Laura Epstein, Lester B. Brown: [...] Beratung in der Sozialarbeit
Rezensiert von Dipl.Soz.-Arb. Meinolf Westerkamp, 06.06.2007
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Laura Epstein, Lester B. Brown: Die aufgabenzentrierte, zeitlich befristete Beratung in der Sozialarbeit. Interact Verlag Hochschule Luzern (Luzern) 2006. 253 Seiten. ISBN 978-3-906413-34-1. 31,00 EUR. CH: 48,00 sFr.
Thema
Soziale Dienste stehen heute vielerorts vor der Frage, wie sie mit nur begrenzten finanziellen und personellen Mitteln dem steigenden Bedarf nach ihren Dienstleistungen begegnen können. Die MitarbeiterInnen dieser Dienste sind an Handlungskonzepten interessiert, die zielgerichtet sind und mit dem Zeitfaktor kontrolliert umgehen, um die Arbeit bewältigen zu können. Aber auch die NutzerInnen solcher Dienste wollen bald Ergebnisse der Arbeit sehen, soll denn ihre Motivation sich nicht vorzeitig erschöpfen.
Hier bietet sich das Konzept der aufgabenzentrierten zeitlich befristeten Beratung (AZB) an, das hier erstmals (wieder!) im deutschsprachigen Raum vermittelt wird
Bereits 1979 haben Reid und Epstein den "taskcentered casework" genannten Ansatz in einer Übersicht dargestellt (William J.Reid, Laura Epstein: Gezielte Kurzzeitbehandlung in der sozialen Einzelhilfe, Freiburg i.Br.: Lambertus, 1979). Das Konzept passte damals wohl nicht unbedingt in die gerade laufende therapeutische Ausrichtung Sozialer Arbeit, weshalb das Buch nicht wieder aufgelegt wurde. Der Ansatz geriet im deutschsprachigen Raum teilweise in Vergessenheit. In den Niederlanden und seit einiger Zeit auch in der Schweiz wird das Konzept dagegen angewendet.
Nachdem sich Sozialarbeit in Deutschland wieder stärker ihren originären Kernbereichen zugewandt hat, wird vermehrt nach Konzepten gesucht, die sich für den Umgang mit Alltagsproblemen eignen, die sich in die unterschiedlichsten Arbeitsbereiche integrieren lassen und die auch die Grenzen dieser Arbeitsfelder kennen und berücksichtigen. Was lässt sich machen und wie lässt es sich machen, sind einige Kernfragen, die in der praktischen Arbeit der Sozialen Dienste von den Klienten gestellt werden und auf die Antworten gesucht werden müssen.
Hier setzt das vorgestellte Konzept der aufgabenzentrierten, zeitlich befristeten Beratung in der Sozialarbeit (AZB) an und zwar auf eine erfrischend andere Art und Weise als das üblicherweise erwartet wird. Nicht Theorie, sondern die Praxis bestimmt die Ausgangslage, von der aus hier ein Konzept in seinen einzelnen Teilen so konkret vorgestellt wird, dass davon viele MitarbeiterInnen in Sozialen Diensten direkt profitieren können.
Das AZB zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
- der Wille des Klienten steht im Zentrum der Beratung
- die Beratungssequenz wird zeitlich befristet
- das AZB ist handlungsorientiert
- das AZB ist fokussiert (auf wenige wichtige Themen)
- das AZB ist zielorientiert.
"Epstein und Brown beschreiben das aufgabenzentrierte Modell als einen Ansatz, der sich auf die Konstruktion von Interventionen konzentriert, die zu einer Verringerung der Auswirkungen eines fokussierten Problems führen" (S. 20).
AutorInnen und Entstehungshintergrund
Laura Epstein und Lester B. Brown stellen in ihrem Buch mit dem Task-Centered-Modell ein Beratungsmodell für die Sozialarbeit vor, das seit seiner Entstehung in Chicago Mitte der siebziger Jahre in den USA eine breite Anwendung gefunden hat. Laura Epstein war Professorin an der Universität von Chicago und zusammen mit William Reid eine Pionierin der aufgabenzentrierten, zeitlich befristeten Beratung. Laura Epstein ist 1996 verstorben. Lester B. Brown ist Professor an der California State University in Long Beach.
