Claude-Hélène Mayer, Christian Martin Boness: Interkulturelle Mediation und Konfliktbearbeitung. Bausteine deutsch-afrikanischer Wirklichkeiten
Rezensiert von Prof. Dr. Walter Eberlei, 13.10.2007

Claude-Hélène Mayer, Christian Martin Boness: Interkulturelle Mediation und Konfliktbearbeitung. Bausteine deutsch-afrikanischer Wirklichkeiten. Waxmann Verlag (Münster/New York/München/Berlin) 2004. 184 Seiten. ISBN 978-3-8309-1382-5. 24,90 EUR.
Thema
Die Globalisierung nicht nur der Wirtschaft oder der Politik, sondern aller Lebensbereiche führt im 21. Jahrhundert zu einer nie gekannten Verdichtung menschlicher Beziehungen über alte staatliche, gesellschaftliche, kulturelle Grenzen hinweg. Berufliche Kooperationen oder geschäftliche Kontakte mit Menschen aus anderen Kulturkreisen waren vor einer Generation noch die Ausnahme, sie sind heute für viele Menschen an der Tagesordnung. Zwangsläufig führt dies auch zu einer Zunahme von Konflikten, deren Ursachen, Verlauf und potenzielle Lösung ohne ein Verständnis kultureller Prägungen der Beteiligten kaum denkbar erscheint. All dies ist keine neue Erkenntnis. In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind eine Vielzahl von Büchern erschienen, die wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu diesen Fragen präsentieren (vgl. aus jüngster Zeit z.B. Hofstede 2006 oder Fischer et al 2006) oder auch ganz praktisch als Ratgeber für "interkulturelle Zusammenarbeit" konzipiert sind.
Der hier besprochene Band gehört in diesen Kontext und bearbeitet eine spezifische Lücke: Es geht um Konflikte und Konfliktlösungsmechanismen bei interkulturellen Begegnungen zwischen Menschen aus deutsch/europäischen sowie afrikanischen Kulturräumen, insbesondere um Ansätze der Mediation von Konflikten (d.h. Vermittlung Dritter zur Lösung von Konflikten). Die Erfahrungen und Forschungsarbeiten der beiden Autoren beziehen sich dabei spezifisch auf Ostafrika (v.a. Tansania) und Südafrika.
Aufbau und Kerninhalte
Das Buch hat, neben Einleitung und "Ausblick", fünf Hauptkapitel.
- Kapitel 2 erläutert
wichtige begriffliche Grundlagen (Kultur, Interkulturalität, Konflikt).
- Kapitel 3 führt in das Thema Mediation im westlichen Kontext ein. Es erläutert die Grundgedanken und Prinzipien von Mediation, den Mediationsprozess, die Techniken der Mediation und reflektiert über die Rolle der/des Mediatorin/Mediators. Das umfangreiche
- Kapitel 4 widmet sich dem Thema Mediation in interkulturellen Kontexten. Insbesondere werden Herausforderungen in interkulturellen Mediationssituationen dargelegt.
- Kapitel 5 bildet das Herzstück des Buches. Es behandelt Ansätze von Mediationen in deutsch-afrikanischen Interaktionen. Kulturdimensionen und kulturelle Orientierungen im südlichen Afrika werden vorgestellt, altafrikanische Ansätze der Mediation diskutiert, typische Konfliktsituationen zwischen Deutschen und Afrikanern behandelt und eben Ansätze von Mediation in deutsch-afrikanischen Konfliktlagen erörtert.
- Das Kapitel 6 schließlich skizziert Trainingsmöglichkeiten für den Erwerb mediationsbezogener interkultureller Kompetenz.
Die Autoren verfolgen die Absicht, nicht einfach die Ansätze von Mediation aus westlichen Kontexten in Konflikten zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen anzuwenden, sondern nach Synergieeffekten zwischen Formen westlicher Mediation und den Formen von Mediation in dem jeweils anderen Kulturkreis zu suchen, hier also nach ursprünglichen und weiterhin praktizierten afrikanischen Mediationsformen (die "alt-afrikanisch" genannt werden). Diese Synergieeffekte werden nicht nur als besondere Chance für erfolgreiche Vermittlungsansätze gesehen, sondern geradezu als Voraussetzung für ihren Erfolg. Diese Einsicht und die sich daraus ergebenden Konsequenzen sollen insbesondere in die Praxis transferiert werden. Das heißt, das Buch wendet sich an Menschen, die sich auf die Mediation von Konflikten vorbereiten wollen (z.B. in der Ausbildung zu MediatorInnen oder auch als autodidaktische Schulung von Fach- und Führungskräften).
