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Prof. Dr. Marjan Alemzade: Partizipatorische Eingewöhnung

Rezensiert von Alexandra Großer, 08.06.2025

Prof. Dr. Marjan Alemzade: Partizipatorische Eingewöhnung - Übergänge sensibel begleiten. AV1 Pädagogik-Filme (Kaufungen) 2024. 34,00 EUR.
DVD-Nummer 46505625 Online-Nummer 55507304 65 Min.

Thema

In diesem Film wird von Prof. Dr. Marjan Alemzadeh das partizipatorische Eingewöhnungsmodell beschrieben und die theoretischen Grundlagen dargelegt. Die Eingewöhnung von Kindern ist ein bedeutender Übergang vom Familiensystem in die Kindertagespflege, Krippe oder Kita. Dieser Übergang ist häufig mit Unsicherheiten und Stress verbunden. Das Kind erlebt eine völlig neue Umgebung mit ihm unbekannten neuen Bezugspersonen und fremden Strukturen. Im partizipatorischen Eingewöhnungsmodell steht das Kind mit seiner Familie und seinen verschiedenen Bedürfnissen im Mittelpunkt. Ziel ist es, mit der ganzen Familie eine tragfähige Beziehung aufzubauen, damit die ganze Familie gut in der außerfamiliären Betreuung ankommt und sich wohlfühlt. Im Film werden zwei Kinder in unterschiedlichen Kindertageseinrichtungen bei ihrer Eingewöhnung begleitet.

Autor:in oder Herausgeber:in

Prof. Dr. Marjan Alemzadeh ist Professorin und lehrt im Studienfach Kindheitspädagogik an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve. Sie ist darüber hinaus Fort- und Weiterbildnerin und Autorin.

Entstehungsgeschichte

Prof. Dr. Marjan Alemzadeh entwickelte 2018 das Partizipatorische Eingewöhnungsmodell. Von 2020 bis 2023 forschte sie dazu in Kitas, die sie bei der Umsetzung begleiteten.

Sehr zum Nachdenken hat sie die Wiener Krippenstudie von Prof. W. Datler und Prof. L. Ahnert der Universität Wien. Die herausstellte unter welchem erheblichen Stress die Kinder während des Übergangs von der Familie in die Kita und auch noch Monate darüber hinaus stehen. Die Studie bestätigte ihre Wahrnehmung, da sie immer wieder in den Kitas beobachten konnte, wie herausfordernd es für Kinder war, frühmorgens in der Kita anzukommen. Sie hatte das Gefühl, dass die Kinder eine andere Begleitung gebraucht hätten, die sie emotional gut auffängt und auf ihre Bedürfnisse eingeht. Diese Wahrnehmungen und die spätere intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema Eingewöhnung waren der Startpunkt ihrer eigenen Forschungen.

Aufbau

Der Film enthält, neben dem Bonusmaterial von 47 Minuten, insgesamt 12 Kapitel und dauert ca. 64 Minuten. Das Bonusmaterial enthält eine Talkrunde und eine Reflexionsrunde. In den meisten Sequenzen des Films führt die Sprecherin in das Kapitel ein und Marjan Alemzadeh führt theoretisch und praxisbezogen weiter in die Grundlagen des Partizipatorischen Modells ein.

Inhalt

01 Intro (00:00 – 04:32)

Im Intro erklärt die Sprecherin, dass in den frühpädagogischen Einrichtungen verschiedene Eingewöhnungsmodelle zum Einsatz kommen, die den Kindern den Start in die Krippe und/oder in den Kindergarten ermöglichen. Eines der Modelle ist das Partizipatorische Eingewöhnungsmodell, welches es Kindern und Familien „einen behutsamen, sanften und bindungsorientierten Übergang in die außerfamiliäre Betreuung“ (00:42 – 00:49). Des Weiteren werden die Kinder Bruno und Oskar vorgestellt, deren Eingewöhnungen im Film begleitet wurden.

