Esther Abplanalp (Hrsg.): Lernen in der Praxis. Die Praxisausbildung im Studium [...]
Rezensiert von Dipl.Soz.-Arb. Meinolf Westerkamp, 19.10.2006
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Esther Abplanalp (Hrsg.): Lernen in der Praxis. Die Praxisausbildung im Studium der sozialen Arbeit. Interact Verlag Hochschule Luzern (Luzern) 2005. 203 Seiten. ISBN 978-3-906413-26-6. 23,30 EUR.
Das Thema
Auf vielen Ebenen wurde und wird die Wichtigkeit der Praxisorientierung im Studium der Sozialen Arbeit betont. Eine neue Diskussion ist angestoßen durch die Bologna-Reform und deren Auswirkungen auf die Praxisausbildung. Hochschulen formulieren - jede für sich - Anforderungen an und Regeln für die Durchführung dieser Ausbildungsanteile. Dienstellen in der Praxis und dort speziell die anleitenden Praktiker und Praktikerinnen stehen damit unterschiedlichen Anforderungen gegenüber, denen sie nur schwer gerecht werden können. Wünschenswert wäre es, für die Praxisausbildung Standards vorzugeben und wichtige Abläufe zu standardisieren. Dabei gilt es das Problem zu lösen, einerseits den individuellen Lerninteressen der Studierenden mit den Möglichkeiten der jeweiligen Praxisausbildungsinstitution in ein gutes Passungsverhältnis zu bringen, andererseits die verbindlichen Rahmenbedingungen der Hochschulen einzuhalten. Wie kann man diesem Spagat zwischen institutionellen Gegebenheiten und individuellem Lernprozess Rechnung tragen und welche Hilfen können die anleitenden Praktiker und Praktikerinnen dafür nutzen? Das vorliegende Buch, das aus der Praxisausbildung im Studium der Sozialen Arbeit in der Schweiz entstanden ist, stellt praktische Erfahrungen zu diesem Themenkomplex zusammen.
Autoren
Die Autorinnen und Autoren sind alle in der einen oder anderen Weise an der Praxisausbildung beteiligt, entweder auf Seiten der Hochschulen oder auf Seiten der Praxisinstitutionen. Sie haben in der Mehrzahl ein Studium der Sozialen Arbeit abgeschlossen und haben langjährige praktische Erfahrungen in der Sozialen Arbeit und speziell in der Arbeit mit Studierenden in den praktischen Anteilen des Studiums.
Inhalt
- Günter Ackermann stellt in seinem einleitenden Beitrag "Aspekte einer guten Praxisausbildung - einleitende Gedanken im Kontext der Qualitätsdiskussion" die Frage nach einer gelingenden Praxisausbildung und wie man mit der Komplexität des Gegenstandes Praxisausbildung unter Qualitätsaspekten umgehen kann, in den Mittelpunkt. Die Zugänge zu guter Praxisausbildung führen über die Qualitätsdimensionen Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität.
- Beat Uebelhardt ("Rahmenbedingungen sowie aktuelle Problem- und Fragestellung in Bezug auf die Ausbildungspraktika") setzt sich mit der komplexen bildungspolitischen Situation auseinander, in welche die Praxisausbildung der Sozialen Arbeit eingebettet ist. Für Non-Profit-Organisationen im Sozialen Bereich gehört Praxiserfahrung zu einer guten Ausbildung. Unklar ist aber die Frage, wer diese Praxisorientierung bezahlt. Das zielt sowohl auf eine Bezahlung für die praktizierenden Studierenden wie auf entsprechende Entlastung der Praxisanleiter und Praxisanleiterinnen von ihren allgemeinen Aufgaben.
- Bernhardt Knecht ("Systemische Reflexionsmöglichkeiten der Praxisausbildung") zeigt, dem systemischen Ansatz folgend, auf, dass Verhalten und Leistungen der Studierenden in der Praxisausbildung auch abhängig vom institutionellen Kontext sind und wie das Aufeinandertreffen der beiden Systeme "Studium" und "Praxis" konstruktiv genutzt werden kann.
- Esther Abplanalp ("Planen und Steuern der Ausbildungspraktika") gibt einen generellen Überblick über die Praxisausbildung Soziale Arbeit an Fachhochschulen in der Schweiz und beschreibt die vielfältigen Aufträge und Funktionen der Praxisausbildenden. Das Modul Praxisausbildung wird mit seinen einzelnen Bestandteilen beschrieben und der Ablauf des Ausbildungspraktikum detailliert dargestellt.