Diskussion
Dort, wo sich das Buch auf konkrete afrikanisch-deutsche Interaktionen bezieht, leistet es einen wichtigen Beitrag zur Bearbeitung des Themenfeldes. Dies geschieht aber leider nur in einem Teil der 180 Seiten umfassenden Publikation, genau genommen: eigentlich nur in Kapitel 5. Die 50 Seiten dieses Kapitels sind lesenswert und bereichernd. Dazu gleich mehr. Die restlichen Kapitel bilden einen zu umfangreichen und gelegentlich doch sehr mühsam zu lesenden Rahmen, der im Großen und Ganzen das wiederholt, was in anderen Publikationen über die Themen Kultur, Interkulturelle Kommunikation usw. erarbeitet wurde (z.B. von Geert Hofstede), für die spezifische Bearbeitung des Anliegens deutsch-afrikanischer Interaktionen aber in dieser Ausführlichkeit verzichtbar sind. Die ersten 90 Seiten des Buches wären besser durch eine 20 Seiten umfassende, theoretisch fundierte Einleitung ersetzt worden. Das hätte auch der Stringenz der Argumentationsführung und der Vermeidung von Redundanzen gut getan.
Das interessante Kapitel 5 - "Mediationen in deutsch-afrikanischen Interaktionen" (S.95-144) - hätte dagegen durchaus noch ausführlicher und detaillierter gestaltet werden können. Eine "Einführung in die Kulturdimensionen des Südlichen Afrika" auf zweieinhalb Seiten (95-98) ist schon arg knapp, die Aussagen sind entsprechend oberflächlich. Dass, um nur ein Bespiel zu nennen, Ostafrika "eher feminine Kommunikationsstrukturen" aufweist, bedarf einer ausführlichen Erläuterung und Begründung (auch wenn sich die Autoren mit ihrer Aussage an Hofstede anlehnen). Dass dies mal eben so - "mutatis mutandis" - auch auf die Länder des Südlichen Afrika übertragen wird, ist ebenfalls durch mehr zu erklären als die Tatsache, "dass in den Ländern der subsaharischen Großregion 70-90 Prozent bantustämmige Menschen leben" (98). Dies ist schon bezogen auf die regionale Abgrenzung zu ungenau. Die "subsaharische Großregion" umfasst nicht nur Ostafrika und das südliche Afrika (mit dem ganz besonderen Fall Südafrika), sondern z.B. auch die Gesellschaften Westafrikas (mit so unterschiedlichen Gesellschaften wie die Ghanas und Malis, Nigerias und Senegals). Wesentlicher aber noch ist die Frage, wie sich die sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Prozesse in diesen Ländern auf kulturelle Prägungen auswirken. Die offensichtlichen "Diparitäten" als zwar "nicht unerheblich", aber gleichwohl als "sekundär" zu bezeichnen (98) und damit letztlich ganz Afrika kulturell in eine Schublade zu stecken, ist eine äußerst gewagte These, die einer ausführlichen Begründung bedurft hätte.
Darin spiegelt sich ein grundlegendes Problem des Buches. Zwar problematisieren die Autoren schon im Vorwort die Kategorien "der" Deutschen und "der" Afrikaner. Letztlich lösen sie sich aber nicht davon. Sie werden damit den komplexen gesellschaftlich-kulturellen Entwicklungen in Afrika nicht gerecht. Die erfolgreiche schwarze Managerin in Johannesburg hat so viel mit dem Kleinbauern am Kilimandscharo zu tun wie ein Münchener Yuppie aus der Medienbranche mit einem Viehzüchter in Mecklenburg-Pommern oder einem türkisch-stämmigen arbeitslosen Schlosser in Duisburg-Nord. Es wäre gut gewesen, sich einerseits etwas zu bescheiden (und sich ausschließlich auf zwei Länder, z.B. Tansania und Südafrika, zu beziehen) und diese Länder dann andererseits ausführlich und mit vielen konkreten Beispielen aus der Praxis zu illustrieren. Gemeinsamkeiten, aber auch wesentliche Unterschiede, wären sichtbar geworden. Differenzierungen - z.B. nach Geschlechtern, Lebensort: Stadt / Land, Bildungsstand, ethnischen Hintergründen, Integration in den formalen Wirtschaftsprozess usw. usw. - würden der Diskussion über je angemessene Formen interkultureller Kommunikation dienlich sein.
Fazit
Trotz einiger kritischer Anmerkungen bleibt das Kapitel 5 für Leserinnen und Leser nützlich, die sich ganz praktisch mit möglichen Schwierigkeiten bei deutsch-afrikanischen Interaktionen befassen wollen bzw. mediative Lösungen für interkulturelle Konfliktlagen suchen. Zahlreiche potenzielle Stolpersteine für die Kommunikation von Menschen aus afrikanischen und europäischen Kulturräumen sind beschrieben und zumindest kurz erläutert. Wer jeglichen stereotypisierenden Umgang mit diesen Informationen vermeidet, findet eine Reihe von hilfreichen Hinweisen für die Praxis.
Literatur
- Fischer, Veronika u.a. (Hg.) (2006): Interkulturelle Kompetenz. Fortbildung - Transfer - Organisationsentwicklung. Schwalbach/Ts., 2. Auflage
- Hofstede, Geert und Gert Jan (2006): Lokales Denken, globales Handeln. Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management. München, 3. Auflage
Rezension von
Prof. Dr. Walter Eberlei
Hochschule Düsseldorf (HSD)
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