02 Transition – Übergang in die Einrichtung (04:33 – 07:21)

Zunächst erklärt Marjan Alemzadeh was Transitionen sind und wie sie auf die eigene Identität wirken. Transitionen können sich positiv auf die Persönlichkeit auswirken, wenn wir dabei Unterstützung erfahren und die Herausforderungen positiv bewältigen. Es kann aber auch sein, dass uns Übergänge, bei denen wir keine Unterstützung haben, die zu schnell gehen und für uns schmerzhaft sind, uns negativ beeinflussen und wir erst einmal „zwischen zwei Phasen festhängen“ (06:52 – 07:00). Transitionen sind markante Übergänge im Leben eines Menschen. Die Bewältigung bisheriger Übergänge wirkt sich auf zukünftige Transitionen in der Biografie eines Menschen aus. Deshalb ist es im pädagogischen Bereich so wichtig, vorhersehbare Transitionen, wie beispielsweise die Eingewöhnung, gut zu begleiten. Wird dieser Übergang positiv bewältigt kann sich dies auch positiv auf alle weiteren Übergänge des Kindes auswirken.

03 Partizipation und ihre Bedeutung in der Eingewöhnung (07:22 – 11:09)

Die Sprecherin im Off erklärt zunächst, was Partizipation bedeutet und wie diese mit dem Partizipatorischen Modell zusammenhängt. Marjan Alemzadeh erklärt, dass in der Partizipatorischen Eingewöhnung das Kind und seine Eltern mit ihren Bedürfnissen im Mittelpunkt stehen. Es geht darum, dass Kinder und Eltern „auf ihre Art und Weise im Prozess mitsprechen dürfen“ (10:16 – 10:21). Deshalb ist es wichtig, die Signale der Kinder und der Eltern wahrzunehmen, um den Eingewöhnungsprozess gemeinsam mit ihnen zu gestalten. Marjan Alemzadeh klärt darüber auf, dass es ihr wichtig war, ein Eingewöhnungsmodell zu entwickeln, indem alle Akteure ernst genommen werden.

04 Die Bedeutung des Modells für das Kind (11:10 – 14:18)

Im Partizipatorischen Eingewöhnungsmodell entscheidet das individuelle Tempo jeden Kindes und nicht die Erwachsenen, die in anderen Modellen den Prozess vorgeben. Jedes Kind kommt mit seiner eigenen Geschichte in die Kita. Diesen Aspekt gilt es im Partizipatorischen Eingewöhnungsmodell ernst zu nehmen und wertzuschätzen. In der ersten Phase – Informieren – geht es auch darum, dass pädagogische Fachkräfte im Anamnesegespräch nachfragen, wie bisherige Trennungen verlaufen sind, ob es in der Biografie des Kindes herausfordernde Zeiten gab, wie beispielsweise lange Krankenhausaufenthalte von Familienmitgliedern oder dem Kind selbst, oder Fluchterfahrungen. Für Kinder ist es wichtig, dass sie in der Kita eine vertrauensvolle, tragfähige Beziehung zur pädagogischen Fachkraft aufbauen können und sie die Zeit bekommen, die sie dafür brauchen. Das heißt, dass sie die Sicherheit bekommen, die sie brauchen, um in der Kita anzukommen und nicht von der Begleitperson weggerissen werden. Das Kind entscheidet und gestaltet partizipativ den Prozess der Eingewöhnung mit und zeigt, wann es bereit ist für den nächsten Schritt.