William J.Reid und Laura Epstein haben die "Aufgabenzentrierte zeitlich befristete Beratung" zusammen mit Praktikerinnen und Praktikern der Sozialarbeit entwickelt. Man wollte ein effektives und effizientes Praxismodell schaffen. So entstand ein Problemlösungsmodell, das sich an Techniken der Kurzzeitintervention orientiert und wie andere Problemlösungsmodelle (z.B. Case Management) Richtlinien und Handlungsanweisungen für ein zielgerichtetes, geplantes und schrittweises Vorgehen umfasst. Während Case Management vor allem für die Bearbeitung von komplexen Situationen gedacht ist, ist die AZB eher für die Unterstützung von Klientinnen und Klienten bei der Bewältigung von Alltagsproblemen geeignet, d.h. es geht um die Reduzierung von Konflikten zwischen Personen, Unzufriedenheit in sozialen Beziehungen, Schwierigkeiten mit formellen Organisationen oder mit der Ausübung von Rollen, Sorgen oder ungenügenden Ressourcen. Die Wirksamkeit der AZB wurde seither in vielen Untersuchungen nachgewiesen.
Aufbau und Inhalt
Der Originaltext von Epstein und Brown besteht aus drei Teilen, nämlich aus den
- Grundlagen der Kurzzeitintervention,
- aus den Richtlinien für Kurzzeitinterventionen und
- drei Studien zur aufgabenzentrierten Praxis.
Der vorliegende Text beschränkt sich auf die Übersetzung des 2. Teils. Zum besseren Verständnis werden die ersten vier Kapitel von Teil 1 kurz zusammengefasst. Für den 3. Teil wird auf das Original verwiesen.
In ersten Teil wird eine Einführung in die aufgabenzentrierte, zeitlich befristete Beratung gegeben. Die Ausgangslage, die Rahmenbedingungen der Intervention, die Merkmale der Kurzzeitintervention werden kurz dargestellt und das aufgabenzentrierte Modell in einer Übersicht vorgestellt. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf der Darstellung der Richtlinien für die Kurzzeitintervention.
Entsprechend dem vorgestellten Modell werden die Vorgehensweisen in fünf Abschnitten beschrieben.
- Beim "Vorlauf" geht es um die Frage, wie mit Pflichtklienten, die überwiesen/zugewiesen wurden und wie mit Selbstmeldern, also freiwilligen Klienten erste Arbeitsvereinbarungen getroffen werden können.
- Der "erste Schritt" (Problemidentifikation) des Modells beinhaltet Fragen nach der Entscheidung über den Problemschwerpunkt, der Klassifizierung des Problems, den Umgangsmöglichklienten mit unfreiwilligen Klienten und erste Ansätze eines Assessments.
- Im "zweiten Schritt" (Arbeitsvereinbarung) stehen unter dem Stichwort Arbeitsvereinbarung Pläne, Ziele, Aufgaben, zeitliche Befristungen und andere Vereinbarungen im Mittelpunkt.
- Beim "dritten Schritt" (Umsetzung) geht es um die Umsetzung der Planung, die Beschäftigung mit Problemlösung, Assessment, Aufgabenerreichung und Problemreduktion.
- Der abschließende "vierte Schritt" (Abschluss) beschreibt den planmäßigen und unplanmäßigen Abschluss des Vorgehens und beschäftigt sich mit Fragen des "danach".
In einem weiteren Kapiteln werden spezielle Gesprächstechniken in der Kurzzeitintervention vorgestellt und den jeweiligen Schritten des Modells zugeordnet.
In einem abschließenden Kapitel wird diskutiert, wie die aufgabenzentrierte Beratung in konkrete praktische Arbeitsbereiche eingebracht und an die jeweiligen Arbeitsbedingungen angepasst werden kann.
Diskussion
Die in der amerikanischen Methoden-Literatur oft gefundene Möglichkeit, eine Vorgehen als Modell darzustellen und dann diesem Modell die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten für die einzelnen Schritt zuzuordnen macht zweierlei möglich. Erstens wird von vornherein klar, dass es sich dabei um ein offenes Modell handelt, das beständig modifiziert werden kann und zweitens kann man sich der einzelnen dort geschilderten Techniken, Checklisten, Richtlinien usw. auch bedienen, um sie in anderen Zusammenhängen zu nutzen.
Insofern bietet der Text nicht nur eine Einführung in die Arbeitsform der AZB, sondern liefert eine breite Übersicht an Handlungsmöglichkeiten für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Die zusammengetragenen Handlungsmöglichkeiten beruhen einmal auf den Erfahrungen von Fachkräften, die mit diesem Modell arbeiten, werden andererseits aber auch aus anderen Erfahrungs- und Literaturbereichen herangezogen. Insofern liegt ein eklektisches Methodenmodell vor, wie wir es auch von anderen Arbeitsformen her kennen. Auch das Case Management ist schließlich eine Zusammenstellung von bereits erprobten Handlungsmöglichkeiten zur Optimierung eines bestimmten Zweckes.
