Manfred Pretis, Silvia Kopp-Sixt: Was ist ICF?
Rezensiert von Prof. Dr. Carsten Rensinghoff, 15.10.2025
Manfred Pretis, Silvia Kopp-Sixt: Was ist ICF? Eine Orientierung für Familien in einfacher Sprache. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2025. 139 Seiten. ISBN 978-3-497-03332-4. D: 19,90 EUR, A: 20,50 EUR.
Thema
Die Publikation übersetzt die Fachsprache der unterschiedlichen Disziplinen (Medizin, Psychologie, Heilpädagogik etc.) in eine gemeinsame Sprache. „Wenn ich im Deutschen vom ‚So-tun-als-ob Spiel‘ spreche (das den Kode ‚d131‘ hat), dann gilt diese Zahl als vereinbarte Abkürzung für alle und in allen Sprachen“ (S. 6 f.). Zur Anwendung kommt hier also die ICF, die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit.
Autor:in
Manfred Pretis ist Heilpädagoge und klinischer Psychologe. An der Medical School Hamburg ist er Professor für Transdisziplinäre Frühförderung.
Silvia Kopp-Sixt leitet als Professorin das Institut für Professionalisierung in der Elementar- und Primarpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Steiermark.
Aufbau
Teil 1: Eine gemeinsame Sprache mit Eltern, Kindern und Fachkräften verwenden
Teil 2: Die wichtigsten Begriffe der ICF in einfacher Sprache
Inhalt
Eine Übersetzung in eine verständliche Sprache ist die ICF. Doch was ist die ICF überhaupt? Hierbei handelt es sich um die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. Damit kann verständlich beschrieben werden, was „ein Mensch mit einem Gesundheitsproblem im Allgemeinen kann oder welche Hilfe benötigt wird, damit er all das machen kann, was alle anderen Menschen im gleichen Alter normalerweise machen“ (S. 10). Der Austausch der Eltern eines Kindes mit Entwicklungsschwierigkeiten mit den verschiedenen Fachkräften kann so auf Augenhöhe stattfinden. Ein wichtiges Kriterium der ICF ist die Teilhabe.
Für die Verständlichkeit ist es wichtig die – wahrscheinlich – unverständlichen Begriffe der ICF einfach zu erklären. Hierbei handelt es sich um die Begriffe Klassifikation und Funktionsfähigkeit: So verstehen wir unter Klassifikation die Begriffe, die zusammenhängen und zusammenfassend in einzelne Gruppen sortiert werden. Unter Funktionsfähigkeit wird das altersentsprechende – regelhafte – Tun verstanden.
Die ICF befasst sich mit den wichtigen Lebenssituationen und Lebensräumen des Menschen – und hier lenken Pretis/Kopp-Sixt die Aufmerksamkeit auf das Kind. Für die ganzheitliche Betrachtung wird hier in fünf Gruppen unterschieden. So werden u.a. die Persönlichkeit und die Vorgeschichte, die verschiedenen Umwelten und der Körper betrachtet. „Wenn Kinder Schwierigkeiten in ihrer Entwicklung oder ein Gesundheitsproblem haben, kann ihnen manchmal die Teilhabe schwerfallen“ (S. 19).
Kompetenzorientiert beschreibt die ICF was ein Kind kann. Hierfür ist zuvorderst das Beobachten notwendig. Das Beobachtete fließt in einem zweiten Schritt in die Beurteilung ein. Der elterliche Negativblick soll auf die Fähigkeiten gerichtet werden.
Für die Förderplanung ist es wichtig ein Gesamtbild zu haben, das aus den Großen 6 der ICF besteht und das sind Gesundheitsvorsorge, Körperfunktion, Körperstrukturen, Aktivitäten/Teilhabe, Umweltfaktoren und personenbezogene Faktoren.
So die Beurteilung zu einem Förderbedarf führt, ist zunächst die Umwelt zu betrachten. Hier gilt es Barrieren abzubauen. „Die Umwelt spielt eine große Rolle. Indem sie förderlich oder hinderlich für die Entwicklung eines Kindes sein kann“ (S. 34).
Im zweiten Teil stellen Manfred Pretis und Silvia Kopp-Sixt sinnvolle Begriffe in einfacher Sprache zusammen, „die ‚im Team um die Familie‘ – und das sind alle, die sich um das Kind bemühen – von allen gemeinsam zu verwenden sind“ (S. 38). Betrachtet werden die:
- Körperfunktionen und -strukturen;
- Teilhabe;
- Umwelt.
Diskussion
Diskussionswürdig ist aus der Perspektive der Disability Studies auf Seite 29 der Verweis auf die Hilfe durch Medikamente und Operationen. Hier wird das individuelle oder medizinische Behinderungsmodell bedient, welches das Leben mit einer Behinderung nicht als alternative Lebensform zu anderen Lebensentwürfen akzeptiert. Es entsteht der Eindruck, dass eine Behinderung unter allen Umständen wegtherapiert werden muss.
In diesem Abschnitt ist der Unterschied zwischen den Formaten leichte Sprache und einfache Sprache aufzuführen. Letzteres ist ja die Grundlage für die besprochene Publikation.
Bei der einfachen Sprache handelt es sich „um eine Sprachform, die konsequent auf die Bedürfnisse der Lesenden ausgerichtet ist“ (Graf 2025). Informationen stehen leicht verständlich zur Verfügung. Ein Fach- oder Expertenwissen ist nicht erforderlich. Die Inhalte sind sprachlich vereinfacht.
Die leichte Sprache zeichnet sich durch einen reduzierten Satzbau, Wortschatz und einem reduzierten Weltwissen aus. Leichte-Sprache-Texte sind darüber hinaus für die AdressatInnen besser lesbar (vgl. Maaßen 2015).
Fazit
Adressiert ist die Publikation an Eltern, Schulkinder, Jugendliche und Fachkräfte, die sich um die Gesundheit und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sorgen. Durch die Verwendung einer einfachen Sprache wird es Eltern, Schulkindern und Jugendlichen ermöglicht mitzureden, da sie verstehen worum es geht. Die einfache Sprache dient auch den Menschen, für die die deutsche Sprache nicht die Muttersprache ist.
Literatur
Graf, Liane (2025): DIN 8581–1 – Einfache Sprache für deutsche Sachtexte. https://www.mt-g.com/de/news/blog/din-8581-1-einfache-sprache-fuer-deutsche-sachtexte#:~:text=Die%20DIN%208581-1%20passt%20die%20sprach%C3 %BCbergreifenden%20Anforderungen%20der,damit%20ein%20deutscher%20Text%20als%20 %E2%80%9Eeinfach%E2%80%9C%20gelten%20kann [abgerufen am 06.10.2025].
Maaß, Christiane (2015): Leichte Sprache. Das Regelbuch. Berlin: LIT Verlag. https://hilpub.uni-hildesheim.de/server/api/core/bitstreams/​7bcd11eb-6ddc-45fa-abc1-ef94baf878f0/​content [abgerufen am 06.10.2025].
Rezension von
Prof. Dr. Carsten Rensinghoff
Hochschullehrer für Heilpädagogik und Inklusive Pädagogik an der DIPLOMA Hochschule
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