Philomina Bloch-Chakkalakkal: Unsichtbar unverzichtbar
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 27.02.2025

Philomina Bloch-Chakkalakkal: Unsichtbar unverzichtbar. Familien- und Berufsleben von Nurses aus Kerala in der Schweiz aus einer postmigrantischen Perspektive.
Seismo-Verlag Sozialwissenschaften und Gesellschaftsfragen AG
(Zürich) 2024.
120 Seiten.
ISBN 978-3-03777-295-9.
D: 18,00 EUR,
A: 18,50 EUR,
CH: 18,00 sFr.
Reihe: Geschlechterfragen.
Gender Studies
Der lokale und globale aufgeregte, kontroverse, ideologische Diskurs über Migration vergisst vielfach, dass Einwanderung ein Prozess von Geben und Nehmen ist. Der Soziologe, Erziehungs- und Politikwissenschaftler Aladin El-Mafaalani weist darauf hin, dass eine gelingende und gelungene Eingliederung von Minderheiten in Mehrheitsgesellschaften nicht zu weniger Konflikten und Auseinandersetzungen führt, sondern zu mehr – weil Integration eben auch bedeutet, Rechte und Pflichten, Vorteile und Privilegien zu erhalten, die sonst nur die autochthone Bevölkerung beansprucht (Aladin El-Mafaalani, Das Integrationsparadox. Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt, 2018, www.socialnet.de/rezensionen26695.php).
Entstehungshintergrund und Autorin
Ab den 1960er Jahren kamen junge Frauen als ausgebildete, christliche Pflegefachkräfte aus Indien, um in Europa als „Gastarbeiterinnen“ tätig zu werden. Wie überall in den westeuropäischen Ländern kamen sie, um auch in der Schweiz zu bleiben. Sie schlossen sich bald zu ethnischen, vernetzten, solidarischen Gemeinschaften zusammen. Es leben rund 4.500 „Malayalis“ aus Kerala im Baseler Gebiet. Die Migrationsgeschichte der „Malayali Nurses“ in der Schweiz ist sozial und wissenschaftlich bisher kaum aufgearbeitet. Philomina Bloch-Chakkalakkal, Tochter einer Keralaer Krankenschwester, ist wissenschaftliche Assistentin an der Hochschule für Soziale Arbeit der FHNW. In der Reihe „Geschlechterfragen“ der Schweizerischen Gesellschaft für Geschlechterforschung, Bern, wird die Masterarbeit vorgelegt. Damit wird eine Lücke geschlossen, die sich bei „frauengeführte(n)Migrationsprozesse(n)“, sowohl in der Schweiz, als auch in anderen westeuropäischen Ländern als „Unsichtbarkeit“ auftut.
Aufbau und Inhalt
Neben der Einleitung und Beschreibung des Forschungsvorhabens werden in weiteren Kapiteln die Migrationgeschichte(n) von den Anfängen, den gesellschaftlichen Hintergründen, den Schilderungen des Berufsalltags, den Integrations- und Diskriminierungserfahrungen, Fallbeispielen aus dem Familienalltag, der Kindererziehung, der sprachlichen, nachbarschaftlichen und gesellschaftlichen Kommunikation und der Herkunftskulturellen Erinnerungen und der transkulturellen Identitäten. Oral History und biografische Befragungen und Interviews bilden den Schwerpunkt der Forschungsarbeit. Es ist ein interkulturelles Gesamt von Geschlecht, Religion, Ethnie, Klasse und Ökonomie, die in den Erzählungen deutlich werden, den Gemeinschafts- und Großfamilien-Charakter, Care und Commons, das „Draußen“ und „Drinnen“, der Wunsch, die eigene Kultur zu bewahren und an die Nachkommen weiterzugeben; gleichzeitig aber auch, die „neue Heimat“ als das „Eigene“ zu erkennen.
Diskussion
Wanderbewegungen und Veränderungsprozesse haben es immer in der Menschheitsgeschichte gegeben. Probate und prekäre Entwicklungen und Verläufe haben immer und bestimmen weiterhin die Migrationsprozesse. „Migrationsprozesse sind immer in die Gesamtgesellschaft eingeschrieben“. Geben und Nehmen, Anpassung und Identitätsbildung sind Grundlagen der individuellen und kollektiven Humanität (Philipp Staab, Anpassung. Leitmotiv der nächsten Gesellschaft,2022,www.socialnet.de/rezensionen/30373.php).
Fazit
„Heimat“ ist … ein Prozess, der sich über territoriale, kulturelle und physische Grenzen hinwegsetzt, aber auch neue Grenzen und Ausschlüsse konstruiert“. Menschsein heißt deshalb auch: Globale Ethik und Menschenwürde!
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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