05 Die Bedeutung des Modells für die Bindungspersonen (14:21 – 18:39)

Im Partizipatorischen Eingewöhnungsmodell wird nicht ein Kind aufgenommen, sondern die ganze Familie. Die Eltern gestalten die Eingewöhnung aktiv mit. Im Mittelpunkt stehen die Familienmitglieder mit ihren Bedürfnissen, Unsicherheiten und Sorgen. In der Eingewöhnung geht es darum, Beziehung zueinander aufzubauen, miteinander im Gespräch zu bleiben. Marjan Alemzadeh begegnet in ihren Fortbildungen immer wieder, der Aussage, Eltern könnten nicht loslassen. Diese Aussage löst jedoch auch die Frage danach aus, aus welchen Gründen Eltern nicht loslassen können. Marjan Alemzadeh erklärt, dass Eltern oft erst dann loslassen können, wenn zwischen pädagogischer Fachkraft und Familien eine tragfähige Beziehung ausgebaut wurde. Können Eltern dann immer noch nicht loslassen, könnte dies in biografischen Erfahrungen begründet sein. Da im Partizipatorischen Eingewöhnungsprozess bereits schon ein bis zwei Wochen vergangen sind und sich ein offenes miteinander etabliert hat, lassen sich im Gespräch miteinander die Gründe erfahren. Dahinter können beispielsweise eigene Fluchterfahrungen stehen als auch Erlebnisse aus der eigenen Kindheit, die ein Loslassen erschweren. Im Partizipatorischen Eingewöhnungsmodell wird hier gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten und Hilfsangeboten gesucht, die es Eltern ermöglichen ihre Themen aufzuarbeiten oder mithilfe der Unterstützung pädagogischer Fachkräfte im geschützten Rahmen den Trennungsprozess im eigenen Tempo einzuleiten. Doch nur, wenn Eltern und Kinder dazu bereit sind und eine tragfähige Beziehung zur pädagogischen Fachkraft aufgebaut wurde.

06 Die Bedeutung des Modells für die pädagogische Fachkraft (18:40 – 22:35)

Das Partizipatorische Eingewöhnungsmodell bietet Fachkräften die Möglichkeit die Eingewöhnung für und mit Kindern sowie Eltern individuell zu gestalten. Signalgeber*in ist dabei das Kind. Marjan Alemzadeh gibt an, dass die Selbstreflexion der pädagogischen Fachkräfte eine große Rolle in der Partizipatorischen Eingewöhnung spielt. Ihr fiel auf, dass viele pädagogische Fachkräfte die auftauchenden Emotionen, die Familien und Kinder während der Eingewöhnung begleiten, nicht gut auffangen und begleiten können. Daher ist es wichtig, dass pädagogische Fachkräfte ihre eigenen Themen gut reflektieren. Oft geschieht es in Eingewöhnungen, dass Kinder von ihren Emotionen abgelenkt werden, anstatt, dass diese durch die pädagogischen Fachkräfte wahrgenommen und dem Kind gespiegelt werden. Marjan Alemzadeh weist daraufhin, wenn beispielsweise die Traurigkeit der Kinder darüber, dass die Mutter den Raum verlassen hat, von der Fachkraft wahrgenommen wird und dem Kind gespiegelt wird, dass es jetzt traurig ist, weil die Mama weggegangen ist, die Emotionen eher in ein positives Gefühl wechseln können, weil die Trauer des Kindes wahrgenommen wurde.

