Juha Koivisto, Sauli Havu: Stuart Hall und die Cultural Studies zur Einführung
Rezensiert von Marian Pradella, 05.05.2025

Juha Koivisto, Sauli Havu: Stuart Hall und die Cultural Studies zur Einführung.
Junius Verlag
(Hamburg) 2024.
232 Seiten.
ISBN 978-3-96060-343-6.
D: 15,90 EUR,
A: 16,40 EUR.
Reihe: Zur Einführung.
Thema
Das Buch führt umfassend in das Denken und Werk der Cultural Studies im Allgemeinen, jedoch mit besonderem Fokus auf Stuart Hall, ein. Dabei wird die Herausbildung sowie die Entwicklung der Cultural Studies in Großbritannien nachgezeichnet, was sowohl relevante gesellschaftliche Entwicklungen in Verknüpfung mit Halls Leben umfasst – Hall wurde 1932 in Jamaika geboren und starb im Jahr 2014 in Großbritannien – als auch theoretisch-methodische Entwicklungen der Cultural Studies selbst.
Autor
Juha Koivisto ist Sozialwissenschaftler und Philosoph und arbeitet als Dozent an der Universität Helsinki (Finnland) und ist Fellow am Berliner Institut für kritische Theorie. Koivisto unter anderem Mitherausgeber von Stuart Halls „Ausgewählten Schriften“.
Saul Havi ist Doktorand der Soziologie an der Universität Tampere (Finnland) sowie Fellow am Berliner Institut für kritische Theorie.
Entstehungshintergrund
Das Buch erscheint im Rahmen der klassischen Reihe „Zur Einführung…“ des Junius-Verlags. Diese Taschenbuchreihe existiert seit 1977 und ist seit jeher vom Anspruch getragen, einer breiten interessierten Leserschaft einen sorgfältigen Überblick und Orientierung über und in den vielfältigen Themen- und Forschungsgebieten der Kultur-, Sozial- und Geisteswissenschaften zu bieten.
Aufbau
Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert. Nach biografischen Aspekten (Kap. 1: „Ein Leben zwischen den Inseln“) sowie dem Blick auf „Die Entstehung der ‚Cultural Studies'“ (Kap. 2) wird zunächst „Die theoretische Entwicklung des CCCS“ (Kap. 3) und sodann zwei zentrale Felder der Forschung der Cultural Studies (Kap. 4: „Jugendforschung“ & Kap. 5: „Medienstudien“) betrachtet. Es folgt mit „Die neoliberale Revolution“ (Kap. 6) sowie „Rassismus, Identifikation, Globalisierung“ (Kap. 7) ein erster Blick auf das Werk des „späteren“ Hall sowie abschließend mit Kap. 8 („Halls Kritik an der akademischen Eingliederung der Cultural Studies“) eine kritische Reflexion. Der Anhang am Ende umfasst u.a. eine Zeittafel sowie weiterführende Literatur.
Inhalt
Das Buch beginnt mit einem Blick auf biografische Entwicklungen. Einerseits wird hier Halls Kindheits- sowie Jugendzeit im kolonialen Jamaika betrachtet, andererseits gerät seine Übersiedlung nach Großbritannien in den Blick, wobei er kurz nach seinem 18. Geburtstag durch ein Stipendium nach Oxford kam und letztendlich in Großbritannien blieb. Innerhalb dieser eingangs vorgenommenen Beobachtungen werden bereits erstmals Themen aufgeworfen, die für Halls gesamtes Schaffen wegweisend sein sollten, insbesondere die Wahrnehmung sowie die gesellschaftliche Produktion von kulturellen Unterschieden. Hierzu zählt bpsw. auch eine Diskussion der komplexen gesellschaftlichen Bedeutung von „Hautfarbe“ während Halls jungen Jahren in Jamaika, dann jedoch vor allem seine Erfahrungen als Schwarzer Student (und später vorübergehend als Lehrer) in Großbritannien. Das Kapitel macht zudem Halls zentrale Beteiligung an einer britischen „New Left“ deutlich, die einerseits sozialistischen Idealen verhaftet bleibt, andererseits gleichzeitig sich jedoch von einem orthodoxen Marxismus zu lösen beginnt und eine einseitige Fokussierung auf ökonomische Faktoren zum Erklären gesellschaftlicher Unterdrückungskonstellationen zunehmend zurückweist. Vielmehr müssten Probleme der Kultur – Symboliken, Bedeutungen, aber auch etwa Ethnizität – in den Blick geraten, um diese Phänomene umfassend verstehen zu können. Eine traditionelle britische Linke wird auf diese Weise also herausgefordert.
