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Nurdin Thielemann: Kita-Sozialarbeit

Rezensiert von Prof.*in Dr. Roswitha Gembris, 03.11.2025

Cover Nurdin Thielemann: Kita-Sozialarbeit ISBN 978-3-17-046577-0

Nurdin Thielemann: Kita-Sozialarbeit : Grundlagen, Konturen, Perspektiven. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2025. 246 Seiten. ISBN 978-3-17-046577-0. 32,00 EUR.

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Thema

Kita-Sozialarbeit zählt derzeit zu einem der jüngeren Handlungsfelder der Sozialen Arbeit -Aufgabenfelder und Anliegen der Kita-Sozialarbeit allerdings sind gar nicht so neu: Spätestens seit der Etablierung der Frühpädagogik ist die Aufmerksamkeit an diesem Themenbereich gewachsen. Umso erfreulicher ist es, dass nun mit dem Sammelband „Kita-Sozialarbeit. Grundlagen, Konturen, Perspektiven“,herausgegebenvon Nurdin Thielemann, eine umfangreiche Publikation vorliegt, die zentrale Aspekte die wesentlich für eine qualifizierte Betrachtung sind darstellt. Die Beiträge dieser Themensammlung zielen darauf das sich rasant entwickelnde Handlungsfeld durch Suchbewegungen zu beleuchten um es „besser zu verstehen“ (S. 12). Kita-Sozialarbeit ist derzeit ein wenig beforschtes Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit. In der vorgelegten Themensammlung wird Kita-Sozialarbeit aus multiperspektivischer Sicht bearbeitet. Damit wird zweierlei geleistet: Einerseits werden Entwicklungslinien sowohl auf theoretischer als auch auf praxisbezogener Ebene reflektiert, anderseits werden (sozial)pädagogische und bildungspolitische Potenziale mit Blick auf ihre transformativen Effekte analysiert.

Aufbau und Inhalte

Der 241 Seiten umfassende Sammelband gliedert sich in drei Schwerpunkte:

  • Grundlagen
  • Konturen
  • Perspektiven.

Diesen Schwerpunkten sind insgesamt 18 Beiträge zugeordnet, die sich aus unterschiedlicher Perspektive der Kita-Sozialarbeit annähern. Den Auftakt dazu liefert die Einleitung von Nurdin Thielemann zu Entwicklung(en) und Momentaufnahme(n) der Kita-Sozialarbeit. Dem geht ein Vorwort des Herausgebers im Sinne einer kurzen Bestandsaufnahme voraus. Es folgen weitere Themen beispielsweise von Vanessa Schnorr, die Kita-Sozialarbeit als ein neues Handlungsfeld der Sozialen Arbeit beschreibt und sich dabei auf die Verknüpfung von Einzelfallarbeit und Sozialraumorientierung fokussiert. Victoria Jankowicz stellt in ihrer Fallstudie vor, was passiert, wenn Kita-Sozialarbeit wegfällt. Sie weist auf die großen Unterstützungslücken hin, die für Familien, Kinder und Kita-Teams bei einem solchen Szenario besonders deutlich werden. Lara Irene Wintzer, Jessica Ferber & Ruth Büllesbach untersuchen aus der kinderrechtsorientierten Perspektive die Verhältnisse in Kindertageseinrichtungen und arbeiten die Rolle der Kita-Sozialarbeit als einem effektiven Bestandteil des Kinderschutzes heraus. Michael Görtler & Raingard Knauer stellen Kita-Sozialarbeit vor dem Hintergrund politischer Bildung dar.

Im Folgenden wird auf drei Beiträge (ein Beitrag aus jedem Schwerpunkt) der Themensammlung konkreter eingegangen:

  1. „Kita-Sozialarbeit­ – Zur Konturierung eines sich entwickelnden Handlungsfeldes“ von Nurdin Thielemann, Barbara Lochner, Noreen Naranjos Velazquez, Armin Schneider & Andrea Wiere,
  2. Sozialpädagogische Beratung – Perspektiven der Eltern und der pädagogischen Beratung“ von Elke Reichmann & und Jens Müller und
  3. Ach, so sehen Sie das?“- der systemische Ansatz als Zugang zur Arbeit mit Eltern in der Kita-Sozialarbeit“ von Mandy Model & Johannes Pecht.

Der erstgenannte Beitrag stellt Kita-Sozialarbeit als ein sich entwickelndes Handlungsfeld vor, welches sowohl in ländlichen als auch in städtischen Kindertageseinrichtungen als Antwort auf die Herausforderungen einer sich verändernden Gesellschaft wahrgenommen wird. Die Autor*innen betrachten ihre Auseinandersetzung mit dem Thema als Suchbewegung, die das Handlungsfeld konturieren soll. Dieses geschieht im Spannungsbogen theoretischer und professionspolitischer Fragen, der Zuständigkeiten und gesellschaftlichen Positionierung, der organisationsbezogenen Verortung und mit einem wachen Blick auf gelingende Beziehungsgestaltung zu den Adressat*innen. Ableitend aus den aktuellen Entwicklungen der Kita-Sozialarbeit, – deren Entstehungsort die Praxis ist – benennen die Verfasser*innen drei Begründungszusammenhänge als Diskussionsgrundlage für die Etablierung von Kita-Sozialarbeit: den sozialräumlichen Vernetzungsgedanken, die Lebenslagen und Teilhabechancen von Kindern sowie die Gestaltung des Präventionsauftrages. Diese Ansätze können richtungsweisend sein, um das Handlungsfeld zu skizzieren und ein noch zu bestimmendes Profil zu entwickeln. Dabei ist den Autor*innen ein Miteinander-(Nach)denken wichtig, denn keine Perspektive lässt sich unabhängig betrachten.

