Katja Schwalbach: Introvertierte Führungskräfte
Rezensiert von Tim Maurer, 17.04.2025

Katja Schwalbach: Introvertierte Führungskräfte. Wie sie im Führungsalltag ihre Stärken zielgerichtet einsetzen und Herausforderungen erfolgreich begegnen.
Springer Gabler
(Wiesbaden) 2024.
49 Seiten.
ISBN 978-3-662-69659-0.
D: 14,01 EUR,
A: 15,41 EUR,
CH: 17,00 sFr.
Reihe: Essentials.
Thema
Führung wird oft mit Eigenschaften wie Charisma, Durchsetzungsvermögen und Kommunikationsfähigkeit in Verbindung gebracht. Diese Merkmale gelten in vielen Unternehmen als wichtig für Erfolg. Das Buch zeigt aber, dass es auch andere Führungsqualitäten gibt. Auch introvertierte Führungskräfte können sehr erfolgreich sein. Sie zeichnen sich oft durch analytisches Denken, innere Ruhe und empathische Kommunikation aus. Katja Schwalbach zeigt, dass diese Führungskräfte in komplexen und lernenden Organisationen wichtig sind. Sie können Veränderungen bewirken, sowohl in der Führung als auch in der Unternehmenskultur. Es wird deutlich, dass eine Führungskultur, die beide Persönlichkeitsmerkmale vereint, eine gute Alternative zu den traditionellen Extraversionsmodelle ist.
Autor:in oder Herausgeber:in
Katja Schwalbach ist seit Ende 2021 Gleichstellungsbeauftragte der Polizei Rheinland-Pfalz und ist darüber hinaus seit über 10 Jahren freiberuflich als Beraterin und Coachin tätig. Sie ist seit 2020 am KompetenzCampus Frankfurt am Main als Dozentin im M.A. Beratung in der Arbeitswelt tätig und bietet zudem Seminare an der Kommunales Bildungswerkstatt e.V. (kbw) zum Thema „Frauen beStärken: Fähigkeiten und Kompetenzen gezielt einsetzen“ an.
Entstehungshintergrund
In der vorliegenden Publikation werden aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse aus den Bereichen der Persönlichkeitspsychologie sowie der Führungsstile aufgegriffen und mit praxisnahen Strategien verknüpft. Katja Schwalbach reagiert mit der Publikation auf die gängige Vorstellung, dass erfolgreiche Führungskräfte zwingend extrovertiert sein müssen. Stattdessen wird die Bedeutung introvertierter Eigenschaften für moderne Führungskonzepte hervorgehoben.
Aufbau
Das Essential umfasst 49 Seiten und gliedert sich in vier thematische Kapitel. Zunächst erfolgt eine Einführung in die Thematik, in der Definitionen von Introversion und deren Merkmale vorgestellt werden. Anschließend werden die Herausforderungen analysiert, denen sich introvertierte Führungskräfte im Berufsalltag stellen müssen. Darauf aufbauend werden die besonderen Stärken introvertierter Führungskräfte in Führungspositionen erläutert und in den Kontext praktischer Strategien für Kommunikation, Entscheidungsfindung und Teamführung gestellt. Das abschließende Kapitel fasst die zentralen Erkenntnisse anhand mehrerer Praxisbeispiele zusammen und gibt einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen im Bereich Führung.
Inhalt
Die Autorin führt in Kapitel 1 „Einleitung“ in das Thema ein und beschreibt die weit verbreitete Annahme, dass Führungskräfte extrovertiert und durchsetzungsstark sein müssen. Sie stellt die zentrale Fragestellung des Buches vor: Wie können introvertierte Menschen ihre Stärken in Führungspositionen nutzen? Dabei verweist sie auf wissenschaftliche Studien und persönliche Erfahrungen, um die Relevanz des Themas zu unterstreichen.
