Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Martin Lexa: Pack dein Leben an!

Rezensiert von Prof. Dr. Carsten Rensinghoff, 21.01.2025

Cover Martin Lexa: Pack dein Leben an! ISBN 978-3-86321-737-2

Martin Lexa: Pack dein Leben an! Mein persönliches Konzept zur Integration von Menschen mit Behinderung. Mabuse-Verlag GmbH (Frankfurt am Main) 2024. 160 Seiten. ISBN 978-3-86321-737-2. D: 18,00 EUR, A: 18,50 EUR, CH: 17,55 sFr.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Kaufen beim socialnet Buchversand
Kaufen beim Verlag

Thema

Der seit seiner Geburt mit einer Behinderung lebende Autor schreibt in seinem Buch über seine Erfahrungen, die er im privaten und beruflichen Bereich gemacht hat. „Er erläutert, wie er ihm zugewiesene Rollen annahm, aber sich nicht durch sie definieren ließ“ (Klappentext). Er ging seinen eigenen Weg, auch wenn er in diesem auf scheinbar unüberwindbare Steine stieß. Es ist ein Mutmach- und Umdenkbuch.

Autor

Martin Lexa wurde 1965 mit einer Behinderung geboren und ist Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler

Aufbau

  1. Wer sind Menschen mit Behinderung?
  2. Veränderungen im Umgang mit Menschen mit Behinderung
  3. Meine Geschichte
  4. Ausblick auf zukünftige Entwicklungen und Chancen für Menschen mit Behinderung in der Berufswelt

Inhalt

In den Spiegel schauend, erkennt Martin Lexa die Unvollkommenheit seines Körpers. Diese Unvollkommenheit weicht von der Norm ab, Die Behinderung, die ihn gesellschaftlich ins Abseits drängt, ist durch das Fehlen des linken Armes begründet. Lediglich die linke Schulter ist in Ansätzen vorhanden und erkennbar. Mit der Zeit erkennt der Autor die Unabänderlichkeit seines Äußeren und lernt sich so zu akzeptieren.

Bevor Lexa von seinem Lebensweg berichtet, stimmt er die Lesenden auf das Thema Behinderung ein. Er stellt in einem kurzen Abriss dar, „wie mit Menschen mit Behinderung in der Vergangenheit umgegangen wurde“ (S. 13). In diesem Zusammenhang betrachtet er die unterschiedlichen Behinderungskategorien, als da wären die körperlichen Behinderungen, die sensorischen Behinderungen, die psychischen Behinderungen und die Entwicklungsbehinderungen.

Wie sollte über Menschen mit Behinderung idealerweise gesprochen werden? Der Autor schlägt vor, die Formulierung Menschen mit Behinderung zu benutzen. „Eine Behinderung ist eine von vielen Merkmalen einer Person. Deswegen sollten wir auf Ausdrücke wie ‚der/die Behinderte‘ verzichten“ (S. 20), da sie die Betroffenen auf ihre Behinderung reduzieren. Somit gilt es die Behinderung als eine Lebensform neben vielen anderen Lebensentwürfen zu akzeptieren.

Der Blick in die Geschichte beginnt im 19. Jahrhundert, in dem Menschen mit Behinderung oftmals Ausgrenzung erfuhren. Lexa betrachtet die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung im Nationalsozialismus, in dem der Lebenswert von Menschen mit Behinderung infrage gestellt wurde. Für die 1960er bis 1980er Jahre werden die medizinischen Fortschritte hervorgehoben, die aber dennoch zu einer Isolation in besonderen Einrichtungen führten. Diese Zeit war aber auch eine Zeit, in der sich die progressive Behindertenbewegung etablierte. In den 1990er Jahren bis in die Gegenwart sind Integration und Inklusion große Themen zum Thema Behinderung, aber auch gesetzliche Neuerungen sind zu verzeichnen.

Die Lebensgeschichte von Martin Lexa beginnt, wie sollte es anders sein, mit der Geburt. Sie beginnt mit der Geburt eines Kindes, dem der linke Arm fehlte. Sie beginnt mit einer Geburt, die zunächst das Leben der Eltern auf den Kopf stellte. Sie beginnt auch schon mit Fragen, die sich Martin Lexa dann später zusammen mit seiner Frau stellten, wenn sie ein Kind mit Behinderung bekommen würden.

Der schulische Werdegang erfolgte problemlos in der Grundschule und ab der fünften Klasse auf einem Gymnasium.

Martin Lexa „absolvierte das Abitur am Ende des Gymnasiums mit einem guten Abschluss“ (S. 41), auch wenn diese Phase nicht spurlos durchlaufen wurde.

Eine problematische Lebensphase war für Lexa die Pubertät, die bei Annäherungsversuchen zum weiblichen Geschlecht häufig von Zurückweisungen geprägt war. Sein „Selbstbewusstsein war in dieser Phase nicht besonders stark ausgeprägt“ (S. 44).