Nach dem biografischen Blick wendet sich das Buch expliziter der Entstehung der Cultural Studies als wissenschaftliches Feld zu, wobei Stuart Hall als wichtigste Persönlichkeit dieses Prozesses weiterhin im Zentrum des Interesses bleibt. Insbesondere als Herausgeber verschiedener politischer und wissenschaftlicher Zeitschriften – so ist Hall etwa Anfang der 1960er Jahre Gründungsredakteur der einflussreichen Zeitschrift „New Left Review“ – konnte Hall wichtige Kontakte sammeln und er ist auch selbst regelmäßiger Autor dieser Zeitschriften, die damit auch auf inhaltlicher Ebene elementare Grundsteine legen. Die tatsächliche Gründung der Cultural Studies steht sodann in Verbindung mit einer sich allmählich durchsetzenden Wahrnehmung einer neuen zentralen gesellschaftlichen Rolle der Kultur, was insbesondere die Forderung nach einem neuen wissenschaftlichen Fokus auf die Populärkultur (Romane, Filme etc.) einschloss, die in den frühen 1960er Jahren zumeist nur als reine Unterhaltung genutzt und wahrgenommen wurde. Obwohl sehr weit verbreitet genutzt und konsumiert, wurde dabei jedoch kaum die (oftmals implizite) politische Dimension hinter solchen populären Produkten bedacht. Zum Ziel der Cultural Studies wurde demnach, die Rezipienten aus einer bloßen passiven Rolle zu lösen, und zwar indem jene feinen und oftmals ambivalenten Bedeutungsstrukturen, die von Medienprodukten transportiert werden, sichtbar gemacht und der ideologische Gehalt von Populärkultur ergründet werden. Havu und Koivisto diskutieren in diesem Zusammenhang auch die Arbeiten von Raymond Williams und Richard Hoggart – neben Hall die zentralen Persönlichkeiten der originären Cultural Studies – und zeigen die Bedeutung der Transdisziplinarität (insbesondere aber der Literaturwissenschaften) in der Zeit der Gründung des Birminghamer Center for Contemporary Cultural Studies (CCCS), das im Jahr 1964 den Cultural Studies eine institutionelle Basis verschaffte.
Anschließend liegt der Fokus auf der theoretischen Ausrichtung des CCCS, wobei viele theoretische Verknüpfungspunkte offengelegt werden, die das Center im Laufe der Zeit maßgeblich geprägt haben. Einige dieser Themen finden in anderen Kapiteln erneute Betrachtung, an dieser Stelle kristallisiert sich jedoch einerseits die Verbindung der Cultural Studies zum Marxismus und andererseits zu strukturalistischen Theorieentwicklungen als zentral heraus. Zum ersten Punkt wird insbesondere das marxistische Konzept von Basis und Überbau und seine Bedeutung in den Cultural Studies betrachtet. Einerseits üben die Autoren hier Kritik an einer oft einseitig ökonomistisch-deterministischen Lesart von Marx, andererseits wird jedoch betont, dass die Cultural Studies dem Marxismus kontinuierlich verhaftet bleiben, ihn dabei als unzureichend erachtend. Oder in den Worten von Hall; es geht darum „in Hörweite des Marxismus zu arbeiten, über den Marxismus zu arbeiten, gegen den Marxismus zu arbeiten“ (S. 62). Hiervon zeugt auch die zentrale Stellung des italienischen Philosophen Gramsci für das CCCS und Hall, der ebenfalls an Marx orientiert bleibt, der mit seiner Fokussierung auf die Zivilgesellschaft sowie in seinem Konzept der (kulturellen) Hegemonie jedoch nicht-ökonomischen Faktoren einen neuen zentralen Stellenwert einräumt. Im Zusammenhang mit dieser Thematik wird zudem in Bezug auf den Strukturalismus (u.a. ist Althusser hier Referenzpunkt) bilanziert, dass dieser die Cultural Studies zwar stark beeinflusst habe. Jedoch führe ein reiner Kulturalismus – wie etwa radikale Formen der Diskurstheorie im Sinne Laclaus, in denen eine Realität „hinter“ dem Diskurs zur theoretischen Unmöglichkeit wird – ohne Berücksichtigung der ökonomischen Dimension ebenfalls in eine Sackgasse.
