Enrico Seewald, Urs Unkauf: Deutschland und Polen
Rezensiert von Dr. Siegmund Pisarczyk, 15.10.2025
Enrico Seewald, Urs Unkauf: Deutschland und Polen. Die Geschichte der amtlichen Beziehungen. be.bra Verlag (Berlin) 2025. 463 Seiten. ISBN 978-3-95410-303-4. D: 28,00 EUR, A: 28,80 EUR.
Thema
Deutschland und Polen, sind zwei große Länder im Zentrum Europas. Zwei Länder, zwei Kulturen und zwei Nachbar, die immer aufeinander angewiesen waren. Aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, um die Gegenwart gemeinsam zu gestalten – ist ein lohnendes Motto der beiden Ländern. Die Einbindung Deutschland und Polen in die westliche Allianzen (EU und NATO), zeigten die Vorteile der guten bilateralen Zusammenarbeit.
Autoren
Enrico Seewald, Diplom-Politologe, beim Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin zuständig für die Diplomatie der DDR.
Urs Unkauf, M.A., Historiker und Soziologe, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft.
Besonderer Dank gebührt den Autoren für ihre anspruchsvolle Recherche für dieses Buch.
Inhalt
Die Autoren geben Antworten auf folgenden Fragen:
- Wann sind ursprünglich Deutschland und Polen entstanden?
- Wie hat sich die amtliche Zusammenarbeit zwischen diesen Ländern gestaltet?
- Welche Lehre ziehen wir aus der Geschichte?
- Wo liegen die Herausforderungen und Chancen in der Zukunft?
Es ist zu empfehlen an Historiker:innen, Politolog:innen und Sozialwissenschaftler:innen.
Diese Studie besteht aus folgenden Kapiteln:
Kapitel 1 Frühe staatliche Beziehungen (S. 13–18)
Die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen beginnt ungefähr seit dem Jahr 805 nach dem erlassenen Kapitular von König Karl in der Pfalz Diedenhofen an der Mosel für die Missionierung slawischer Völker (vgl. S. 13). Und im Buch des polnischen Außenministers Leon Wasilewski über Osteuropa ist zu lesen, dass der Keim der polnischen Nation der westslawische Stamm der Polanen war (vgl. S. 13) und er habe Ende des 1. Jahrtausends an der Warthe gelebt. Die Orte Gnesen und Posen war Doppelzentrum der Staatsbildung gewesen. Otto I. intensivierte seit 937 die Expansion nach Osten dabei spielte die Christianisierung der Slawen eine wichtige Rolle. Die polnische Geschichte ist mit den Namen Mieszko I. verbunden, und er gilt als der eigentliche Gründer Polens (vgl. S. 15). Die Christianisierung Polens ist von Böhmen ausgegangen (vgl. S. 14). Mieszkos I Sohn Bolesław I. führte die Christianisierung fort (vgl. S. 15). Während der Regierungszeit des Kasimir I (Sohn des Mieszko II) wurde Polen von Herzog Bretislav von Böhmen und Mähren überfallen und erobert, dabei wurden die Orte Posen und Gnesen zerstört (vgl. S. 16). Kasimir verlegte die polnische Hauptstadt aus Gnesen um etwa 1040 nach Krakau (vgl. S. 16–17). Ein Mönch hat Anfang des 12. Jahrhunderts die Geschichte der polnischen Fürsten in „Cronica et gesta ducum sive principum Polonorum“ geschrieben. Dieses Dokument ist die wichtigste „Quelle für die älteste Periode des polnischen Staates“ (vgl. S. 17). 1095 auf dem Konzil von Clermont hat der Papst Urban II dazu aufgerufen, das Heilige Land von der muslimischen Herrschaft zu befreien, dabei wurde jüdischen Gemeinden im Rheinland „drangsaliert“ (vgl. S. 18), „Immigranten aus dem Süden und Westen hätten die ersten jüdischen Siedlungen in Polen gebildet“ (S. 18).