07 Das Wahrnehmende Beobachten und seine Bedeutung (22:36 – 27:02)

Das wahrnehmende Beobachten ist das Herzstück der Partizipatorischen Eingewöhnung. Beim wahrnehmenden Beobachten geht es darum die Kinder „mit ihren individuellen Stärken, Potenzialen […], Bedürfnissen und biografischen Geschichten“ (24:07 - 24:15) wahrzunehmen. Beim wahrnehmenden Beobachten werden immer zwei Ebenen betrachtet: die Beobachtung im Außen und die Beobachtung im Innern. Das heißt, zu schauen, was löst das, was ich beobachte in mir aus. Hier kommt dann auch wieder die eigene Biografie zum Tragen. Habe ich selbst Trennungsschwierigkeiten kann es sein, dass ich diese Wahrnehmung auf das Kind übertrage und glaube, dass das Kind Trennungsschwierigkeiten hat. Hier ist Vorsicht geboten. Sprich, hier muss man sehr genau hinschauen, was das Kind tatsächlich an Signalen und Verhalten zeigt und was dieses in einem auslöst. Eine weitere Möglichkeit, die Marjan Alemzadeh hier anspricht, ist der kollegiale Austausch im Team. Des Weiteren verweist sie darauf, dass das wahrnehmende Beobachten versucht alles im Blick zu behalten, die pädagogische Fachkraft sowie die „kindlichen und elterlichen Signale“ (25:56 – 25:58). Marjan Alemzadeh gibt an, dass das wahrnehmende Beobachten, das Instrument ist, um sich von Zeitangaben zu befreien. In ihren Ausführungen zeigt sie auf, dass sie als Unterstützungsgerüst die sieben Phasen haben, um pädagogische Fachkräfte mit Impulsen zu unterstützen, was sie in welcher Phase beobachten können, geben jedoch keine Zeitangaben vor. Die einzige Empfehlung, die sie geben, ist, die erste Trennung, wenn möglich, erst nach zwei Wochen zu machen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die meisten Kinder gute zwei Wochen brauchen, um eine tragfähige Beziehung zur pädagogischen Fachkraft aufzubauen. Sie verdeutlicht nochmal, dass die Eingewöhnung hochindividuell ist, und es Kinder gibt, die so vorbelastet sind, dass sie zwei bis drei Monate brauchen, bis sie die ganze Betreuungszeit über in der Krippe verbringen können.

08 Die 7 Phasen der Partizipatorischen Eingewöhnung (27:03 – 49:32)

In dieser Sequenz geht Marjan Alemzadeh auf die sieben Phasen des Partizipatorischen Eingewöhnungsmodells ein:

  1. Informieren – die Eingewöhnung vorbereiten
  2. Ankommen in der Einrichtung
  3. In Kontakt treten
  4. Beziehung aufbauen
  5. Sich in der Kita wohlfühlen
  6. Bereit für den Abschied
  7. Die Kita wird zum Alltag

In der ersten Phase geht es darum die Eltern über die Partizipatorische Eingewöhnung zu informieren. Dies findet mittels eines Elternabends statt. Zuvor sollte es den Eltern ermöglicht werden, noch vor Vertragsabschluss, in der Kita für ein bis zwei Stunden zu hospitieren, damit sie ein Gefühl für die Krippe, die Atmosphäre und die pädagogischen Fachkräfte bekommen. Erst danach erfolgt das Anamnesegespräch, indem die „besonderen Informationen aufgenommen werden“ (29:37 – 29:39). Hier kann auch nach biografischen Themen gefragt werden, die in der Eingewöhnung eine Rolle spielen könnten, wie beispielsweise Trennungserfahrungen, Fluchterfahrungen.

In der zweiten Phase geht es darum, dass Eltern und Kind gut in der Einrichtung ankommen. In dieser Phase geht es eher um den Beziehungsaufbau zwischen der Bindungsperson des Kindes und der pädagogischen Fachkraft. Dieser Beziehungsaufbau geschieht im Tempo des Kindes. Hier findet vermehrt der Beziehungsaufbau zur Begleitperson statt, welcher eine Brückenfunktion zum Kind hat. Fühlen sich die Eltern wohl, kann sich auch das Kind entspannen. Wenn das Kind am ersten Tag noch viel bei der Mutter ist und lieber beobachten möchte, dann darf dies so sein. Die Aufgabe der pädagogischen Fachkraft ist in dieser Phase das wahrnehmende Beobachten der Interaktionen zwischen Kind und Elternteil. Diese Phase stellt die längste Phase der Eingewöhnung dar und ist zeitungebunden. In dieser Phase sollten die Kinder und Bindungspersonen die unterschiedlichen Phasen des Tagesablaufs erleben. Während dieser Phase des Ankommens sind die begleitenden Eltern die Ansprechpersonen für das Kind.

In der dritten Phase tritt die pädagogische Fachkraft in Kontakt mit dem Kind und macht diese gezielte Kontaktangebote. Zugleich kann es in dieser Phase vorkommen, dass das zu eingewöhnende Kind von sich aus, als auch vermehrt Kontakt zur pädagogischen Fachkraft aufnimmt. Gleichzeitig ist die Fachkraft auch Brückenbauerin zwischen dem Eingewöhnungskind und den anderen Kindern. Auch hier können erste Kontakte entstehen.