Mit dem Blick auf „Jugendforschung“ sowie „Medienstudien“ finden im Folgenden zwei übergreifend zentrale Themenfelder des CCCS eine eigenständige, detaillierte Betrachtung. Im ersten Fall positionierte sich das CCCS gegen die in den 1970er Jahren stark aufkommende Analyse, dass Generationsunterschiede mittlerweile wichtiger als Klassenunterschiede geworden seien. Im Weiteren wird sich für das CCCS hier vor allem das Werk von Cohen zu „moralischen Paniken“ als höchst einflussreich herausstellen, das sowohl die Analyse der Hippie-Bewegung, der Gegenüberstellung von Rocker/Mods sowie der aufstrebenden Feminismus-Bewegung beeinflussen wird. Das Anliegen des CCCS, sowohl kulturelle als auch ökonomische Klassenlagen und -strukturen zu betrachten, wird dabei nochmals in der Unterscheidung von Sub- und Jugendkulturen deutlich, wobei erstere sich auf Jugendgruppen der Arbeiterbewegung und letztere sich auf die Jugendkulturen der Mittelklasse bezieht – wobei beide von unterschiedlichen (gegenhegemonialen) Widerstandsformen gekennzeichnet sind. Im Kontext der Medienstudien richtet sich das CCCS gegen eine damals dominante Leitfrage, die vor allem daran interessiert war, wie Medieninhalte die Rezipienten beeinflussen. Das CCCS will dagegen zeigen, dass Medien mitnichten bloße passive Vermittler sind, sondern vielmehr aktiv an der Konstruktion von sozialer Wirklichkeit beteiligt sind – was sowohl für fiktionale als auch „faktenbasierte“ Medien (Zeitungen, Nachrichtenformate etc.) zutrifft. Es ist in dieser Perspektive dann zentral zu fokussieren, inwiefern in solchen kulturellen Produkten eine herrschende Definition von Ordnung gestützt wird. Außerdem stellt sich hierbei beständig die Frage nach „Normalität“ bzw. nach dem, was zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt als eine solche wahrgenommen wird. D.h., wer besitzt die Macht über die Definition jener „Normalität“ zu entscheiden?
Im Folgenden verschiebt sich der Fokus auf die späten 1970er und 1980er Jahre Großbritanniens, zunächst insbesondere die Regierungsphase von Margaret Thatcher sowie Halls Analyse dieser Zeit, die durch seine Deutung des Thatcherismus als „autoritärer Populismus“ Bekanntheit erlangen sollte – ein Begriff, der im Kern eine Kombination von traditionell konservativen Haltungen (Autorität, Nation, Familie etc.) mit libertären Themen (Individualismus, Selbstinteresse etc.) beschreibt. Die Autoren legen Halls Analyse offen, wobei dieser den Thatcherismus als hegemoniales Projekt begreift, das als ein Regime der politischen Ökonomie danach strebt, in hegemonialer Weise unterschiedliche Diskurse zu vereinen und dabei jedoch eben nicht nur eine ökonomische Doktrin war, sondern den „Alltagsverstand“ der Menschen beeinflussen und formen wollte und somit auch in der Lage war, in die soziale Basis der Labour Party einzudringen. Diesen Abschnitt abschließend wird auf die Politik der New Labour in den 1990er Jahren geblickt, insbesondere die Regierungszeit von Tony Blair. Hierbei steht der „dritte Weg“ der Sozialdemokratie (Anthony Giddens) im Fokus und es wird aus Perspektive Halls schließlich kritisiert, dass die Sozialdemokratie auf diese Weise letztendlich die Spielregeln und die Hegemonie eines weltweiten (Neo-)Liberalismus endgültig akzeptiert habe und damit kaum noch eine tatsächlich progressive Bewegung darstelle.