Kapitel 2 Die Zeit der Instabilität (S. 19–25)
Seewald und Unkauf verfolgen mit ihren Analysen systematisch die frühere Entwicklung Polens. Sie betonen die Zeit der Instabilität, z.B. dass der polnische Herzog Kasimir I. die Phase der inneren Instabilität Polens nur mit Hilfen seiner deutschen Verwandten beenden konnte. Der deutsche Ritter Orden spielt in der deutsch-polnischen Geschichte wesentliche Rolle (vgl. S. 20). Des Weiteren wurde berichtet über das Volk der Litauer, als Nachbarn Polens, die sich der Missionierung durch den deutschen Orden widersetzte, aber auch den russischen Fürsten aus dem Osten (vgl. S. 20). Nach der Krönung des Karls IV. im Jahr 1355 zum Kaiser konnte der polnische König Kasimir III. das Land ausbauen und seine Macht zentralisieren, z.B. der Wawel in Krakau wurde zu großer Residenz, 1364 gründete er die Universität Krakau (vgl. S. 22).
Im Jahr 1410 kam es zu einer historischen Schlacht zwischen dem Deutschen Ritterorden und Polen in zusammen mit Litauen bei Tannenberg (polnisch: Grunwald) (vgl. S. 23). Diese Schlacht haben Polen mit Litauen gewonnen. Später hat Kasimir IV. in Polen das parlamentarische System gegründet mit starkem Einfluss des polnischen Adels (vgl. S. 23).
Kapitel 3 Die Anfänge diplomatischer Beziehungen (S. 27–44)
Die Hohenzollernherrscher haben im 16.Jahrhundert die erste deutsche diplomatische Auslandsvertretung in Polen errichtet (S. 27). Die preußisch-polnische Beziehungen waren Zeiten der Unruhen, z.B. „Ein gegen Polen geführte Krieg des Ordens endete mit dem am 5. April 1521 in Thorn geschlossenen vier Jahre gültigen Waffenstillstand“ (S. 27).
Johann Kasimir wurde am 17. Januar 1649 in Krakau gekrönt, sein Reich wurde von mehreren Seiten bedroht, z.B. aus dem Osten durch Russen und aus dem Norden durch Schweden im Jahr 1655, König Carl Gustav strebte nach Dominanz auf der Ostsee. Zudem beabsichtigte er die Weichselmündung zu beherrschen. Zunächst mit Erfolg, Warschau und Krakau haben sich ergeben. Sein Feldzug endete aber vor den Mauern des Klosters von Tschenstochau (vgl. S. 34–35). König Johann III. von Polen rettete 1683 mit seinem Sieg bei Wien Österreich vor der osmanischen Herrschaft (vgl. S. 39). Am 5. Oktober 1733 wurde er in Wola zum König gewählt bzw. am 17. Januar 1774 in Krakau gekrönt (vgl. S. 43).
Kapitel 4 Deutschland und das geteilte Polen (S. 45–96)
Dieses Kapitel beginnt mit einem prägnanten Gedanken über die Aufteilung Polens unter seiner Nachbarn Österreich, Preußen und Russland (vgl. S. 46). Zu der Chronologie gehören folgende Ereignisse: Die erste Teilung Polens war 1772 mit den Beteiligten Russland, Preußen und Österreich, die zweite Teilung 1793 zwischen Preußen und Russland und die dritte Teilung war 1795 mit Teilungsmächten Russland, Preußen und Österreich (vgl. S. 52–60). Die Teilung Polens dauerte bis zum 1807 als Napoleon genehmigte die Verfassung des Herzogtums Warschau (vgl. S. 62). Friedrich III. nahm 1815 seinen Teil des Herzogtums Warschau in Besitz und den größten Teil des Großherzogs von Posen (vgl. S. 65). Am 27. November 1815 unterzeichnete Alexander I. In Warschau die Verfassung,
demnach soll das Königreich Polen auf ewig dem russischen Kaiserreich einverleibt (vgl. S. 68). Am 22. Januar 1863 rief das Zentralkomitee als provisorische Nationalregierung die polnische, litauische und russische Völker zu den Waffen für die Befreiung von der russischen Herrschaft und des Zarismus (vgl. S. 81). 1841 errichteten Leipziger und Chemnitzer Wirtschaftsverbände ein Konsulat für das Königreich Polen in Warschau (vgl. S. 87).