Der Verfasser hatte nach dem Abitur den Wunsch Landschaftsarchitekt zu werden. Da es sich hierbei um einen zulassungsbeschränkten Studiengang handelte, absolvierte Lexa in der Wartezeit eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Nach der zweijährigen Berufsausbildung begann er, im Gegensatz zum anfänglichen Vorhaben, ein wirtschaftlich ausgerichtetes Studium. Nun ist er Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. Er war als Führungskraft im Personalwesen fast zwanzig Jahre im Ausland tätig.

In seiner Autobiographie zeigt Martin Lexa die Tiefen und Höhen des Lebens mit Behinderung auf, als da beispielsweise wären:

  • der Konflikt mit den Eltern, weil der Autor nicht in der Heimatstadt studieren wollte;
  • die Schnürsenkel-Challenge, also dem einhändigen Zubinden von Schuhen mit Schnürsenkeln;
  • das mitleidige Kommentieren der Einarmigkeit von Fremden: „‘Ist ja schrecklich, die armen Eltern, der arme Junge!‘“ (S. 61);
  • das Dilemma Armprothese: Zur Vermeidung von Haltungsschäden wurde orthopädischerseits eine Armprothese empfohlen. Das Tragen der Armprothese führte jedoch nicht zu dem gewünschten Erfolg. Lexa schreibt: „Meine Körperhaltung hat sich normal entwickelt und ich trage bisher keine Schäden davon, dass ich keine Armprothese benutze“ (S. 65).

Lexa – und das ist für Betroffene sicher hoch interessant – gibt Empfehlungen zum Umgang mit dem Thema Behinderung in Bewerbungsgesprächen, wenn der potentielle Vorgesetzte z.B. danach fragt, was dem Bewerber denn passiert sei, wenn er, wie bei Martin Lexa der Fall, mit nur einem Arm zum Bewerbungsgespräch erscheint. Er berichtet von Bewerbungsgesprächen, die er als Bewerber durchgeführt hat und die oft in eine irritierende Atmosphäre mündeten. Auch hier werden die Fallen aufgezeigt, auf die sich Bewerbende mit Behinderung einstellen müssen.

Damit Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben vollumfänglich teilhaben können, bedarf es einem FAIRen Miteinander – und das ist:

  • F, wenn der Fokus auf das Wesentliche gerichtet ist;
  • A, wenn alle Menschen mit Behinderung aktiv werden;
  • I, wenn Menschen mit Behinderung Inklusion erfahren;
  • R, wenn eine grundlegende Reformierung – im Sinne der Menschen mit Behinderung – vollzogen wird.

Diskussion

Wenn man sich Martin Lexas Lebensweg anschaut, den er in seiner Autobiographie aufzeigt, dann ist das wirklich ein Mutmacher für all die Menschen, die mit einer Behinderung leben und bei denen dieses Leben ihres Erachtens in eine Einbahnstraße mündet.

Viele Menschen, der Rezensent miteingeschlossen, machen diese Erfahrungen. Ausweglosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Mutlosigkeit sind die Folge jeder Behinderung. Je offensichtlicher die Behinderung ist, desto mehr schwindet die Attraktivität der betroffenen Person. Als wären sie lebendig begraben, wird nicht mit den Menschen mit Behinderung gesprochen. Es wird oft mit der – ohne Behinderung lebenden – Begleitung über den Kopf der Person mit Behinderung gesprochen, auch wenn Letztgenannte zu sprechen in der Lage ist. In einem Restaurant wurde, nachdem der – mit einer Körperbehinderung lebende – 55-jährige Rezensent die gewünschte Speise bestellt hat, seine nichtbehinderte Ehefrau vom Kellner danach befragt, ob er das essen darf.

In diesem Zusammenhang schreibt Fulbert Steffensky (vgl. 1998, 11), dass, bei Vorliegen einer Erkrankung oder Behinderung, die Gesunden oder noch nicht mit einer Behinderung leben Müssenden mehr über die Kranken reden. Sie sind mehr Beredete als Redende.

Das Reden über Menschen mit Behinderung, das Bereden, wird allzu oft von der Pädagogik betrieben, die sich mit Menschen mit Behinderung befasst. Martin Lexa fasst den Schopf bei der Gelegenheit und spricht selber zu seiner und über seine Situation.

Fazit

Mit seiner Veröffentlichung will der Verfasser bei staatlichen Institutionen, Unternehmen, Familien und Menschen mit Behinderung ein Umdenken erwirken. Gerade Menschen mit Behinderung möchte Lexa dazu bewegen, „das Leben nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten und sich von gesellschaftlichen Widerständen nicht aufhalten zu lassen“ (Klappentext).

Literatur

Steffensky, Fulbert: Wie gehen wir mit Leid um? Wie geht das Leiden mit uns um? In: Adam, Gottfried/​Kollmann, Roland/​Pithan, Annebelle (Hg.): Mit Leid umgehen. Dokumentationsband des sechsten Würzburger religionspädagogischen Symposiums. Münster 1998, 11-21.

Rezension von
Prof. Dr. Carsten Rensinghoff
Hochschullehrer für Heilpädagogik und Inklusive Pädagogik an der DIPLOMA Hochschule
Website
Mailformular

Es gibt 184 Rezensionen von Carsten Rensinghoff.

Zitiervorschlag anzeigen Besprochenes Werk kaufen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245