Alexandra Michel, Sarah Turgut et al.: Mentoring
Rezensiert von Gwendoline Werner-Thiery, 24.10.2025
Alexandra Michel, Sarah Turgut, Perichole Schmidt, Anja Schmitz: Mentoring.
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
(Göttingen) 2025.
136 Seiten.
ISBN 978-3-8017-3202-8.
D: 26,95 EUR,
A: 27,80 EUR,
CH: 36,00 sFr.
Reihe: Praxis der Personalpsychologie - 44.
Thema
Mentoring ist eine etablierte Entwicklungsmethode, die individuelle und personalisierte Lernprozesse ermöglicht. Im Kontext von New Work kann sie sowohl für Mitarbeitende als auch für Organisationen gewinnbringend sein (vgl. S. 1). Dieses Buch stellt die Methode des Mentorings und ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten vor. Konkrete Handlungsempfehlungen, Checklisten und Fallbeispiele machen es praxisorientiert und erleichtern die Einführung sowie die Weiterentwicklung von Mentoring-Programmen in Organisationen.
Autorinnen
Prof. Dr. Alexandra Michel ist wissenschaftliche Leiterin des Fachbereichs „Arbeitswelt im Wandel“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und außerplanmäßige Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Heidelberg. Dr. Sarah Turgut ist bei der BASF SE in Ludwigshafen am Rhein im Bereich Change-Management, Innovation und Marketing tätig. Dipl.-Päd. Perichole Schmidt ist Personalentwicklerin bei der AOK Rheinland/​Hamburg mit den Schwerpunkten Coaching, Training und Begleitung von Mentoring. Prof. Dr. Anja Schmitz ist Professorin für Human Resource Management an der Hochschule Pforzheim.
Entstehungshintergrund
Das Buch erscheint als 44. Band in der Reihe „Praxis der Personalpsychologie“ im Hogrefe Verlag und richtet sich an Personalverantwortliche. Jeder Band behandelt ein zentrales Thema des Personalmanagements und verbindet wissenschaftlich fundierte Inhalte mit praxisnahen Empfehlungen (Hogrefe, 2025).
Aufbau
Das Buch umfasst 136 Seiten und gliedert sich in fünf Kapitel:
- Einleitung
- Modelle des Mentorings
- Analyse und Handlungsempfehlungen
- Vorgehen
- Fallbeispiele aus der Unternehmens- und Beratungspraxis
Zusatzmaterialien wie Vertragsvorlagen oder Evaluationsbögen finden sich im Anhang sowie nach Registrierung online beim Verlag.
Inhalt
Das Buch bietet eine umfassende Einführung in das Thema Mentoring und beleuchtet theoretische Grundlagen, Gestaltungsmöglichkeiten sowie Praxisbeispiele. Kapitel 1 definiert Mentoring als Tandem-Beziehung zwischen Mentor:in und Mentee zur Förderung der persönlichen und beruflichen Entwicklung und grenzt es von Coaching, Training, Patensystemen, Supervision und kollegialer Beratung ab. Mentor:innen übernehmen drei zentrale Funktionen: karrierebezogene Unterstützung, psychosoziale Begleitung und Vorbildfunktion. Positive Effekte zeigen sich auf allen Ebenen, etwa in Empowerment-Erfahrungen, verbesserten Karrierechancen und höherer Arbeitszufriedenheit, während auch negative Effekte wie Konflikte oder Leistungsverluste auftreten können. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Optimierung von Matching-Prozessen wird kurz skizziert.