Otto von Bismarck als preußischer Regierungschef war Verfechter einer antipolnischen Politik (vgl. S. 91). Und in Polen agierte Ende des 19. Jahrhunderts die Nationaldemokratische Partei unter der Leitung von Roman Dmowski (vgl. S. 95).
Kapitel 5 Deutschland und Polen im Ersten Weltkrieg (S. 97–136)
Die Autoren zeichnen auch klares Bild von Bismarck, der sich gegen seine Nachbarn in Ost und West ein Militärbündnis mit Österreich-Ungarn und Italien gründete, den sogenannten Dreibund (vgl. S. 97). 1904 bildete Frankreich und Großbritannien die Entente cordiale und 1907 kam Russland dazu. „Polnische Sozialisten und Sozialdemokraten sahen im Kampf gegen Zarismus eine Art Heiligen Krieg (…) Józef Piłsudski ernannte sich zum Kommandeur der polnischen Streitkräfte und begleitete am 6. August 1914 die ersten Einheiten beim Abmarsch aus Krakau vor die Stadt“ (S. 98). Wilhelm II. bestimmte am 24. August 1915, dass aus dem von „deutschen Truppen besetzten Gebieten Polens das Generalgouvernement Warschau gebildet werde“ (S. 104). Am 5. November 1916 erfolgte in Warschau und Lublin die Proklamation des Königreichs Polen (vgl. S. 112). Nach dem Eintritt der USA (1917) in den Krieg änderte sich auch das Kräfteverhältnis zum Vorteil der Entente (vgl. S. 121). Im November 1917 sind in Petersburg die Bolschewiki (eine Partei die 1903 von Lenin gegründet wurde) an die Macht gekommen mit weitreichenden Folgen für den Zarismus (vgl. S. 125 ff.). 1917 wurde das Verhältnis Polen zu den Mittelmächten durch deren Friedensschluss mit der Ukraine schwer belastet (vgl. S. 128–130). Frankreich, Großbritannien und Italien haben am 3. Juni 1918 in Versailles einen unabhängigen polnischen Staat beschlossen (vgl. S. 131).
Kapitel 6 Polen und die Weimarer Republik (S. 137–195)
Dieses Kapitel beginnt mit den markanten Worten „Der Meuterei der Kriegsmarine Anfang November 1918 folgte die Auflösung der monarchischen Ordnung in Deutschland“ (S. 137). Der Übergang von der Monarchie zur Republik hat in Deutschland ohne Zwischenfälle
stattgefunden. Nach der Gründung des unabhängigen polnischen Staates gab es im Osten antisemitische Pogrome (vgl. S. 142). Seit 1918 stellte Polen Ansprüche auf deutsche Gebiete (vgl. S. 144–150). 1919 wurden aufgrund des Friedensvertrages die deutschen Ostgrenzen festgelegt, dabei haben sich die USA, Frankreich, Italien, Großbritannien und Japan beteiligt (vgl. S. 152 ff.). Die Abtretungen der deutschen Gebiete an Polen sorgten nach 1919 für deutsch-polnische politische Differenzen. Der Vertrag von Versailles ist am 10.Januar 1920 in Kraft getreten (vgl. S. 157). Die Freie Stadt Danzig ist nach 1919 zum deutsch-polnisch-preußischen strittigen „Objekt der Begierde“ geworden (vgl. S. 158 ff.). Zu erwähnen ist der polnisch-sowjetische Krieg 1920. Der Vertrag von Rapallo 1922 hat eine fiktive deutsch-russische militärische Vereinbarung realisiert, was Polen als Bedrohung empfunden hat (vgl. 167). Deutschland erlebte 1923 schwere Krisen in Folge des Friedensvertrages als Friedensdiktat zur Wiedergutmachung der Kriegsschäden u.a. durch Sachlieferungen an die Alliierten (vgl. S. 175). Irritierend wirkte die Aussage des Wojciechowski als polnischen Regierungsvertreters in der Posener Messe am 27. April 1924, dass Polen nur als Großmacht bestehen kann (vgl. S. 177). Mäßigend dagegen wirkte am 7. März 1932 die Rede des Rektors Konstanty Michalski der Krakauer Universität in dem er zum 100. Todestag des Johann Wolfgang Goethe sagte: „dass bei der Ehrung des Dichterfürsten alles Trennende und alle Grenzen schwinden müssten, denn die Welt des Geistes kenne keine Grenzen“ (S. 189). Das Ende der Weimarer Republik 1923 war Vorbote des II. Weltkrieges.