Im zweitgenannten Beitrag stellen Elke Reichmann & und Jens Müller ein auf zwei Jahre angelegtes, wissenschaftlich begleitetes Projekt aus zwei Kommunen (Modellstandorte) in Baden-Württemberg vor. Es wurde 2021 mit dem Titel „Sozialpädagogische Beratung in Kindertageseinrichtungen“ gestartet. Anlass waren Beobachtungen, wonach Kinder im schulischen Bereich stärkere Unterstützung benötigen und der Einsatz der Schulsozialarbeit zu spät erfolge. Es wurde je eine zusätzliche Sozialarbeiterin eingestellt, deren Arbeitsbereich losgelöst vom Kita-Alltag die Bereiche Beratung und Unterstützung umfasste. Durch sozialpädagogische Beratung in der Kita soll möglichst frühzeitig ein förderliches Setting geschaffen werden, das Fehlentwicklungen und mögliche Benachteiligungen von Familien und Kindern vorbeugt, indem es die Erziehungskompetenz der Eltern sowie die Beratungskompetenz der Fachkräfte stärkt. Die Ergebnisse dieses Projektes zeigen, dass das Angebot der Kita-Sozialarbeit einen deutlichen Mehrwert gebracht hat. Dieser lässt sich ableiten aus der positiven Wahrnehmung der Kita-Sozialarbeit durch die Eltern, der Aufgeschlossenheit des Kita-Teams in Bezug auf die Kita-Sozialarbeit sowie der guten Zusammenarbeit insbesondere vor dem Hintergrund des von den Fachkräften formulierten Anstiegs des Unterstützungsbedarfs. Aufgrund der positiven Effekte wird eine flächendeckende Verankerung der Kita-Sozialarbeit angestrebt.

Der drittgenannte Beitrag thematisiert die Potenziale systemischen Handelns im Kontext der Kita-Sozialarbeit. Beleuchtet werden insbesondere die neutrale Vermittlerfunktion zwischen Kita und den Familien sowie die Funktionalität des Systems Kita insgesamt. Bezugnehmend auf den Systembegriff von Luhmann verstehen die Autor:innen die Kita als einen Ort vieler Systeme. Model & Pecht machen deutlich, dass nicht nur familiäre Sozialisationsprozess der Kinder, sondern auch professionelle Werte und Normen der pädagogischen Fachkräfte den Alltag in der Kita prägen. Daraus eine Verbindung zwischen familiären und professionellen Sozialisationsprozessen im Rückgriff auf systemisches Denken und Handeln herzustellen, kann dazu beitragen neue Denkweisen/​Perspektiven zu entwickeln. Anhand der systemischen Fallanalyse überführen sie ihre theoretischen Überlegungen in die Praxis und zeigen, dass diese Methode geeignet ist auf der Grundlage systemischer Fragestellungen eine Erweiterung von Handlungsoptionen zu initiieren und Fakten neu zu denken.

Diskussion

Die drei ausführlichen Fachbeiträge sollen exemplarisch für den kompakten empirischen und theoretischen Fundus dieses Sammelbandes stehen. Das dynamische Handlungsfeld Kita-Sozialarbeit in seinen unterschiedlichen Entwicklungslinien sowohl theorie- als auch anwendungsbezogen zu beleuchten, leistet tatsächlich den von allen Autor*innen anvisierten Beitrag zum Verstehen und Gestalten der Kita-Sozialarbeit und das in vielfacher Hinsicht. Verbindendes Element aller Beiträge ist die Erkenntnis: Kita-Sozialarbeit wird gebraucht und – sie hat Potenziale! In der Vielfalt der Zugänge zum Kernthema zeigt sich nicht nur die Einheit der Notwendigkeit Kita-Sozialarbeit voranzutreiben, sondern sie fördert zugleich neue Fragestellungen und Positionen, die mit Blick auf die weitere Entwicklung berücksichtigt werden sollten. Wissenschaftliche Weiterentwicklung, Umsetzungsvarianten und gesellschafts- wie berufspolitischer Positionierungen sind dabei wesentliche Anknüpfungspunkte. Das Werk dient dem Theorie-Praxis-Transfer/​Praxis-Theorie-Transfer und ermutigt Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen sowie am Thema Interessierte sich an den Suchbewegungen für eine gelingende Weiterentwicklung des Handlungsfeldes zu beteiligen.

Fazit

Wir brauchen flächendeckende Kita-Sozialarbeit; sie bringt Gutes voran! Warum das so ist, wird in diesem Sammelband wissenschaftlich, praxisbezogen und berufspolitisch klar begründet.

Rezension von
Prof.*in Dr. Roswitha Gembris
em. Professorin für Soziale Arbeit, Dipl. Sozialpädagogin, M.A. Public Health, promovierte Gesundheitswissenschaftlerin
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Es gibt 1 Rezension von Roswitha Gembris.

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ISSN 2190-9245