Kapitel 2 behandelt die Funktionen, Phasen, Arten und Formen von Mentoring. Die karrierebezogene Funktion unterstützt die berufliche Entwicklung, die psychosoziale Funktion bietet emotionale Begleitung, und die Vorbildfunktion macht Mentor:innen zu Rollenmodellen. Mentoring-Beziehungen durchlaufen vier Phasen: Initiierung (erste Kontaktaufnahme), Kultivierung (aktive Zusammenarbeit), Trennung/Auflösung (zunehmende Autonomie der Mentees) und Neudefinition (mögliche Umwandlung in eine kollegiale Freundschaft). Mentoring-Arten umfassen virtuelles Mentoring, formelles Mentoring in geplanten Programmen, informelles Mentoring ohne institutionelle Unterstützung, offenes Mentoring für alle Interessierten, geschlossenes Mentoring für definierte Zielgruppen sowie den Netzwerkansatz zur eigenständigen Entwicklung von Unterstützungsnetzwerken. Formen wie Reverse-Mentoring (jüngere unterstützen ältere Mitarbeitende), Peer-Mentoring (gleichberechtigter Austausch), Cross-Mentoring (zwischen Organisationen), Diversity-Mentoring (Förderung von Inklusion), Gruppenmentoring und Mentoring als Recruiting-Instrument werden praxisnah erläutert. Interviews mit Verantwortlichen veranschaulichen die Vor- und Nachteile der Ansätze.
Kapitel 3 behandelt die zentralen Bedingungen für erfolgreiches Mentoring sowie Empfehlungen zur Gestaltung formeller Programme. Auf Ebene der Mentees sind u.a. Ziel- und Lernorientierung sowie produktives Verhalten entscheidend, bei Mentor:innen u.a. Altruismus und transformationales Führungsverhalten. Erfolgreiche Beziehungen beruhen auf gegenseitigem Verständnis und wahrgenommener Ähnlichkeit, während Organisationen Mentoring durch Wertschätzung und Unterstützung fördern sollten. Für formelle Programme werden Bedarfsanalyse, Zieldefinition, Ressourcenplanung, Entscheidung über Programmtyp und Zielgruppe sowie die Entwicklung eines Evaluationskonzepts empfohlen. Die Umsetzung geschlossener Programme umfasst Marketing, Recruiting, Vorbereitung von Mentor:innen und Mentees, Matching, Kickoff- bzw. Start-Veranstaltung, begleitende Maßnahmen wie Trainings und Zwischenbilanzen, Abschlussveranstaltung und abschließende Evaluation.
Kapitel 4 gibt praxisorientierte Hinweise zur Konzeption und Organisation von Mentoring-Programmen. Leitfragen und Checklisten unterstützen Bedarfsanalyse, Ressourcenplanung und Rahmenbedingungen. Für geschlossene Programme werden Marketing, Recruiting, Vorbereitung, Matching, Auftakt-, Zwischen- und Abschlussveranstaltungen sowie Begleitmaßnahmen anhand von Checklisten, Leitfäden und Musterbögen erläutert. Offene Programme zeichnen sich durch selbstgesteuertes Matching aus, das durch digitale Plattformen oder Austauschforen unterstützt wird. Das Kapitel behandelt zudem die Gestaltung der Mentoring-Aktivitäten, den Umgang mit Konflikten, Evaluation mit Instrumenten wie dem Vier-Ebenen-Modell nach Kirkpatrick, Follow-up-Maßnahmen und den Abschluss eines Programms. Besonderes Augenmerk liegt auf Kommunikation, z.B. aktives Zuhören, systemische Fragetechniken zur Perspektiverweiterung und das GROW-Modell zur Zielorientierung.
Kapitel 5 illustriert die Praxis anhand von Beispielen: Die AOK Rheinland/​Hamburg kombiniert geschlossene und offene Mentoring-Programme für unterschiedliche Zielgruppen. Die DB Infrage AG fördert operative Fachkräfte in Kompetenzentwicklung, Vernetzung und Wissenssicherung. OTTO bietet eine Plattform für bedarfsgerechte, selbstinitiierte Unterstützung, und das heiTRACKS-Programm der Universität Heidelberg unterstützt promovierte Wissenschaftler:innen bei der akademischen Karriereplanung.