Kapitel 7 Polen und das nationalsozialistische Deutschland (S. 197–267)
Joseph Goebbels bezeichnete am 21.Februar 1933 den „…30.Januar 1933 als Epochenwechsel in der deutschen Geschichte“ (S. 198), es ist gemeint worden die Führung der Nationalistischen Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP). Laut dem von Hitler initiierten Aufruf der Parteiführung seien die deutschen Juden für Kritik des Auslands an Deutschland verantwortlich, deshalb seien „in der Partei Aktionskomitees zum Boykott jüdischer Geschäfte, jüdischer Waren, jüdischer Ärzte und Rechtsanwälte zu bilden“ (S. 199) „Laut Gesetz vom 14. Juli 1933 war die NSDAP die einzige politische Partei und der Versuch der Bildung neuer Parteien strafbar“(S. 200). Und nach Auffassung von Francois-Poncert habe Piłsudski die nationalsozialistische Gefahr erkannt und einen eventuellen Präventivkrieg mit Deutschland gewünscht (vgl. S. 201–202). Paul von Hindenburg ist am 2. August 1934 gestorben. Hitler übernahm die Regierungsgeschäfte als Führer und Reichskanzler. Piłsudski starb am 12. Mai 1935 und Hitler schrieb in seinem Kondolenztelegramm „Polen verliert in dem verewigten Marschalls den Schöpfer seines neuen Staates und seinen treuesten Sohn“ (S. 213). Zu erwähnen ist der Antisemitismus in Polen. „Laut Moltkes Bericht über 'Die Judenfrage in Polen' vom 22. Januar 1937 sei sie 'heute eines der brennendsten Probleme der polnischen Politik'“(S. 226). Mit Beginn des II. Weltkrieges am 1. September 1939 ist die polnische Staatsführung geflüchtet, es wurde eine Exilregierung gebildet (vgl. S. 245). Der nationalsozialistische Feldzug in Polen war ein Vernichtungskrieg (vgl. S. 258). Himmler sprach am 4.Oktober 1943 über „die Ausrottung des jüdischen Volkes“ (S. 259). Und Herman Göring hatte Reinhard Heydrich am 31. Juli 1941 mit der „Gesamtlösung der Judenfrage in Europa beauftragt“ (…) „Mordzentren waren Belzec, Sobibor und Treblinka…“ (S. 259). Die Führungen der drei Siegermächte trafen sich im Februar 1945 in Jalta auf der Krim. Stalin wollte den Krieg weiterführen, um Polen auf Kosten Deutschlands im Westen zu entschädigen (vgl. S. 267).