Die vierte Phase gilt dem Beziehungsaufbau zwischen Kind und pädagogischer Fachkraft, während sich die Eltern mehr und mehr im Hintergrund halten und der pädagogischen Fachkraft den Vortritt lassen. Oft geht das Kind selbst in Beziehung mit der Fachkraft, indem es mit ihr über einen längeren Zeitraum spielt, sich ein Buch vorlesen lässt, mit ihr zum Händewaschen geht. Das Kind hat jederzeit die Möglichkeit, sich seiner Bindungsperson zuzuwenden, wenn ihm dies alles noch nicht geheuer ist.

Die fünfte Phase erkennen Fachkräfte daran, wenn Kinder in die Kita kommen und bereits einen Plan haben, was sie gerne machen möchten. Die Kinder treten noch mehr in Interaktion mit den anderen Kindern und der Fachkraft und kennen die Abläufe. Die Kinder wenden sich mehr und mehr der Fachkraft zu, lassen sich von ihr trösten oder fordern sie auf, mit ihnen ein Buch zu lesen oder ein Spiel zu spielen. Die Bindungsperson tritt mehr und mehr in den Hintergrund. Anhand bestimmter Kriterien, die aus dem Münchener Modell stammen, können die pädagogischen Fachkräfte und Familienmitglieder erkennen, dass das Kind sich in der Kita wohlfühlt, eine tragfähige Beziehung zur pädagogischen Fachkraft aufgebaut wurde und es jetzt an der Zeit ist, erste Abschiede einzuleiten.

Damit beginnt die sechste Phase. Bevor die ersten Abschiede stattfinden, findet ein Gespräch zwischen der Bindungsperson und pädagogischen Fachkraft statt, indem die Bereitschaft des Kindes anhand bestimmter Kriterien, die es zeigt, als auch die Bereitschaft der Bindungsperson für die ersten Trennungen bespricht. Dabei geht es auch darum, was sein wird, wenn das Kind weint und wie der Trennungsschmerz aufgefangen wird. Bei den Abschieden kommt es sehr auf die emotionale Begleitung der Kinder an.

In der letzten Phase ist das Kind gut in der Krippe angekommen und ein ‚richtiges‘ Krippen- bzw. Kitakind geworden.

09 Anforderungen an die pädagogische Fachkraft (49:33 – 55:38)

Zunächst erklärt die Sprecherin im Off, welche Fähigkeiten pädagogische Fachkräfte mitbringen sollten. Danach geht Marjan Alemzadeh explizit darauf ein, weshalb Selbstreflexion und Biografiearbeit für pädagogische Fachkräfte wichtig sind, vor allem wenn es um Bindung und Eingewöhnung geht. Ein großer Wunsch von Marjan Alemzadeh ist es, dass „wir in der pädagogischen Welt endlich verstehen, dass wir mit Rezeptkoffern einfach nicht weiterkommen“ (51:50 – 51:59). Jedes Kind ist individuell und daher ist es wichtig jedes Kind individuell zu begleiten und mit ihm Lösungen zu finden. Es geht um die Interaktion mit den Kindern und diese professionell und individuell zu gestalten, nicht darum an festen Plänen festzuhalten.

10 Das Eingewöhnungsmodell in die Kita bringen (55:39 – 56:20)

Es gibt verschiedene Wege das Partizipatorische Eingewöhnungsmodell in der Kita zu verankern. Dieser kann über die theoretische Auseinandersetzung beginnen oder über den Besuch von Fortbildungen. Ein weiterer Schritt auf dem Weg ist die intensive Reflexion mit der bisherigen Eingewöhnung der Kinder und den Punkten, die sich verändern sollen. Marjan Alemzadeh weist darauf hin, dass diese Auseinandersetzung mindesten ein halbes Jahr vor den Eingewöhnungen stattfinden sollte, damit die neuen Eltern auf die Partizipatorische Eingewöhnung vorbereitet werden können.