Das folgende zweite Kapitel widmet sich der theoretischen Einordnung der Begriffe „Introversion und Extraversion“. Die Autorin beschreibt deren psychologische Grundlagen und zeigt auf, dass es sich um zwei Pole eines Kontinuums handelt, wobei die meisten Menschen Mischformen dieser Eigenschaften aufweisen. In Kapitel 2.1 gibt sie einen „Überblick über die auffälligsten Unterschiede“ der introvertierten und extrovertierten Persönlichkeiten. Diese sieht sie im Energiemanagement und der Sicherheits- und Risikoorientierung. Im anschließenden Kapitel 2.2 „Erklärungsmodelle von Introversion“ wird Introversion aus der Perspektive der Persönlichkeitspsychologie, der Neurobiologie und der Diversität betrachtet. Sie resümiert, dass Intro- und Extraversion über die vergangenen Jahrzehnte ausführlich erforscht und Messinstrumente entwickelt wurden, die auf unterschiedlichen neurobiologischen Prozessen aufbauen. Folgend sieht sie gelingendes Diversity Management als entscheidenden Faktor „für die tägliche Zusammenarbeit sowie für die zielgerichtete Förderung der Mitarbeitenden“ (Seite 12). Abschließend wird in Kapitel 2.3 „Abgrenzung zu Introversion“ eine Distanz von Introversion zu den Begriffen der Schüchternheit, Neurosensitivität und Resignation geschaffen.
In Kapitel 3 „Stärken und Herausforderungen von introvertierten Führungskräften“ beleuchtet Frau Schwalbach eingehend, welche besonderen Stärken (Kapitel 3.1) introvertierte Führungskräfte auszeichnen. Die Autorin betont, dass deren analytisches Denkvermögen, ihre Fähigkeit zum tiefen Zuhören und ihre ruhige, reflektierte Entscheidungsfindung einen wertvollen Beitrag im Führungsalltag leisten können. Diese Eigenschaften ermöglichen es ihnen, komplexe Probleme strukturiert zu analysieren und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Des Weiteren werden die Bedeutung von Empathie und Integrität hervorgehoben, die zum Aufbau vertrauensvoller Beziehungen im Team beitragen. Gleichzeitig thematisiert das Kapitel auch typische Herausforderungen (Kapitel 3.2): Introvertierte Führungskräfte kämpfen häufig mit den Anforderungen extrovertiert dominierter Unternehmenskulturen. Sie sind oft stärker von Reizüberflutung betroffen und haben Schwierigkeiten, sich in spontanen, dynamischen Entscheidungssituationen durchzusetzen. Die Autorin weist darauf hin, dass introvertierte Persönlichkeiten zu oft unterschätzt werden und warnt vor hinderlichen Bewältigungsstrategien wie Rückzug oder übermäßiger Sachorientierung, die letztlich ihre Wirksamkeit mindern können. Insgesamt ist eine Optimierung des eigenen Energie- und Ressourcenmanagements zur Nutzung der positiven Potenziale erforderlich. Im abschließenden Unterkapitel 3.3 „Strategien zur Bewältigung der Herausforderungen“ beschreibt die Autorin, wie introvertierte Führungs-kräfte mit typischen Belastungen umgehen können. Zentrale Empfehlungen sind die bewusste Selbstreflexion, das Erkennen und Vermeiden hinderlicher Muster (z.B. Rückzug, Passivität) sowie ein gezieltes Energie- und Reizmanagement. Mithilfe eines fünfteiligen Reflexionsmodells (Persönlichkeit, Wissen, Rahmenbedingungen, Miteinander, Verhalten) sollen individuelle Handlungsstrategien entwickelt werden. Ziel ist es, die eigene Arbeitsweise wirksam und authentisch an den Führungsalltag anzupassen.