Gegen Ende des Buches werden die Themenfelder des Rassismus sowie der Identität fokussiert, wobei hier zunächst die Debatte um „kulturellen“ und „biologischen“ Rassismus geführt wird. Hierbei sieht Hall in den vielfältigen neuen Arbeiten zum „Kulturellen Rassismus“ (etwa Étienne Balibar) zwar einen theoretischen Fortschritt – indem er den Fokus auf kulturelle Unterschiede, deren gesellschaftliche Produktion sowie deren Auswirkungen legt –, jedoch betont Hall ebenfalls, dass in sogenannten „race“-Diskursen letztendlich immer auch ein biologischer Bezug erhalten und aufzuspüren sei, d.h. beide Aspekte benötigen simultane Betrachtung. In Bezug auf die Identität kann als zentraler Aspekt festgehalten werden, dass Hall versucht, diesen Begriff als nicht länger ausreichend und angemessen zu kritisieren. Stattdessen plädiert er für eine Inblicknahme von „Identifikationen“, womit besser in den Blick zu bekommen sei, dass Identität niemals etwas Wesenhaftes oder Unveränderliches ist. Vielmehr ist diese dauerhaft fluide und bleibt beständig überdeterminiert. Letzterer Terminus weist darauf hin, dass auch psychologische Aspekte für Hall zunehmend tragende Bedeutung besitzen (etwa in Anschluss an Jacques Lacan), was auch in die Erklärungen zu Nation oder Ethnie einfließt. Abermals wird dabei jedoch die Notwendigkeit von Multiperspektivität eingefordert: So weise die Fokussierung von kulturellen und psychologischen Aspekten zwar in die richtige Richtung, allerdings dürfe dies laut Hall nicht zu einer Vernachlässigung von strukturellen Aspekten bzw. Machtverhältnissen führen.
Ein kurzes Schlusskapitel blickt mit Hall kritisch auf die Entwicklung der Cultural Studies ab den 2000er Jahren, wobei Hall im Spätherbst seiner Karriere selbst jedoch (überraschenderweise) eine Identifikation seines Namens mit einem Forschungsfeld Cultural Studies zurückweisen wird. Während das CCCS bereits im Jahr 2002 geschlossen wurde (Hall selbst hatte das Zentrum allerdings bereits 1979 zur Annahme einer Professur verlassen), kann man insgesamt durchaus von einem großen Siegeszug der Cultural Studies reden, wobei Aspekte der Populärkultur eine neue akademische Aufmerksamkeit gewinnen konnten. Die Kehrseite des Erfolges und der Popularität ist jedoch, dass eine immense Aufsplitterung von Forschungsansätzen und -gegenständen erfolgt ist, wobei die Grundintentionen der Cultural Studies jedoch zunehmend in den Hintergrund geraten sind und etwa kaum noch eine explizit kritische Marxismus-Perspektive verfolgt wird. Hall kritisiert damit vor allem, dass vermehrt kaum noch kritische politische Analysen stattfänden, sondern die Forschung zur Populärkultur vielmehr oftmals bloß um sich selbst kreist. Jedoch müssten solche Analyse ohne die Inblicknahme des gesellschaftlichen Ganzen gezwungenermaßen immer unvollständig bleiben.
Diskussion
Sauli Havu und Juha Koivisto bieten eine umfassende und kenntnisreiche Einführung in das Leben und Werk von Stuart Hall im Spezifischen und den Cultural Studies im Allgemeinen. Wenngleich das Buch bereits im Titel die Cultural Studies anspricht, so liegt der Hauptaugenmerk doch auf Hall selbst, der jedoch freilich auch als zentrale Persönlichkeit im Kontext des Aufstiegs der Cultural Studies zu gelten hat – auch wenn durch diesen Fokus andere Persönlichkeiten deutlich weniger Raum erhalten. Dabei werden die persönlichen und intellektuellen Errungenschaften Halls immer wieder gelungen sowohl in einen gesellschaftlichen als auch theoretischen Kontext gesetzt, wodurch ein umfassendes Verständnis von sowohl Halls theoretischer Entwicklung als auch den realen Lebensumständen ermöglicht wird, die sein Werk immer wieder unmittelbar beeinflusst haben. Exemplarisch seien hier für die theoretische Ebene nur die Diskussionen des Verhältnisses von Cultural Studies und Marxismus, das Verhältnis zum Strukturalismus, der Feminismus oder postkoloniale Themen genannt. Als eine übergreifende Thematik macht das Buch einen zentralen Doppelanspruch der Cultural Studies sichtbar: Auf der einen Seite sollte und konnte durch einen neuen Fokus auf populäre Medienprodukte die bis dahin übersehene Bedeutung der (Populär-)Kultur für hegemoniale Herrschaftsverhältnisse (und ihre Anfechtung) offengelegt werden und im selben Atemzug das ökonomistische Denken des orthodoxen Marxismus kritisiert werden. Auf der anderen Seite bedeutet dies für Hall dennoch keine völlige Abwendung von Marx und für die Cultural Studies stellt sich die Betonung als entscheidend heraus, dass neben der Inblicknahme von Kultur und Diskurs immer auch strukturelle sowie ökonomische Aspekte Berücksichtigung benötigen. Hier liegt auch ein Kritikpunkt an der gegenwärtigen Form der Cultural Studies, die den Dialog mit marxistischen Ansätzen – aus Perspektive Halls: unberechtigterweise – oftmals vollständig fallengelassen hat.
