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Karin Eckert: Frauen in West-Uganda

Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 31.01.2025

Cover Karin Eckert: Frauen in West-Uganda ISBN 978-3-8376-7581-8

Karin Eckert: Frauen in West-Uganda. transcript (Bielefeld) 2024. ISBN 978-3-8376-7581-8.

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Homo Universalis

Ego-, ethno-, eurozentristisch, rassistisch, fundamentalistisch, rechtsextrem und populistisch werden die Menschen in Rassen eingeteilt. Die Skala reicht von Geringschätzung bis Höherwertigkeitsvorstellungen. Die Hautfarbe wird dabei als Wertmaßstab angesehen. In der „Weißseinsforschung“ werden die rassistischen Vorstellungen kritisiert (Maureen Maisha Eggers/​Grada Kilomba/​Peggy Piesche/​Susan Arndt, Hrsg., Mythen, Masken und Subjekte, 2005). In der interkulturellen Bildung gilt, was als „globale Ethik“ in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 proklamiert wird: „Die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte bildet die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt“. Der senegalesische Dichter und Politiker Léopold Sédar Senghor (1906 – 2001) und der afrokaribisch-französische Schriftsteller Aimé Césaire (1913 – 2008) haben mit der „Négritude“ zum Ausdruck gebracht, dass Schwarz die Farbe aller Tage, Weiß eine Gelegenheitsfarbe sei (Janheinz Jahn, Hrsg., Léopold Sédar Senghor, Négritude und Humanismus, Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf/Köln 1967, 324 S.). In globalen, transnationalen Diskurs werden die konfrontativen Auseinandersetzungen auf eine neue Ebene gehoben. Die Geringschätzungen und Vorurteile haben sich (wenn auch zögerlich und immer noch unzureichend) zu einem interkulturellen Dialog entwickelt. Trotzdem: Aus „Feindschaft“ wird Freundschaft, aus Hilfe Kooperation.

Entstehungshintergrund und Autorin

Macht und Ohnmacht, das sind Strukturen im menschlichen Miteinander und Gegeneinander. Besonders in den Geschlechterverhältnissen wird die Forderung nach Gerechtigkeit laut; und zwar lokal und global. Die traditionalistischen, rassistischen Zuschreibungen, dass Frauen in Afrika von männergemachten, dominanten Strukturen abhängig seien, wird im postkolonialen Diskurs infrage gestellt: Frauen in Afrika sind Innovatorinnen und Taktgeberinnen im gesellschaftlichen Miteinander (siehe dazu auch: Denis Mukwege, Die Stärke der Frauen, 2022, www.socialnet.de/rezensionen/​29367.php).

Die Sozialpädagogin, ehemalige Entwicklungshelferin, Mediatorin und Systemische Therapeutin Karin Eckert hat ihre professionellen Erfahrungen, die sie in Afrika (Uganda und Niger) sammeln konnte, in ihrer Dissertation „Frauen in West-Uganda“ vorgelegt. Sie nimmt auf und konkretisiert die Forschungen über den Mentalitäts- und Aktivitätswandel der traditionell weitgehend benachteiligten Frauen in Afrika. Sie greift exemplarisch die alltäglichen und gesellschaftlichen Situationen von Frauen der Ethnie Batooro auf und interviewt in den Jahren von 1997–1999 insgesamt 20 Frauen; und sie spiegelt die Ergebnisse erneut fünfzehn Jahre später (2017). Die Einflüsse und Wirkungen, wie sie sich in der Moderne global vollziehen, führen auch bei afrikanischen Frauen zum Paradigmenwechsel. Die Annahme, „dass die Frauen zunehmend ihre Lebenswege selbst bestimmen und sie sich bei Entscheidungen, die sie zu treffen haben, vermehrt an ‚westlichen Werten‘ orientieren und die Kultur der Batooro eine über die Jahre suksessive geringere Bedeutung in ihrem Leben einnimmt“, gilt es entweder zu verifizieren oder zu falsifizieren. Die Autorin stützt sich bei ihrer Analyse u.a. auf afrikanische Denker (Felvine Sarr, Afritopia, 2019, www.socialnet.de/rezensionen/​26040.php; Achille Mbembe, Politik der Feindschaft, 2017, www.socialnet.de/rezensionen/​23618.php).