Das abschließende Kapitel 4 „Praxis: Passende Strategien für herausfordernde Situationen entwickeln“ ist der praktischen Anwendung gewidmet und baut auf den im vorangegangenen Kapitel identifizierten Stärken und Herausforderungen auf. Die Autorin präsentiert konkrete Fallbeispiele und praxisnahe Handlungsempfehlungen, die sich in drei Unterkapiteln gliedern:
- Kapitel 4.1 „Führungs- oder Fachkarriere?“
- Kapitel 4.2 „Den Führungsalltag bewältigen“
- Kapitel 4.3 „Mitarbeiterführung“
Anhand diesen zeigt die Autorin, wie introvertierte Führungskräfte mit typischen Situationen im Berufsalltag umgehen und daran wachsen können. Im gesamten Kapitel arbeitet Frau Schwalbach mit dem von ihr entwickelten fünfteiligen Modell zur Strategieentwicklung, das eine strukturierte Selbstreflexion und Handlungsklarheit fördern soll.
Insgesamt unterstreicht Frau Schwalbach in „Was Sie aus diesem essential mitnehmen können“ den praktischen Nutzen der vorgestellten Methoden und betont, dass es nicht um die Anpassung an extrovertierte Normen geht, sondern um die Etablierung einer Führungskultur, die die individuellen Stärken introvertierter Menschen gezielt zur Geltung bringt.
Diskussion
Die praxisorientierten Beispiele bieten mit ihren abschließenden Selbstreflexionsfragen gute Ansatzpunkte, um den:die Lesende:n dazu anzuregen, sich mit dem Thema der Introversion und Extraversion, im Kontext der Führung, auseinanderzusetzen. Zugleich handelt es sich bei den dazu herangezogenen „fünf Elemente[n] zur Entwicklung hilfreicher Führungsstrategien“ (Seite 24) um die von Frau Schwalbach entwickelte Dimensionen, die sie „für wesentlich, jedoch […] keinesfalls abschließend“ (Seite 25) hält und die nicht wissenschaftlich fundiert sind. Die Diskussion im Buch zeigt, dass Führung nicht ausschließlich auf extrovertierten Eigenschaften wie Charisma und Durchsetzungsvermögen beruht. Vielmehr werden auch strategisches Denken, aktives Zuhören und reflektierte Entscheidungsprozesse als zentrale Elemente erfolgreichen Führungsverhaltens in den Blick genommen. Diese Darstellung tendiert jedoch dazu, die Komplexität des modernen Managements zu vereinfachen. Die Autorin zeigt, dass die im Buch vorgestellten Strategien – insbesondere zum individuellen Energie- und Reizmanagement sowie zu strukturierten Kommunikationsmethoden – dazu beitragen können, die Potenziale introvertierter Führungskräfte zu nutzen. Gleichzeitig wird diskutiert, inwieweit diese Strategien übergreifend in unterschiedlichen Branchen und Unternehmenskulturen anwendbar sind und wo ihre Grenzen liegen. Insgesamt präsentiert sich das Buch als Grundlage für ein differenziertes Verständnis moderner Führung, das unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale gleichberechtigt in die Beurteilung von Führungskompetenz einbezieht.
Fazit
Zusammenfassend liefert das Essentials von Katja Schwalbach eine praxisorientierte Auseinandersetzung mit introvertierter Führung. Es veranschaulicht unter Berücksichtigung von Theorie gepaart mit Praxisbeispielen, wie introvertierte Menschen ihre Stärken bewusst einsetzen können, ohne dabei ihre Persönlichkeit verändern zu müssen. Das Buch ist insbesondere für Führungskräfte, die sich selbst als introvertiert wahrnehmen oder mit unterschiedlichen Führungstypen arbeiten, von großem Interesse. Es eröffnet neue Perspektiven auf Führungsstile, die jedoch der Komplexität von Führung Rechnung tragen müssen.
Rezension von
Tim Maurer
Bachelor of Arts Soziale Arbeit, derzeit Studierender an der Hochschule Koblenz im Master-studiengang Kindheits- und Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt „Management und Beratung“
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