Dem Buch gelingt es ebenfalls, die höchst komplexen gesellschaftspolitischen Entwicklungen sowohl in jungen Jahren von Hall in Jamaika als auch später in Großbritannien auf knappem Raum verständlich offenzulegen. Dadurch wird das Werk von Hall in gelungener Weise immer wieder mit zentralen gesellschaftspolitischen Ereignissen in Verbindung gesetzt, wodurch die Offenlegung der theoretischen Perspektiven der Cultural Studies in einen zeithistorischen Kontext gestellt werden, was einerseits die stete Verbundenheit seines Werkes mit der jeweiligen zeithistorischen Realität verdeutlicht, andererseits schlichtweg zu einer kurzweiligen Lektüre beiträgt. Etwas schade ist allerdings, dass der Fokus des Buches auf dem Nachzeichnen der Themen- und Werksentwicklung der (auch frühen) Cultural Studies verhaftet bleibt und kaum ein Blick in die Gegenwart gewagt wird. Zwar gibt es bspw. vereinzelte Hinweise auf den Brexit, insgesamt finden aktuelle soziopolitische Ereignisse aber keine Erwähnung. Übereinstimmend hiermit wird ebenfalls kaum auf aktuelle Forschung der Cultural Studies bzw. auf zeitgenössische Arbeiten in Anschluss an Hall geblickt. Zwar wird im letzten Kapitel eine allgemeine Kritik der Cultural Studies getätigt, allerdings erfolgt kaum ein „Weiter-Denken“ mit Hall bzw. kein Blick auf heutige Forschung, die in direkter Tradition von Hall steht. Wenngleich das Buch einen gelungenen Überblick bietet, bleiben somit gegenwärtige Entwicklungen der Cultural Studies etwas im Dunkeln. Oder ist implizit gar ein Ende der Cultural Studies (zumindest als ein zusammenhängendes wissenschaftliches Feld) diagnostiziert?
Insgesamt bietet das Buch eine dichte und kenntnisreiche, gleichzeitig aber sehr gut lesbare Einführung in das Denken von Stuart Hall. Es stellt damit eine empfehlenswerte Handreichung dar, die sicherlich einen umfassenden Einstieg in die Cultural Studies ermöglicht. Das Buch kann aufgrund eines erfolgreichen „mappings“ der Entwicklungen der Cultural Studies, bei gleichzeitiger guter Nachvollziehbarkeit, dabei sowohl für Sozial- und Geisteswissenschaftler*innen mit Interesse an den Themenfeldern der Kultur, des Postkolonialismus und des (Post-)Marxismus als auch einem interessierten Laienpublikum empfohlen werden.
Fazit
Das Buch „Stuart Hall und die Cultural Studies zur Einführung“ von Sauli Havu und Juha Koivisto gibt einen detaillierten Überblick über das Leben und Werk von Stuart Hall sowie der Entwicklung der Cultural Studies. In geschickter Weise verknüpft das Buch den Blick auf gesellschaftspolitische Entwicklungen des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts mit den theoretischen und akademischen Ausarbeitungen des CCCS und von Hall selbst. Wenngleich ein ergänzender Blick auf die Gegenwart der Cultural Studies das Buch bereichern würde, so ermöglicht es dennoch ein umfassendes Kennenlernen des Denkens von Hall sowie den Cultural Studies im Allgemeinen.
Rezension von
Marian Pradella
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Soziologie - Vergleichende Kultursoziologie und politische Soziologie Europas, Universität Siegen
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