Diskussion
Das Werk bietet eine systematische und praxisorientierte Einführung in das Thema Mentoring und positioniert sich zwischen wissenschaftlicher Fundierung und praktischer Anwendbarkeit. Der klare Aufbau von der theoretischen Einführung über Modelle und Handlungsempfehlungen bis hin zu Fallbeispielen ermöglicht eine Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven. Besonders hervorzuheben ist die konsequente Praxisorientierung, unterstützt durch Checklisten, Leitfragen und Zusatzmaterialien, die Personalverantwortlichen unmittelbar einsetzbare Werkzeuge bereitstellt.
Die Verortung des Themas im Kontext aktueller Entwicklungen wie Fach- und Führungskräftemangel sowie New Work verdeutlicht die strategische Bedeutung von Mentoring für Organisationen und dessen Potenzial zur Förderung von Mitarbeiterbindung und Kompetenzentwicklung. Der Band zeigt praxisnah auf, wie Mentoring aktuelle personalwirtschaftliche Herausforderungen adressieren kann. Die Praxisbeispiele aus Unternehmen und Hochschulen verdeutlichen zusätzlich die Anwendbarkeit der vorgestellten Konzepte, liefern jedoch kaum empirische Evidenz zur Wirksamkeit der verschiedenen Ansätze.
Inhaltlich liegt der Fokus auf den Potenzialen und die Umsetzung von Mentoring. Risiken und Grenzen wie Machtasymmetrien, Rollenkonflikte oder begrenzte Ressourcen werden zwar erwähnt, aber nicht vertiefend analysiert. Kritisch anzumerken ist zudem die teilweise redundante Darstellung der Handlungsempfehlungen in den Kapiteln 3 und 4, welche die Praxisrelevanz erhöht, jedoch nur begrenzten wissenschaftlichen Mehrwert bietet. Im Vergleich zu stärker theorieorientierten Werken unterscheidet sich der Band vor allem durch seine adressatengerechte Aufbereitung und starke Praxisnähe.
Fazit
Das Buch bietet eine praxisorientierte Einführung in Mentoring und überzeugt durch klare Struktur, zahlreiche Beispiele und konkrete Handlungsempfehlungen. Die nur oberflächliche Behandlung von Risiken und Grenzen schränkt den wissenschaftlichen Tiefgang ein. Es eignet sich daher in erster Linie als anwendungsorientierter Leitfaden für Personalverantwortliche, während für eine vertiefte wissenschaftliche Auseinandersetzung ergänzende Fachliteratur erforderlich ist.
Quellenangaben
Hogrefe Verlag (2025). Buchreihe „Praxis der Personalpsychologie“. Von Hogrefe Verlag: https://www.hogrefe.com/de/buchreihe-praxis-der-personalpsychologie am 26.08.2025 abgerufen.
Michel A., Turgut S., Schmidt P., Schmitz A. (2025): Mentoring. Göttingen: Hogrefe.
Literaturhinweise
Graf, N. & Eldelkraut, F. (2017): Mentoring: das Praxisbuch für Personalverantwortliche und Unternehmer (2. Auflage). Wiesbaden: Springer Gabler.
Michel, A. & Bickerich, K. (2016): Berufliche Entwicklung steuern und Erfolg fördern: Mentoring und Coaching. In Kh. Sonntag (Hrsg.), Personalentwicklung in Organisationen. Psychologische Grundlagen, Methoden und Strategien (4. Auflage, S. 561–600). Göttingen: Hogrefe.
Pflaum, S. & Wüst, L. (2019): Der Mentoring Kompass für Unternehmen und Mentoren. Persönliche Erfahrungsberichte, Erfolgsprinzipien aus Forschung und Praxis. Wiesbaden: Springer.
Rezension von
Gwendoline Werner-Thiery
Montessori-Pädagogin, Studierende an der Hochschule Koblenz im Masterstudiengang Kindheits- und Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Management und Beratung.
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