11 Rahmenbedingungen für eine gelingende Eingewöhnung (56:21 – 59:12)

In dieser Sequenz spricht Marjan Alemzadeh hauptsächlich die Politik an, die es in der Hand hat, die Rahmenbedingungen für Kitas zu verändern und damit Ressourcen zu schaffen, die es pädagogischen Fachkräften ermöglicht, nach dem Partizipatorischen Eingewöhnungsmodell zu arbeiten. Dazu gehört, dass in vielen Bundesländern, die Eingewöhnung von Kindern auf das Jahr verteilt wird, und nicht alle Kinder nach dem Sommer eingewöhnt werden müssen. Zugleich spricht sie hier auch die Arbeitgeber an, die es Eltern ermöglichen sollten, die Eingewöhnung mit ihrem Kind zeitlich individuell zu gestalten. Im pädagogischen Alltag braucht es die Kolleg*innen, die der eingewöhnenden Bezugsfachkraft den Rücken freihalten, während der Eingewöhnungszeit mit einem Kind und seiner Familie.

12 Die Resonanz auf das Partizipatorische Eingewöhnungsmodell (59:13 -

Marjan Alemzadeh gibt an, dass sie bisher nur positive Rückmeldungen bekommen. Wichtig sei neben dem Basiswissen auch ein gutes Netzwerk für pädagogische Fachkräfte. Als Beispiel nennt sie hier ein Kind mit einer enorm hohen Trennungsangst, wo im Hintergrund auch noch unbewältigte Erfahrungen wirken, dann ist es gut, wenn Kitas hier gut vernetzt sind und auf Traumapädagog*innen bzw. Traumatherapeut*innen zurückgreifen können sowie auf Supervisionen, wenn eigene Themen aufkommen, die belasten.

Bonusmaterial

13 Reflexionsrunde – mit dem Team der Kita „Gartenkinder Hangeweiher“ in Aachen

Das Team der Kita „Gartenkinder Hangeweiher“ in Aachen ist eines der Teams, welches auch im Film zu sehen ist. Mit ihnen resümiert Marjan Alemzadeh noch einmal den Prozess zur Umsetzung des Partizipatorischen Eingewöhnungskonzepts. Sie fragt, wie sie zum Partizipatorischen Konzept gekommen sind, was sie bewogen hat das Partizipatorische Modell einzuführen und wie sie es in ihrer Einrichtung umsetzen. Das Team erzählt aus ihrer Praxis und wie sie das Konzept umsetzen, was sie verändert haben, welche Herausforderungen sie bewältigen mussten und was sich aus dem Konzept weiter ergeben hat.

14 Talkrunde – mit Prof. Dr. Marjan Alemzadeh, Katrin Förster & Stefanie Reinheimer

In der Talkrunde, durch die Stefanie Reinheimer führt, betonen Marjan Alemzadeh und Katrin Förster noch einmal die Wichtigkeit der ersten Phase, in der Familien gut auf die Partizipatorische Eingewöhnung vorbereitet werden. Katrin Förster erklärt anhand von Beispielen aus der Praxis, wie dies gelingen kann, auch wenn es Sprachbarrieren gibt. Des Weiteren erklärt Marjan Alemzadeh, dass eine Eingewöhnung vier bis sechs Wochen Zeit braucht und stärkt pädagogische Fachkräfte in ihrer Arbeit, da es bei der Eingewöhnung auch um den Schutz der Kinder geht, wenn sie die Zeit bekommen, die sie brauchen, um gut in der Kita anzukommen.

Diskussion

Der Film führt in das Partizipatorische Konzept, welches in der partizipatorischen Didaktik eingebettet ist, ein.