Kapitel 8 Polen und geteiltes Deutschland (S. 269–402)
In diesem umfangreichen Kapitel werden Ereignisse beschrieben, die nach der bedingungslosen Kapitulation der Nazi-Deutschland im Mai 1945 stattgefunden haben, dazu zählen u.a. die Teilung Deutschland in vier Zonen. Die Sowjetunion erhielt die östliche Zone, und die Westzonen wurden den USA, Großbritannien und Frankreich zugewiesen (vgl. S. 269). Im Sommer 1945 trafen sich Churchill, Truman und Stalin, dies wurde als die Begegnung der „Großen Drei“ als Potsdamer Konferenz benannt (vgl. S. 269). Ein Memorandum der polnischen Regierung forderte als Westgrenze die Oder und Lausitzer Neiße, diese natürliche Linie wäre eine Grenze leichter zu verteidigen. Es wurde über Teilung Deutschland und die Grenzen von 1937 entschieden. Am 20. November 1945 wurden bereits mehr als zwei Millionen Deutschen umgesiedelt, an ihre Stelle kamen Polen aus anderen östlichen Gebieten. Die deutschen Bewohner empfanden ihre Vertreibung als Unrecht (vgl. S. 272). Am 8. Mai 1949 wurde in Bonn das „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“ beschlossen und trat am 24. Mai 1949 in Kraft. Walter Ulbricht unternahm im Herbst 1948 eine Reise nach Polen und danach die „Die Grundlagen der deutsch-polnischen Freundschaft“ in der Zeitung des „Neue Deutschland“ veröffentlicht (vgl. S. 278). Wichtig für die DDR war der Verzicht Polens und der Sowjetunion auf weitere Kriegsentschädigungen (vgl. S. 308). Und die ersten amtlichen Kontakte mit Polen der Bundesrepublik gab es auf ökonomischem Gebiet. Konrad Adenauer äußerte am 10. März 1961 in Bonn den Wunsch nach einem guten Verhältnis zu Polen. Es muss betont werden, dass die kirchlichen Beziehungen zwischen Polen und den beiden deutschen Staaten viele Gemeinsamkeiten aufweisen, z.B. den Kult um Hedwig von Schlesien (vgl. S. 354). „Willy Brandt empfing am 29. April 1969 Vertreter der Heimatvertriebenen im Auswärtigen Amt. Er dankte für ihre Arbeit innerhalb und außerhalb ihrer Organisationen, 'die dem Wohl unseres Volkes dient'“ (S. 372). Jozef Cyrankiewicz (Premierminister) und Willy Brandt unterzeichneten am 7. Dezember 1970 in Warschau den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen, der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen“ (S. 384). Und im September 1972 kam auf „…Einladung von Walter Scheel erstmals ein polnischer Außenminister offiziell in die Bundesrepublik“ (S. 391). Hans-Dietrich Genscher äußerte sich 1985 zu Ereignissen in Katyń (ein Ort in Polen indem 25 000 polnische Offiziere am 3. April 1940 auf Erlass des Stalins ermordet wurden), auch er war überzeugt von der sowjetischen Verantwortung für die Morde (vgl. S. 400). 1989 kam die Wiedervereinigung, 1991 zerfiel die Sowjetunion, die Beziehungen zu Polen wurden neu ausgebaut (vgl. S. 402).
Kapitel 9 Polen und das wiedervereinigte Deutschland (S. 403–410)
Dieses Kapitel beginnt mit den Worten: „Das kommunistische Regime hatte die Opposition in Polen nicht besiegen können“ (S. 403). Michail Gorbatschow bemerkte vor einem Treffen mit Hans Modrow am 30.Januar 1990 in Moskau gegenüber der Presse, dass die Vereinigung der Deutschen niemals in Zweifel gezogen werden kann (vgl. S. 404). Und der Verzicht Polens auf Reparationen vom 23.August 1953 für das vereinte Deutschland gültig bleiben, dies wurde auch von Premier Mazowiecki und Bundeskanzler Kohl am 14. November 1989 bestätigt (vgl. S. 405). Tadeusz Mazowiecki gratulierte Helmut Kohl am 3.April 1990 zum 60. Geburtstag und betonte u.a. das Recht des deutschen Volkes auf Selbstbestimmung. Und am 30. August 2005 legten Bundespräsident Hort Köhler und der polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski den Grundstein für den Neubau der deutschen Botschaft in Warschau (vgl. S. 409). Es war ein Beispiel der wachsenden Zusammenarbeit der beiden Länder.
Kapitel 10 Die Anerkennung der polnischen Westgrenze im deutschen Vereinigungsprozess, Markus Meckel (S. 411–423)
Es ist gut, dass ein Ostdeutscher Politiker das Thema der deutsch-polnischen Beziehungen in aller Klarheit formuliert, in dem er schreibt, dass Polen nach dem deutschen Überfall am 1. September 1939 die Hölle erlebt hatte und zwar „… durch Krieg, Besatzung und unvorstellbare Verbrechen starben mehr als fünf Millionen polnische Bürger“ (S. 411). Zugleich muss man erwähnen, dass mehr als 12 Millionen Deutsche vor der Roten Armee geflohen sind und konnten nicht mehr zurück.