Aufbau und Inhalt

Neben der Einleitung (1) gliedert die Autorin ihre Forschungsarbeit in weitere Kapitel (2 – 5) und fasst sie mit dem Resümee (6) zusammen. Postkoloniales Denken und Handeln muss, in verschiedenen Ausdrucks- und Interpretationsformen, die afrikanische Geschichte und Kulturen über die Kolonialzeit hinaus und als „Rückbesinnung auf afrikanische Traditionen, positiv auf Gegenwart und Zukunft Afrikas einzuwirken“. Es sind Bemühungen, sich im Kontext der Frage nach den Befindlichkeiten, Wünschen, Hoffnungen und Wirklichkeiten der Lebenswelten von afrikanischen Frauen, mit den Begrifflichkeiten und Zuschreibungen auseinanderzusetzen: Was ist „Tradition“, was „Moderne“, was sind „Werte“, und wie wirken sie in der „afrikanischen Moderne“. Es ist die ethnografische, massive Bevölkerungsentwicklung, Landflucht, Verstädterung, Wanderarbeit und frühe Kindergeburten, die zu den Bantu-Völkern gehörenden Batorro-Frauen in ihrer Gesellschaft benachteiligten. Traditionell allerdings hatten die Frauen im Toro-Königreich Rechte beim Zugang zu Land und Erbrecht, das sich so in den meisten afrikanischen Gesellschaften nicht zeigte. In der (britischen) Kolonialzeit allerdings wurden diese Vorzüge weitgehend zugunsten der patriarchalen Entwicklungen kassiert. Die machtpolitische Unabhängigkeit 1962 führte zu gesellschaftspolitischen und ethnischen Unruhen, sodass, wie der kenianische, anglikanische Priester und Religionsphilosoph John S. Mbiti zum Ausdruck bringt, die notwendigen, gesellschaftlichen Veränderungsprozesse in Uganda sich im Spannungsverhältnis der modernen, westlichen (Vor-) und Weltbilder und der traditionellen Erinnerungen und Fantasien bewegen.

Die erzählten Lebensgeschichten der west-ugandischen Frauen stellen sich, etwa im Vergleich zu europäischen oder in Europa und im Westen lebenden afrikanischen Migrantinnen, ambivalent dar. Da sind einerseits feministische und aufgeklärte Stimmen, andererseits auch Ahnungen, dass die westlichen, egozentristischen und kapitalistischen „Vorbilder“ nicht die Lösung für die afrikanische Moderne sein kann, sondern eigene „Ubuntu“-Konzepte bedacht und gemacht werden müssten.

Diskussion

Die Forschungsarbeit ist eine interkulturelle Erzählung. Sie öffnet den Blick auf Lebensverhältnisse und Denkprozesse von Menschen in unserem Nachbarkontinent Afrika; und sie bietet die Chance, die Verhältnisse und Wirklichkeiten zwischen Tradition und Moderne hier und in der Welt zu reflektieren. Es ist zu wünschen, dass interkulturelle Studien unseren Blick über den eigenen Gartenzaun weiten (Karen Gloy, Das Projekt interkultureller Philosophie aus interkultureller Sicht, 2022, www.socialnet.de/rezensionen/​30778.php). Der ugandische Kulturwissenschaftler und Tänzer, Okot p’Bitek (1931 – 1982) hat in seinem „Gebet“ die Afrikaner angemahnt, ihre eigene Entwicklung zu bedenken: „Oh Gott, bewahre Afrika/Vor unseren neuen Herrschern;/Laß sie demütig werden/Öffne ihre Augen,/Damit sie sehen,/Daß der materielle Fortschritt/​Nicht auf einer Stufe steht mit geistigem Fortschritt./Oh Herr, öffne die Ohren der afrikanischen Herrscher/​Damit sie Freude empfinden/Beim Klang ihrer Trommeln/Und der Gedichte ihrer Mütter“ (in: Rüdiger Jestel, Hrsg., Das Afrika der Afrikaner. Gesellschaft und Kultur Afrikas, 1982, S. 249ff).

Fazit

Karin Eckerts Arbeit stößt auf das Defizit, dass im wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Diskurs die Lage der Frauen in den afrikanischen Gesellschaften kaum engagiert und innovativ thematisiert wird, andererseits auch westliche Strukturen und Irrwege zu wenig kritisiert werden. Im fast 20seitigen Literaturverzeichnis wird deutlich, dass die Jahrzehnte langen Erfahrungen der Autorin es ermöglicht haben, lokale, west-ugandische Lebensverhältnisse von Frauen direkt und exemplarisch aufzuzeigen.

Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Es gibt 1688 Rezensionen von Jos Schnurer.

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ISSN 2190-9245