Gegenüber mancher anderer Methodenliteratur fällt dieser Text dadurch auf, dass er zu den einzelnen Schritten konkrete Handlungsmöglichkeiten vorstellt, Handlungsmöglichkeiten die sich in der Praxis bewährt haben (so z.B. im Kapitel Gesprächstechniken). Die Erfahrungen von vielen Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen werden in dem Text gebündelt und für die einzelnen Schritte nutzbar gemacht. Hinzu kommen die Handreichungen, die aus anderen Arbeitsbereichen entlehnt und für die Sozialarbeit genutzt werden, wie z.B. die Zusammenstellung von Verhandlungsstrategien für die Zusammenarbeit mit anderen Dienststellen. In Tabellenform werden kurze Übersichten über einzelne Handlungsabschnitte gegeben, an denen sich der Leser schnell orientieren kann. Jedes Kapitel enthält eine knappe und übersichtliche Zusammenfassung, durch die man schnell einen Überblick über den gesamt Vorgehensbereich der AZB gewinnen kann. Zusätzlich wird das Vorgehen mit verschiedenen Fallbeispielen konkretisiert.
Hier liegt ein Methodenhandbuch vor, dass einerseits eine gute und praxisnahe Einarbeitung in die AZB ermöglicht, das andererseits aber genauso gelesen werden kann, wie die Autoren selbst andere Literatur gesichtet haben, nämlich als eine Art Handbuch, in dem Handlungsmöglichkeiten beschrieben sind, die sich auch in anderen Zusammenhängen von Sozialarbeit sinnvoll nutzen lassen.
Im Mittelpunkt steht eigentlich immer die pragmatische Frage: was kann ich in welcher Situation wie tun? Dazu werden nicht einzig richtige Handlungsanweisungen geliefert, sondern es werden verschiedene Handlungsmöglichkeiten, die sich bereits als erfolgreich erwiesen haben, benannt. Hieran kann sich der Leser orientieren oder sich von ihnen zur weiteren Entwicklung anregen lassen. Konkrete Fragen sind z.B.:
- Was ist beim Problemfindungsprozeß zu beachten?
- Welche Regeln haben sich für Erfassung von Problemen als hilfreich erweisen?
- Was ist bei der Arbeitsvereinbarung zu beachten und wie konkret müssen Aufgaben entwickelt werden?
- Wie kann der Klient bei der Durchführung der Aufgaben unterstützt werden?
- Welche Hindernisse können bei der Aufgabendurchführung auftauchen und welche Möglichkeiten gibt es für die Überwindung dieser Hindernisse?
- Wie kann die Verbindung des Klienten mit den erforderlichen Ressourcen erfolgen?
Im engeren Sinne enthält das Buch nichts anderes als das, was in kollegialen Gesprächen auch immer mal wieder Thema ist, mit dem Unterschied, dass es darüber keine Aufzeichnungen gibt und deshalb solche Hinweise oft im Augenblick verhaftet bleiben. Es wäre zu wünschen, wenn der Text auch dazu anregt, die eigenen Handlungsformen, Techniken und Checklisten, die man mehr oder weniger bewusst nutzt, genauer zu beschreiben und sie somit reflektierbar aber auch vermittelbar zu machen.
Deshalb kann das Buch allen Fachkräften in der Sozialen Arbeit empfohlen werden, die in ihren unterschiedlichen Arbeitsbereichen vor allem mit Alltagsproblemen von Klienten konfrontiert sind. Sie sollten es als Nachschlagewerk zur Verfügung haben, in dem sie sich neu orientieren können, wenn das eigene Vorgehen ins Stocken geraten sollte.
Fazit
Dieser Text ist insbesondere eine gute Information für Praxisanleiter und Praxisanleiterinnen in der Sozialen Arbeit, an dem beispielhaft deutlich wird, was an Handlungswissen Studierenden und Berufsanfängern vermittelt werden sollte; und in Hochschulen lässt es sich sicherlich gut nutzen, die Reichweite der praktischen Anteile an der Ausbildung zu überprüfen.
Aus dem gleichen Grund ist dieses Buch besonders allen Studierenden und Berufsanfängern zu empfehlen, die über die meist spärlichen praktischen Erfahrungen im Studium hinaus sich ein Handlungskompendium aneignen wollen, dass für die Bewältigung des beruflichen Alltags Erfolg verspricht. Hier sind die Erfahrungen von vielen Fachkräften gesammelt, die in der praktischen Arbeitssituation in dieser Fülle meist nicht abgerufen werden können.
Rezension von
Dipl.Soz.-Arb. Meinolf Westerkamp
Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Sozialarbeit
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