Die DDR war 1990 durch die Friedliche Revolution zu einem demokratischen Staat geworden. Die kommunistische DDR hatte die Übernahme der Verantwortung für die Verbrechen des zweiten Weltkrieges immer von sich gewiesen (vgl. S. 413). Nach Meckel „Hätte Polen versucht, auch das Thema von Reparationen neu aufzurollen – ein Thema, an dem auch viele andere Staaten Interesse hatten. Hätte es Singularität der eigenen Rolle gefährdet, nämlich wegen der Grenzfrage und ausschließlich wegen dieser…“ (S. 422). Im Oktober 2023 wurde die PIS als Regierungspartei abgewählt, Donald Tusk wurde zum Ministerpräsidenten gewählt und Polen macht sich zu einem Player in Europa.
Diskussion
Im Geleitwort schreibt Krzysztof Ruchniewicz, Beauftragte des Außenministers der Republik Polen für die polnisch-deutsche gesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit, dass den Verfassern eine Art Karte für die Reise gelungen ist, die von aktiven Persönlichkeiten geprägt ist (vgl. S. 7), dieser Feststellung kann ich nur unterschreiben, es ist gelungene „Zeittafel Geschichte“. Seewalds/Unkaufs Studie ist umfangreich, sie zeigt z.T. die deutsche-polnische Beziehung aus europäischer Sicht. Seit Entstehung der Königreiche in Deutschland und Polen vor mehr als 1000 Jahren gab es strategische und „familiäre durch Einheiraten“ große Verflechtungen, die aus heutiger Sicht „fremd“ erscheinen, aber damals war es „gang und gäbe“, um eigene nationalen Interessen zu schützten. Alle damaligen Königshäuser in Euro waren irgendwie miteinander „verwandt und verbunden“. Dies Buch zeigt die Entstehung des polnischen Staates durch Mieszko I. seit 960 und des deutschen Staates durch Königs Karl im Jahr 800. Es wird über deutsch-polnischen Beziehungen bis zum 2023 berichtet. Das große Symbol des Kniefalls im Warschauer Ghetto vom 7. Dezember 1970, des damaligen deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt muss immer erinnert werden. Es waren Worte des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker vom 20. Januar 1989 zum 75.Geburtstag des Willy Brandts. Die Wiedervereinigung ist ein Glück für Deutschland und Glück für die freie Welt- mit diesen Worten lässt sich diese deutsch-deutsche Entwicklung beschreiben. Die Autoren tragen mit ihrem Buch zum Abbau von Vorurteilen zwischen Deutschland und Polen bei und befördern die freiheitlich-demokratische Integration der Europäischen Union. Deutschland und Polen als zwei große Länder in Mitteleuropa tragen große Verantwortung für die Zukunft Europas. Seit 2023 mit der Wahl des Donald Tusk entwickeln sich noch stärker die deutsch-polnische Beziehungen zum Wohle beider Völker „Der Wiederaufbau der Ukraine und deren Integration in die Europäische Institution sind ein weites Feld für strategische Kooperation“ (S. 423).
Es ist zu empfehlen, dass in der nächsten Ausgabe des Buches jedes Kapitel in polnischer Sprache zu schreiben, dadurch kann auch die polnische Öffentlichkeit von diesem Buch erheblich profitieren.
Fazit
Integrativ zu denken und nach Gemeinsamkeiten und Chancen zwischen Deutschland und Polen zu suchen ist das Verdienst von Seewald und Unkauf. Deutschland und Polen entwickeln Partnerschaften für wirtschaftlichen und kulturellen Austausch und pflegen gemeinsam Solidarität mit der Ukraine. Noch nie waren in der Geschichte die deutsch-polnischen amtlichen Beziehungen so vielversprechend wie heute. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine müssen Polen und Deutschland noch mehr miteinander im Bereich der Verteidigung kooperieren.
Rezension von
Dr. Siegmund Pisarczyk
Diplompädagoge & Nonprofit Manager
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