viele Fachkräfte finden, die versuchen, dieses wertvolle Programm in ihrer Praxis zu integrieren. Profitieren dürften davon am Ende alle Beteiligten.

Fazit

Klar strukturiert, optisch gut aufgearbeitet, praxisnah und kompetent – wer sich mit seinen Klient:innen dem Thema Biografiearbeit als Möglichkeit des Umgangs mit der eigenen Fremdunterbringung nähern will, dem sei dieses exzellente Buch dringend ans Herz gelegt.

Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
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Es gibt 142 Rezensionen von Wolfgang Schneider.

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ISSN 2190-9245