Miriam Lemmert: Kinderrechte und ihre explizite Verankerung im Grundgesetz
Rezensiert von Wolfgang Schneider, 18.06.2025

Miriam Lemmert: Kinderrechte und ihre explizite Verankerung im Grundgesetz. Hintergründe und Status quo sowie die Auswirkungen einer Verfassungsänderung.
Duncker & Humblot GmbH
(Berlin) 2024.
863 Seiten.
ISBN 978-3-428-19219-9.
D: 119,90 EUR,
A: 123,30 EUR.
Reihe: Schriften zum öffentlichen Recht - Band 1550.
Thema
Miriam Lemmert untersucht in dieser Arbeit umfassend die mit Kinderrechten im Allgemeinen und der Verfassungsänderungsdebatte hinsichtlich des „Ob“ und auch eines eventuellen „Wie“ in Zusammenhang stehenden Fragen. Dabei betrachtet sie den gesamten Rechtsrahmen sowie historische und politische Hintergründe. Besondere Berücksichtigung finden die Aspekte der Anerkennung einer eigenständigen Persönlichkeit und der Selbstbestimmung, des Elternrechts, der besonderen Kategorie des Lebensalters und der Generationengerechtigkeit. Dabei wird klar, dass eine Verfassungsänderung nicht nur historisch der nächste logische Schritt, sondern vor dem Hintergrund zutage getretener Anwendungs- und Umsetzungsdefizite auch rechtspolitisch gut vertretbar ist.
Autorin
Miriam Lemmert studierte Rechtswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum mit dem Schwerpunkt Öffentliches Recht. 2019 absolvierte sie die Erste Juristische Staatsprüfung. Bereits zuvor wie auch im Anschluss war sie langjährige Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sozial- und Gesundheitsrecht sowie Rechtsphilosophie bei Herrn Prof. Dr. Stefan Huster. Hier entstand neben einer Reihe von Publikationen insbesondere zu kinderrechtlichen Themen ihre Dissertation. Ihre Promotion schloss sie 2024 mit einem Rigorosum ab. Derzeit absolviert sie den juristischen Vorbereitungsdienst in Dortmund und ist am Institut für Journalistik der TU Dortmund beschäftigt.
Aufbau und Inhalt
Das Buch startet mit den Erklärungen der relevanten Begrifflichkeiten: Was sind eigentlich die Kinderrechte? Wie können Verfassungsänderungen n Deutschland überhaupt umgesetzt werden? Und auch der Begriff Kindeswohl wird an dieser Stelle näher betrachtet.
Weiter geht es mit dem historischen Blickwinkel, bei dem Miriam Lemmert bis in die Antike zurückblickt: Wie hat sich der Status des Kindes in der Gesellschaft über die Zeit entwickelt? Danach steigt die Autorin ins eigentliche Thema ein und untersucht, welche Idee ganz grundsätzlich hinter der Aufnahme expliziter Grundrechte in unsere Verfassung steckt und welche in den Landesverfassungen formulierten Gewährleistungen diesbezüglich schon existieren. Sie betrachtet außerdem die konkreten Entwürfe und politischen Diskussionen zur Thematik.
Im zweiten Oberkapitel geht Miriam Lemmert dann einer spannenden Frage nach: Wie ist denn überhaupt der Stand der Dinge in Deutschland in Bezug auf die Rechtsstellung von Kindern? Sind sie nicht auch schon ohne explizite Kinderrechte eigene Rechtssubjekte? Einen besonderen Fokus dabei legt sie auf die Fremd- und Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen, an denen sich das gut aufzeigen lassen. Wenig überraschend an dieser Stelle ist, dass die Antwort auf die Frage, mit der sich dieses Kapitel beschäftigt, lediglich eine Tendenz zu einer klaren Antwort liefern kann, weil es halt – und das sagen Jurist:innen ja immer gerne – ‚darauf ankommt‘, worum es konkret geht. Näher betrachtet werden an dieser Stelle zum Beispiel die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes sowie die UN-Kinderrechtskonvention.
Das dritte Kapitel beschreibt zunächst die konkrete Ideengeschichte einiger Entwürfe, mit denen das Thema Kinderrechte geregelt werden sollte, die bezüglich des „Ob“ und des „Wie“ der vorgebrachten Argumente untersucht und bewertet werden, bevor am Ende die Auswirkungen einer eventuellen Verfassungsänderung erläutert werden. Eine Frage dabei: Was würde sich konkret verändern durch den Verfassungsrang der Kinderrechte, wo sich doch in den Länderverfassungen bereits viele Gewährleistungen finden lassen?
Diskussion
Jurist:innen neigen nach Erfahrung des Rezensenten häufig dazu, nicht sehr offen dafür zu sein, über den fachlichen Tellerrand zu blicken. Diese Dissertation von Miriam Lemmert ist diesbezüglich eine absolute Ausnahme, weil sie eben nicht nur aus rechtlichen Aspekten herleitet, warum es nur folgerichtig wäre, die Kinderrechte endlich ins Grundgesetz aufzunehmen, sondern eben auch mit einem Blick auf historische und politische Aspekte. Dabei gelingt es ihr, eine gerade in sozialpädagogischen Fachkreisen manchmal (zu) emotional geführte Diskussion mit einer beeindruckenden Fülle an Informationen und Zusammenhängen in faktenbasierte Bahnen zu leiten – eine Wohltat! Das lässt sich gut lesen und ist auch für Menschen, die nicht aus den Rechtswissenschaften kommen, an vielen Stellen sehr erhellend. Der Titel ist ein guter Beweis dafür, dass ein tiefgreifendes Wissen um Fakten, Entwicklungen und Zusammenhänge manchmal zielführender ist als wenig fundiertes ideologisches Krakeelen über ein vermeintliches Desinteresse von Recht und Gesetz an Kindern.
Fazit
Ein multiperspektivisches Plädoyer für einen längst überfälligen Schritt: Kinderrechte müssen explizit im Grundgesetz aufgenommen werden.
Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
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