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Daniel Süss: Medienpädagogik. Eine Einführung

Rezensiert von Dr. André Czauderna, 07.04.2010

Cover Daniel Süss: Medienpädagogik. Eine Einführung ISBN 978-3-531-13894-7

Daniel Süss: Medienpädagogik. Eine Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2009. 250 Seiten. ISBN 978-3-531-13894-7.
Reihe: Studienbücher zur Kommunikations- und Medienwissenschaft.

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Thema

Das Lehrbuch von Daniel Süss, Claudia Lampert und Christine W. Wijnen gibt eine grundlegende Einführung in das multidisziplinäre Feld der Medienpädagogik. Im Mittelpunkt stehen die zentralen Themen der Medienpädagogik, darunter Mediensozialisation, Medienkompetenz, Medienerziehung und Mediendidaktik. Von anderen einführenden Publikationen zur Medienpädagogik unterscheidet sich der in der Reihe „Studienbücher zur Kommunikations- und Medienwissenschaft“ erschienene Band vor allem in seiner international vergleichenden Perspektive. So werden zum einen über die gesamte Länge des Buches die medienpädagogischen Strömungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz berücksichtigt. Zum anderen wird im Rahmen eines eigenen Kapitels auf Entwicklungen in anderen (auch außereuropäischen) Ländern eingegangen. Mit seiner didaktischen Aufbereitung und überblicksartigen Darstellung medienpädagogischer Dimensionen, Modelle und Theorien richtet sich das Studienbuch vor allem an Studierende (und Praktiker), die sich das Feld der Medienpädagogik erstmalig erschließen und/oder im selbigen nach Orientierung suchen.

Autor und Autorinnen

Der internationale Ansatz der Publikation drückt sich bereits in der Zusammensetzung des Autorentrios aus:

  • Dr. Daniel Süss ist Professor für Medienpsychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Professor ad personam für Publizistikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Mediensozialisation und Medienkompetenz an der Universität Zürich.
  • Dr. Claudia Lampert ist wissenschaftliche Referentin am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg. Sie ist dort zuständig für die Bereiche Mediensozialisation und Gesundheitskommunikation.
  • Dr. Christine W. Wijnen hat an der Universität Salzburg zu international vergleichender Medienpädagogik promoviert. Sie leitet den Bereich Medien(bildungs-)forschung der Aktion Film Salzburg.

Aufbau

Nach einem Vorwort der Autoren gliedert sich das Buch in neun Kapitel:

  1. Einleitung: Zur Relevanz der Medienpädagogik in mediatisierten Gesellschaften
  2. Mediensozialisation: Aufwachsen in mediatisierten Lebenswelten
  3. Ein Blick zurück: Zur Entwicklung der Medienpädagogik im deutschsprachigen Raum
  4. Medienpädagogische Ansätze: Grundhaltungen und ihre Konsequenzen
  5. Medienkompetenz: Bildungsaufgabe und Zielkategorie
  6. Medienerziehung: Herausforderungen und Aufgaben
  7. Mediendidaktik: Lehren und Lernen mit Medien
  8. Medienpädagogik im internationalen Vergleich
  9. Medienpädagogische Arbeitsfelder

Die einzelnen Kapitel sind so gestaltet, dass sie nicht unbedingt der Reihe nach abgehandelt werden müssen, sondern auch unabhängig voneinander studiert werden können. Zur didaktischen Aufbereitung des Buches gehört, dass wichtige Begriffe, Definitionen und Fallbeispiele graphisch hervorgehoben werden. Zum Schluss der einzelnen Kapitel steht jeweils eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte, gefolgt von einigen Fragen (zur Anregung eigener Überlegungen und Diskussionen) sowie Verweisen auf zentrale Publikationen zum jeweiligen Thema. Nach dem neunten Kapitel wird das Buch abgerundet durch ein Literaturverzeichnis, ein Register und einen Anhang (inklusive der Auflistung von Fachgesellschaften, Fachzeitschriften, Institutionen und Informationsquellen sowie dem Abdruck des sog. „Medienpädagogischen Manifestes“).

Inhalt

Das erste Kapitel arbeitet die Relevanz der Medienpädagogik in mediatisierten Gesellschaften heraus und gibt erste Einblicke in den Inhalt der einzelnen Kapitel. Die Rezipienten erhalten damit eine Art Crashkurs in Medienpädagogik, der das Feld absteckt und eine grobe Orientierung ermöglicht. Nebenbei erfahren die Leserinnen und Leser im Rahmen eines kurzen Selbsttestes, ob sie zur Gruppe der „Digital Natives“ gehören, was den Blick schärfen sollte für die Tragweite der medialen Entwicklungen der vergangenen Jahre. Zu bemerken ist, dass die Verfasser des Einführungsbandes Medienpädagogik als multidisziplinäres Feld, nicht – wie andere Autoren – primär als Teildisziplin der Erziehungswissenschaft vorstellen.