Es ist Marjan Alemzadeh anzumerken, wie wichtig ihr das Thema Eingewöhnung ist. Immer wieder klingen ihre Irritationen an, wenn sie von ihren Feldforschungen im Elementarbereich berichtet und sie dabei feststellte, dass Eingewöhnungen oft wenig partizipativ stattfand und zu starr an den Abläufen der Modelle orientiert. Es ist ihr eine Herzensangelegenheit das Partizipatorische Modell gut verstanden zu wissen. Sie vereint darin die Beteiligung der Kinder, das feinfühlige Wahrnehmen ihrer Bedürfnisse und Gefühle sowie die wahrnehmende Beobachtung. Pädagogische Fachkräfte haben in der Eingewöhnung eine besondere Rolle, das Kind gut zu beobachten und Eltern als Brückenbauer zwischen sich und dem Kind anzunehmen. Eine weitere große Rolle spielt die Selbstreflexion der pädagogischen Fachkräfte und ihre eigene Trennungs- und Bindungsbiografie. Diese sollte eigentlich bereits in der Ausbildung stattfinden. Herzstück des Partizipatorischen Eingewöhnungskonzepts ist das wahrnehmende Beobachten. Auch hier ist es wesentlich, dass pädagogische Fachkräfte sich mit diesem prozessorientierten Verfahren intensiv auseinandersetzen.

Ein großes Plus des Films ist das Bonusmaterial indem ein Team von seinen Erfahrungen und Herausforderungen mit der Umsetzung des Partizipatorischen Modells erzählt. Besonders pädagogische Fachkräfte, die dieses Konzept umsetzen möchten, erhalten hier viele Anregungen und Impulse.

Im Film hinterfragt Marjan Alemzadeh immer wieder die vorhandenen Eingewöhnungsmodelle. Vor allem ist es die starre Struktur mit ihren Zeitangaben, die prüfend betrachtet werden muss. Einige Modelle geben Zeitangaben vor, wann beispielsweise Trennungen erfolgen sollten. Übersehen wird dabei, dass in einigen Eingewöhnungskonzepten, ebenfalls die Kinder und ihre Familien beziehungsweise Begleitpersonen im Mittelpunkt stehen, wenn auch die Schwerpunkte anders sind. Zu erwähnen sind hier das Peergroupkonzept als auch das weiterentwickelte Münchener Modell mit seiner systemischen Perspektive. Zwar geben beide Modelle eine Zeitstruktur an, doch ist dies ein Richtwert, der individuell an die Bedürfnisse und Wohlbefinden des Kindes und Familien abgestimmt werden muss.

Das Partizipatorische Eingewöhnungskonzept ist eingebettet in die partizipative Didaktik. Wenn wir die Kinderrechte und die Beteiligung von Kindern ernst nehmen, dann darf Eingewöhnung nicht von Zeitstrukturen und rigiden Rahmenbedingungen abhängen, sondern muss sich am Tempo des Kindes orientieren. Zurecht sagt, Marjan Alemzadeh, dass es um den Schutz der Kinder geht. Dies hat die Wiener Krippenstudie sehr deutlich bewiesen. Mit dem Partizipatorischen Eingewöhnungskonzept dürfen Kinder sicher und emotional gut begleitet in der Kita ankommen. Meines Erachtens sollten die individuellen Bedürfnisse der Kinder, ihr Tempo, die sichere emotionale Begleitung in jedem Eingewöhnungsmodell berücksichtigt werden.

Der Film zeigt einfühlsam, wie Eingewöhnungen responsiv begleitet werden können und geht auf die Haltung pädagogischer Fachkräfte in diesem Prozess ein.

Fazit

Das Partizipatorische Eingewöhnungskonzept ist ein bedürfnisorientiertes Modell, welches die Signale der Kinder und Eltern wahr- und ernstnimmt. Kinder und Eltern gestalten in diesem Konzept den Eingewöhnungsprozess aktiv mit und werden dabei responsiv begleitet. Ein Film der Mut macht, die bisherige Eingewöhnungspraxis zu hinterfragen, zu verändern, damit Kinder und Eltern emotional sicher in ihrem Tempo in der Kita ankommen können.

Rezension von
Alexandra Großer
Fortbildnerin, päd. Prozessbegleiterin, systemische Beraterin
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Es gibt 71 Rezensionen von Alexandra Großer.

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ISSN 2190-9245