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Florian Bödecker: Einführung in das wissenschaftliche Schreiben

Rezensiert von Steffen-Peter Ballstaedt, 09.10.2025

Cover Florian Bödecker: Einführung in das wissenschaftliche Schreiben ISBN 978-3-7799-7844-2

Florian Bödecker: Einführung in das wissenschaftliche Schreiben in der Sozialen Arbeit. Von der Orientierung an Regeln zur Orientierung an Kriterien. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2025. 309 Seiten. ISBN 978-3-7799-7844-2. D: 22,00 EUR, A: 22,70 EUR.

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Thema

An Anleitungen und Ratgebern zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben herrscht kein Mangel, aber dieser Band wendet sich speziell an Studierende der Sozialen Arbeit. Sie sollen an wissenschaftliches Schreiben und Argumentieren herangeführt werden, damit ihre Qualifikationsarbeiten die erforderlichen Standards einhalten.

Autor

Der Autor Prof. Dr. Florian Bödecker ist Professor für die Soziale Arbeit mit älteren Menschen an der Fachhochschule Kiel im Fachbereich Soziale Arbeit und Kindheitspädagogik. Schwerpunkte seiner Lehre sind die Wissenschaftstheorie und das Gesundheits-, Pflege- und Sozialsystem im Kapitalismus.

Entstehungshintergrund

Der Autor hat bei der Betreuung von Haus-, Bachelor- und Masterarbeiten die Erfahrung gemacht, dass für Studierende das Schreiben wissenschaftlicher Texte oft eine Barriere darstellt. Sie kommen aus der sozialen Praxis oder streben eine soziale Praxis an und sind nicht primär wissenschaftlich motiviert. Sie sehen ihr Schreiben weniger als einen Beitrag für eine Scientific Community, sondern als notwendige Qualifikationsarbeit, die den Prüfungsanforderungen genügen muss.

Aufbau

Das Buch beginnt mit einem Kapitel, das die Studierenden zum wissenschaftlichen Schreiben motivieren soll. Es folgt ein Schnelldurchlauf durch die Wissenschaftstheorie mit dem Ziel, Merkmale wissenschaftlicher Texte herauszuarbeiten. Die folgenden Kapitel bieten einen Durchlauf durch die Stadien des Schreibprozesses in vier Meilensteinen: Themenfindung, Exposé, Rohfassung, Überarbeitung. Für jeden Arbeitsschritt werden konkrete Ratschläge vermittelt, die durch Befunde Schreibforschung und Textlinguistik abgesichert sind.

Inhalt

Der Autor möchte zuerst Überzeugungsarbeit leisten, warum wissenschaftliches Schreiben auch für die Berufspraxis nicht nur nützlich, sondern wichtig ist: Dafür führt er drei Gründe an:

  1. Es stärkt die Fachkompetenz und damit die wissenschaftliche Basis beruflichen Handelns.
  2. Es fördert das professionelle Handeln im Beruf.
  3. Es übt in das berufliche Schreiben ein, z.B. für Projektanträge, Konzeptionen, Evaluationsberichte, Gutachten, Beiträge in Fachzeitschriften.

Da der Autor von eher wissenschaftsfernen Adressaten ausgeht, startet er mit einer „Minimaldefinition von Wissenschaft“: Wissenschaft liefert methodisch gewonnenes und auf Gültigkeit überprüfbares Wissen (Stichworte: Systematizität und Nachvollziehbarkeit). Für wissenschaftliche Texte folgt aus dieser Minimaldefinition vor allem die Begründungspflicht, es sind argumentative Texte: Behauptungen müssen begründet werden.

Der Schreibprozess wird als eine Abfolge von Arbeitsschritten beschrieben. Hier folgt der Autor den Befunden der Schreibforschung, setzt aber einige Akzente, welche die Erfahrungen vieler Betreuender von Qualifikationsarbeiten widerspiegeln dürften.

Bei der Themenfindung ist nach Ideensammlung und orientierender Literaturrecherche die Eingrenzung und präzise Formulierung der Forschungsfrage oft eine Hürde. Studierende neigen zu weiten, komplexen und unbestimmten Forschungsfragen.

Der Stellenwert eines schriftlichen Exposés wird hervorgehoben. Wichtigste Bestandteile sind eine vorläufige Gliederung und ein Zeitplan, um in den Schreibprozess zu starten. Da Schreiben einen erkenntnisfördernden Prozess darstellt, muss die bzw. der Studierende allerdings eine Balance zwischen Festlegung und Offenheit finden. Sehr nützlich ist das 7. Kapitel zur systematischen Literaturrecherche in Fachdatenbanken. Es ist allerdings verwunderlich, dass es nach dem Exposé behandelt wird, nachdem eine orientierende Recherche bereits zur Themenfindung und Exposé erforderlich ist, um an den derzeitigen Wissensstand anzuschließen. Ein 8. Kapitel beschäftigt sich mit der Auswertung von Texten, stellt also Arbeitstechniken wie Lese- oder Randnotizen vor. Die Bedeutung von textorientierten oder themenorientierten Exzerpten für das Verstehen, Lernen und Strukturieren wird betont. Als einzige Form der Visualisierung empfiehlt der Autor die Anlage von tabellarischen Zusammenfassungen, beliebte Techniken wie Mind Mapping oder Concept Mapping fehlen. Die Versuchung, hier KI-Tools zum Zusammenfassen zu nutzen, ist groß, aber damit vermeidet man eigenständige Verarbeitung. Die derzeit diskutierte Rolle der KI beim Schreiben wird im Buch nicht ausführlich behandelt, aber als mögliches Werkzeug für kreative und kritische Personen nicht grundsätzlich abgelehnt.