- Praxisausbildung, so Andreas Schrader ("Didaktik, Methoden und Medien in der Praxisausbildung"), verfolgt das primäre Ziel, einen Transfer zwischen Theorie und Praxis zu schaffen, indem die Studierenden das theoretisch erlernte Wissen in der Praxis einsetzen und erfahren können. Dieser Transferprozess wird durch verschiedenen Elemente bestimmt: Praktikum Supervision, Fallwerkstatt, Praxisbericht. Insofern sei der alte Begriff Praxisanleitung zu kurz gegriffen und überholt und man müsse heute von Praxisausbildung sprechen. Er zeigt anhand vielfältiger methodischer Beispiele auf, welche Möglichkeiten erwachsenen-gerechten Lernens genutzt werden können und wie deren Einsatz wiederum abhängt von den spezifischen Praxissituationen, so dass auch die Grenzen von Standardisierbarkeit deutlich werden.
- Santino Güntert ("Beurteilen in der Praxisausbildung") greift ein schwieriges und manchmal ungeliebtes Thema auf. Einerseits fordert der Bologna-Prozeß eine objektive Beurteilung, andererseits machen Komplexität und Individualität eine streng objektive Beurteilung unmöglich. Er zeigt auf, wie ein reflektierter Umgang mit den Möglichkeiten und potenziellen Fehlerquellen verschiedener Beurteilungsformen sowie ihr gezielter systematischer Einsatz dazu führen kann, dass die Beurteilung der Praxisausbildung zu einem wirkungsvollen Instrument für die optimale Professionalisierung der Studierenden werden kann.
- Herbert Müller ("Praxisausbildung in der Institution - Lehrauftrag und Umsetzung im Institutionsalltag") beleuchtet die Situation aus der Perspektive des Praxisausbildners in der Praxisinstitution. Sollen wir uns für einen Praktikanten/eine Praktikantin entscheiden? Welches Ausbildungskonzept bieten wir? - Wie soll die Praktikumszeit strukturiert sein? Welche Ergebnis bringt der Einsatz für die Institution, so dass sich der Einsatz von Praxisausbildern auch für die Institution lohnt? : so einzelne Fragestellungen dieses Beitrages.
Diskussion
Der vorliegende Band bietet mit seiner breiten Darstellung der Praxisausbildung der Sozialen Arbeit in der Schweiz einen interessanten Überblick über diesen Ausbildungsteil, der auch für die Neueinrichtung der BA/MA-Studiengänge in Deutschland interessante Perspektiven eröffnet.
Der Praxisausbildung wird hier ein weitaus wichtiger Stellenwert zugesprochen als das z.Zt. in vielen BA-Studienordnungen in Deutschland der Fall zu sein scheint. Schon die Nutzung neuer Begriffe macht hier einen neuen Weg deutlich. So wird nicht mehr von Praktikum, sondern von Praxisausbildung (davon ist das Praktikum ein Teil), gesprochen, die Praxisanleiter haben eine erweiterte Funktion und werden als Praxisausbildende bezeichnet. Dies ist die Konsequenz einer Delegation des Ausbildungsauftrages an die Praxisinstitution. Sollen dabei Qualitätsgesichtspunkte berücksichtigt werden müssen konkrete Forderungen an die Praxisinstitutionen gestellt und sie müssen kontinuierlich überprüft werden.
Hier wird ein Dilemma deutlich, das nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland noch einer Lösung bedarf: wer übernimmt diese mit der Praxisausbildung verbundenen Kosten und wie lässt sich das Problem der unterschiedlichen Anforderungen der verschiedenen Hochschulen lösen?
Fazit
Der Band bietet Erfahrungswissen zum Thema Praxisausbildung, das sowohl im Rahmen der Hochschulen wie auch vor allem von Praxisinstitutionen genutzt werden kann. Hier werden PraxisanleiterInnen und Praxisausbildende fündig, wenn sie nach Möglichkeiten suchen, ihre Ausbildungstätigkeit zu optimieren. Hochschulen in Deutschland, die dabei sind, in ihren BA-Studienordnungen die praktischen Ausbildungsanteile neu zu verorten, können hier interessante Ideen aufnehmen, die sicherlich auch in der deutschen Hochschullandschaft gut umsetzbar wäre.
Rezension von
Dipl.Soz.-Arb. Meinolf Westerkamp
Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Sozialarbeit
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