Im zweiten Kapitel wird das Thema der Mediensozialisation behandelt. Nach einer Begriffsbestimmung von Mediensozialisation werden drei normative Positionen der Mediensozialisationstheorie herausgearbeitet: die kulturpessimistische, die medieneuphorische und die kritisch-optimistische Position. Es folgen Ausführungen zu Forschungsansätzen und empirischen Befunden. Daraufhin legen die Autoren Basistheorien der Mediensozialisationsforschung aus Entwicklungspsychologie, Soziologie und Kommunikationswissenschaft dar. Schließlich gehen sie vertiefend auf die Rolle der Medien bei der Bewältigung allgemeiner Entwicklungsaufgaben ein und formulieren abschließend die These, dass trotz einiger Risiken bei den meisten Heranwachsenden von einer gelingenden Mediensozialisation auszugehen ist.

Das dritte Kapitel richtet den Blick zurück auf die historische Entwicklung der Medienpädagogik im deutschsprachigen Raum. Erwähnenswert ist die Darstellung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Entwicklungen in BRD, DDR, Österreich und der Schweiz. Im Verlauf des Kapitels lernen die Leserinnen und Leser auch bedeutende Persönlichkeiten der Medienpädagogik, wie z.B. Dieter Baacke und Christian Doelker kennen.

Im Mittelpunkt des vierten Kapitels steht die Vorstellung medienpädagogischer Positionen im Sinne von Paradigmen oder Grundhaltungen, die auf unterschiedlichen Grundannahmen zum Verhältnis von Medien und ihren Rezipienten aufbauen. Die folgenden fünf Ansätze werden unterschieden: (1.) bewahrpädagogische Konzepte, (2.) reparierpädagogische Konzepte, (3.) aufklärende Konzepte, (4.) alltagsorientierte, reflexive Konzepte, und (5.) handlungsorientierte, partizipatorische Konzepte.

Das fünfte Kapitel befasst sich mit dem zentralen Konzept der Medienkompetenz, welche als Zielkategorie pädagogischen Handelns und Aufgabe lebenslangen Lernens angesehen wird. Nach einer Darstellung der theoretischen Wurzeln des Medienkompetenzbegriffs und dessen Verhältnis zu den Begriffen Medienbildung und Medienmündigkeit, werden verschiedene Medienkompetenzdefinitionen vor allem in Hinblick auf ihre Dimensionen gegenübergestellt. Etwas ausführlicher (aber dennoch knapp) wird auf die Ansätze von Christian Doelker und Dieter Baacke eingegangen. Darüber hinaus werden Ausführungen zur Notwendigkeit neuer Kompetenzen für den kompetenten Umgang mit neuen Medienangeboten (wie z.B. Web 2.0-Angeboten), zur empirischen Untersuchung von Medienkompetenz sowie zur Vermittlung von Medienkompetenz vorgelegt. Das Kapitel wird abgerundet durch einen Abschnitt zur medienpädagogischen Kompetenz auf Seiten der Pädagogen.

Im Zentrum des sechsten Kapitels, das sich über weite Strecken auf Dieter Spanhel und Ulrike Six beruft, steht die Beschäftigung mit Medienerziehung in den Bereichen Familie, Kindergarten, Schule und außerschulische Praxis.

Im siebten Kapitel führt das Lehrbuch ein in die Mediendidaktik, dem Lehren und Lernen mit Medien. Vorgestellt werden u.a. verschiedene mediendidaktische Konzepte (Lehrmittelkonzept, Arbeitsmittelkonzept, Bausteinkonzept, Systemkonzept und Lernumgebungskonzept) sowie die lerntheoretischen Perspektiven der Mediendidaktik (behavioristischer, kognitivistischer, konstruktivistischer und pragmatischer Ansatz, sowie Konnektivismus). Die folgende Darstellung der konkreten Umsetzung von Mediendidaktik setzt den Schwerpunkt auf den Einsatz digitaler Medien in Lehr-/Lernkontexten. Behandelt werden Computer- und Videospiele sowie Web 2.0-Angebote (im Einzelnen: Podcasts, Wikis und Weblogs).

Das achte Kapitel beschreibt und vergleicht Medienpädagogik in verschiedenen europäischen Ländern, den USA, Lateinamerika und Japan. Die Autoren sehen es als bereichernd an, „auch einmal einen Blick über den eigenen Tellerrand zu wagen und in fremden medienpädagogischen Gefilden nach neuen Ideen oder anderen Blickwinkeln auf ähnliche Probleme zu stöbern“ (S. 191). Zum Schluss des Kapitels gehen sie zudem auf internationalen Austausch und grenzübergreifende europäische Programme ein.

Wie schon das achte Kapitel beschäftigt sich auch das neunte Kapitel mit einem Thema, welches nicht in jeder Einführung in die Medienpädagogik eine Rolle spielt, und zwar, mit den möglichen Arbeitsfeldern von Medienpädagogen. Neben einer Vorstellung der medienpädagogischen Arbeitsfelder (wie z.B. die universitäre und außeruniversitäre Forschung sowie die praktische Medienarbeit) enthält das Kapitel Informationen zur Ausbildung für medienpädagogische Berufe.