Mit der Rohfassung beginnt die eigentliche Formulierungsarbeit, der ein ausführliches und instruktives Kapitel gewidmet ist. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem inhaltlichen Zusammenhang und der Argumentation, nicht auf dem Sprachstil, um den Schreibfluss nicht zu stören. Hauptaufgabe ist die kritische Auseinandersetzung mit anderen Texten und die begründete Formulierung einer eigenen Position. Dem korrekten Zitieren und der Verwendung von Autoritätsargumenten werden viele Seiten eingeräumt, was in Zeiten von Plagiatsprüfungen sehr sinnvoll ist.

Der vierte Meilenstein ist die Überarbeitung. Hier wird besonders die Adressatenorientierung herausgestellt, die für die Verständlichkeit eine wichtige Rolle spielt, wobei vor allem das Vorwissen berücksichtig werden muss. Die Leitlinien zu verständlichen Wörtern und Sätzen sind auf dem neusten Stand der Forschung und für die spezielle Zielgruppe mit instruktiven Beispielen aufbereitet. Erfreulich ist die Betonung der Textkohärenz. Wenn es einen übergreifenden Befund der Forschung zum Textverstehen gibt, dann ist es die Bedeutung der Textkohärenz. Für den Schreibenden ist sie ein Beweis für folgerichtiges und konsistentes Denken, für die Rezipienten ermöglicht sie den nachvollziehbaren Aufbau einer Wissensstruktur. Erst ganz am Schluss der Überarbeitung geht es um das Vermeiden grammatischer Fehler, die Rechtschreibung und Kommasetzung.

Diskussion

Das Buch überzeugt durch eine konsequente fachdidaktische Perspektive. Der Text ist adressatengerecht geschrieben, dem dient auch die persönliche Ansprache, die man allerdings als anbiedernd empfinden kann: „Puh! Das war jetzt sicher eine Menge Input, den Sie aufnehmen mussten.“ Didaktisch ist der Text sehr gut aufbereitet: Viele konkrete Beispiele und übersichtliche Visualisierungen unterstützen das Verstehen. Eingestreut sind grau unterlegte Texte, in denen die zentralen Aussagen in Form von Merksätzen zusammengefasst werden. Während also die praktischen Kapitel gelungen sind, ist die theoretische Konzeption des Buches in einigen Punkten nicht überzeugend.

Der Untertitel der Arbeit „Von der Orientierung an Regeln zur Orientierung an Kriterien“ wird mit einem Zitat von Adorno als Motto eingeführt: Es geht nicht um einen rituellen Regelkatalog, den man als Wissenschaftler stur einhalten muss, sondern um die Entwicklung einer „wissenschaftlichen Haltung“ (S. 17). Obwohl Bödecker die Unterscheidung zwischen Regeln und Kriterien wichtig ist, wird sie an keiner Stelle ausdrücklich erläutert. Offensichtlich sind Regeln starre allgemeingültige Anweisungen, während Kriterien kontext- und fallbezogen sind (S. 23). Diese Unterscheidung überzeugt aber nicht, denn Regeln können als Wenn-dann-Bezüge formuliert werden und im Wenn-Teil sind durchaus konkrete Kontextbedingungen angesprochen. Unter Kriterien werden gewöhnlich Merkmale verstanden, die eine Unterscheidung oder Zuordnung ermöglichen. Regeln sind handlungsorientiert. Kriterien sind begriffsorientiert. Es bleibt unklar, worin die geforderte Umorientierung von Regeln zu Kriterien genau besteht.

Da Bödecker seine Schreibanleitung auf Literatur- und Theoriearbeiten einschränkt, bleibt das Kerngeschäft der Wissenschaft, die methodische Gewinnung von Wissen ausgespart: Man findet keinen Satz über quantitative oder qualitative empirische Methoden, Wissenschaft wird hier als reine Denkarbeit beschrieben. Das wird der Situation in der Sozialen Arbeit aber nicht gerecht, in der Untersuchungen mit Fragebögen, systematischen Beobachtungen, Dokumentenanalysen usw. durchgeführt werden. Auch bei der Themenfindung wird auf empirische Fragestellungen verzichtet, Das mag sinnvoll sein, da empirische Arbeiten mit Hypothesen einer eigenen Forschungslogik folgen, für die schon Anleitungen vorliegen. Aber ein Verweis auf diesen Bereich wissenschaftlicher Arbeiten wäre doch notwendig.

Als zentrales Kriterium wissenschaftlicher Texte wird eine schlüssige und nachvollziehbare Argumentation herausgestellt. Ein zweites wichtiges Kriterium für wissenschaftliche Texte taucht aber nur als untergeordneter Punkt auf (S. 36): Verwendete Fachbegriffe müssen eindeutig definiert und dann konsistent verwendet werden. Diese Forderung wird bei der Überarbeitung (Kap. 11.3.1) behandelt, aber dort auch nur auf zwei Seiten. Da Definieren zum Kerngeschäft der Wissenschaft gehört, sollte es ausführlicher behandelt werden, z.B. auch die verschiedenen Formen der Definition.

Fazit

Studierenden der Sozialen Arbeit bietet das Buch eine nützliche Leitplanke für ihre Qualifikationsarbeit. Aber auch Studierende anderer praxisorientierter Fächer, die mit dem wissenschaftlichen Schreiben fremdeln, werden hier behutsam und verständlich an die Herausforderungen herangeführt.

Rezension von
Steffen-Peter Ballstaedt
Ehemals Westfälische Hochschule, Professur für angewandte Kommunikationswissenschaft
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Es gibt 1 Rezension von Steffen-Peter Ballstaedt.

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ISSN 2190-9245