Diskussion

Die Lektüre des Lehrbuches von Süss, Lampert und Wijnen sei all jenen empfohlen, die sich einen systematischen Überblick über das multidisziplinäre Feld der Medienpädagogik verschaffen möchten. Hierzu dürften vor allem Studierende der Erziehungswissenschaft, der Kommunikationswissenschaft sowie der Psychologie gehören. Wenngleich der Begriff von Medienpädagogik, wie er im Rahmen der Ausbildung von Sozialpädagogen an Fachhochschule verstanden wird, über den im Buch verwendeten Begriff hinausgeht, d.h. auch Ausdrucks- und Kommunikationsmedien (wie z.B. Kunst und Musik) miteinschließt, eignet sich der Band u.a. aufgrund seiner Verbindung von medienpädagogischer Forschung und Praxis im besonderen Maße für Studierende der Sozialpädagogik. Darüber hinaus könnte das Buch Pädagoginnen und Pädagogen, die schon in der medienpädagogischen Praxis tätig sind, aber Medienpädagogik nie studiert haben, bei der Begründung ihrer eigenen Arbeit weiterhelfen.

Die didaktische Gestaltung des Buches, die sich z.B. in der graphischen Hervorhebung von Definitionen oder den anregenden Fragen am Schluss der Kapitel ausdrückt, dürfte bei vielen Leserinnen und Lesern auf positives Echo stoßen. Wer eine Didaktisierung von Fachbüchern als überflüssig erachtet, sollte allerdings lieber einen anderen Einführungsband zur Hand nehmen.

Besonders hervorzuheben ist der international vergleichende Ansatz der Publikation, der einen Blick über den eigenen Tellerrand anbietet, sowie das Kapitel über die medienpädagogischen Arbeitsfelder. Letzteres nimmt die Leser als potentielle Mitglieder der medienpädagogischen „Community of Practice“ wahr und ermöglicht somit insbesondere Studierenden die Konstruktion einer Zukunft in medienpädagogischen Arbeitsfeldern, was nicht zuletzt zur Identifikation mit den im Rahmen des Buches vorgetragenen Lerninhalten beitragen könnte.

Obwohl der Standpunkt der Autoren, der z.B. eine Affinität zum Ansatz von Christian Doelker beinhaltet, nicht im Verborgenen bleibt, gelingt es ihnen, eine Vielfalt an Blickwinkeln zu integrieren. Es liegt in der Natur der Sache, dass andere Autoren an der einen oder anderen Stelle noch einmal andere Schwerpunkte gesetzt hätten. So hätte z.B. im Abschnitt zur Nutzung der Medien zur Bewältigung allgemeiner Entwicklungsaufgaben noch auf den Ansatz der strukturanalytischen Rezeptionsforschung eingegangen werden können, der für die Entwicklung medienpädagogischer Forschung im deutschsprachigen Raum nicht unwichtig war. Aus Sicht des Rezensenten wäre (in Anbetracht der internationalen Perspektive des Buches) zudem eine Integration der Arbeiten von Autoren wie James Paul Gee, Constance Steinkuehler und Kurt Squire wünschenswert gewesen, die sich in den vergangenen Jahren sowohl theoretisch als auch empirisch mit dem Lernpotential von Computer- und Videospielen (unter Berücksichtigung ihrer crossmedialen Einbettung) beschäftigt haben und u.a. mit ihrem Bezug zu soziokulturellen Lerntheorien der deutschsprachigen Medienpädagogik wertvolle Impulse verleihen können.

Fazit

Das klar strukturierte und gut geschriebene Lehrbuch von Süss, Lampert und Wijnen stellt einen wichtigen Beitrag zur medienpädagogischen Literatur dar, da es Einsteigern einen Überblick über die gesamte Breite des Feldes ermöglicht. Dies ist für die hochschulische Medienpädagogik insofern von besonderer Bedeutung, als das Fach in vielen Fällen (wie z.B. in der Ausbildung von Sozialpädagogen) nur einen kleinen Teil des jeweiligen Studiums ausmacht, was bei individuellen Zugängen der Lehrenden und thematisch spezialisierten Seminaren im Hochschulalltag auf Seiten der Lernenden einhergehen kann mit einem Mangel an Überblick. Die Leserinnen und Leser des Einführungsbandes lernen neben wichtigen medienpädagogischen Konzepten (wie z.B. Mediensozialisation und Medienkompetenz) auch andere Orientierungspunkte des Feldes, wie z.B. Autoren, Institutionen und Arbeitsfelder kennen. So werden sie im besten Sinne eingeführt in die semiotische Domäne der medienpädagogischen „Community of Practice“. Das vertiefende Studium von Fachzeitschriften, Sammelbänden, Handbüchern und Monographien kann (und will) das Lehrbuch allerdings nicht ersetzen.

Rezension von
Dr. André Czauderna
M.A.
Technische Hochschule Köln
Cologne Game Lab
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Es gibt 3 Rezensionen von André Czauderna.

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ISSN 2190-9245