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Heinz Reinders: Qualitative Interviews mit Jugendlichen führen. Ein Leitfaden

Rezensiert von Prof. Dr. Joachim König, 07.03.2006

Cover Heinz Reinders: Qualitative Interviews mit Jugendlichen führen. Ein Leitfaden ISBN 978-3-486-57837-9

Heinz Reinders: Qualitative Interviews mit Jugendlichen führen. Ein Leitfaden. Oldenbourg Verlag (München) 2005. 287 Seiten. ISBN 978-3-486-57837-9. 29,80 EUR.

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Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-11-047054-3 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.

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Hintergrund und Funktion des Buches

Dieses Buch ist in jeder Hinsicht klar. So untermauert schon der erste Eindruck beim Durchblättern das, was der Autor beabsichtigt: Es soll Wissenschaftler, Studierende und Fachkräfte als Leitfaden dabei unterstützen, qualitative Interviews mit Jugendlichen zu führen. Und genau dazu ist es auch hervorragend geeignet. Es macht nämlich deutlich,

  • was qualitatives Forschen grundsätzlich bedeutet,
  • wie sich solche Grundannahmen auf den Forschungsprozess auswirken,
  • nach welchen Schritten ein solcher Prozess organisiert werden kann und
  • was dabei jeweils im Detail zu beachten ist.

Dieses Buch motiviert. Es lädt ein und hilft dabei zu überzeugen, dass qualitative Interviews, etwa in der Jugendhilfe, ein ganz wichtiges Instrument darstellen, um neben den „harten“ Strukturdaten auch eher „weiche“ (nichts desto trotz aber valide) Informationen über den Prozess und die Ergebnisse der pädagogischen Arbeit selbst gewinnen und diese z.B. in die Diskussion um die Qualität solcher Arbeitsfelder mit einbringen zu können.

Inhaltliche Einblicke in das Buch

Sinnvoller Weise und jederzeit nachvollziehbar geht der Autor bei diesem Anliegen in drei Schritten vor:

  1. In einem ersten Teil werden Grundlagen gelegt. Der Symbolische Interaktionismus dient dabei als theoretische Basis, aus der sich die Prinzipien der „Offenheit“, der „Prozesshaftigkeit“ und der „Kommunikation“ ableiten. Das idealtypische Design qualitativer Forschungsprozesse macht darauf aufbauend deutlich, wie sich diese Prinzipien dann in Planung und Durchführung von Interviews konkretisieren. Anhand von kurz dargestellten Studien zeigt der Autor dann exemplarisch, wie die praktische Umsetzung funktionieren kann und vor allem, welchen Ertrag dieser gesamte Aufwand (und der ist natürlich nicht unerheblich) haben kann: Nämlich Erkenntnisse zu gewinnen etwa über Typen jugendlicher Entwicklungswege, über die verschiedenen Arten von Entwicklungsnormen unter Jugendlichen, über Wertewandel und Lernmotivation bei Jugendlichen oder auch über die Entstehung, Gestalt und Auswirkungen interethnischer Freundschaften unter Jugendlichen.
  2. Der zweite große Abschnitt des Buches widmet sich der Planung solcher Interviews. Auf 85 Seiten gelingt es hier, alle wichtigen Arbeitsschritte, nämlich die Formulierung der Fragstellung, die Festlegung der Interviewmethode, die Auswahl der Stichprobe und schließlich das Erstellen des Interviewleitfadens selbst, übersichtlich und immer gut mit Beispielen und praktischen Hinweisen unterstützt, darzustellen. Auch die direkten und teilweise kommentierten Verweise auf jeweils weiter führende Literatur können den LeserInnen helfen, selbst über die „Eintauchtiefe“ in das jeweilige Thema der einzelnen Kapitel zu entscheiden.
  3. Im dritten Abschnitt schließlich steht die Durchführung der Interviews im Mittelpunkt. Auch hier merkt man, dass der Autor weiß, wovon er spricht. Zunächst werden alle Fragen geklärt, die bei der Kontaktaufnahme mit den Interviewpersonen und bei der Vorbereitung der Interviewsituation zu beachten sind. Dann liegt das Augenmerk auf allen wichtigen Überlegungen, die im Verlauf des Interviews selbst relevant sind. Den Problemen und Fehlern, die auftauchen  bzw. gemacht werden können, widmet sich ein eigenes Kapitel - sinnvoller Weise, denn besonders hier steckt der Teufel im Detail. Den Abschluss dieses Teils bildet dann die Frage nach den geeigneten Methoden der Aufbereitung, also der Transskription von Interviews. Natürlich wird einem spätestens hier klar, welcher Aufwand sich hinter einem solchen Vorhaben verbergen kann. Und man beginnt zu ahnen, dass die Arbeit - obwohl das Buch an der Stelle endet - jetzt erst so richtig los geht: nämlich mit der Auswertung und Verwertung der Daten. Aber gerade deswegen sind ja alle Hinweise im Hinblick auf eine möglichst effiziente Vorgehensweise auch besonders dienlich.

Diskussion

Trotz des überwiegend positiven Eindrucks - oder gerade deswegen - ist es schade, dass es sich eigentlich nur um ein halbes Buch handelt, da der Bereich der Auswertung der Interviewdaten völlig ausgeklammert wird. Und obwohl der Autor diese Entscheidung auch begründet, bleibt sie aus zwei Gründen problematisch:

  1. Entscheidungen über Auswertungsfragen sollten bei der Planung einer Untersuchung immer schon mitbedacht werden, zumal - wie bereits erwähnt - der Aufwand, gerade bei Inhaltsanalysen beträchtlich ist. Und:
  2. Die Verwertungsstrategien sollten auch immer schon zu Beginn bedacht und mit geplant werden. Denn daran misst sich ja schließlich der Erfolg solcher Untersuchungen: Nämlich, wie gut es gelingt, die Ergebnisse in die Praxis zurückzubinden, um dort sinnvolle, weiter führende Entscheidungen treffen und valide Aussagen über diese Praxis und ihre Qualitäten treffen zu können.

Und dazu ermuntert das Buch ja gerade: Gesichertes und differenziertes Wissen auch über diejenigen zu generieren, für die die Praxis der Sozialen Arbeit Verantwortung trägt. Bleibt also zu hoffen und zu wünschen, dass der zweite Teil dieses Buches nicht lange auf sich warten lässt.

Fazit

Es macht Spaß mit diesem Lehrbuch zu arbeiten: Es ist handwerklich gut gemacht und - von einigen kleinen Fehlern, für die aber eher das kaum mehr existente Lektorat in den Verlagen verantwortlich zu sein scheint, abgesehen - auch optisch ansprechend. Es enthält in allen Teilen gut sortierte und klar aufbereitete, illustrierende Materialien, Hinweise auf weiter führende Literatur und auf eigene Web-Seiten mit zusätzlichen Informationen sowie ein brauchbares Namensregister. Und es ist gelungen, mit Merksätzen und in knappen Zusammenfassungen nach jedem Kapitel, jeweils das zu bündeln und zu fokussieren, worauf es besonders ankommt.

Rezension von
Prof. Dr. Joachim König
Evangelische Hochschule Nürnberg
Allgemeine Pädagogik & Empirische Sozialforschung
Leiter des Instituts für Praxisforschung und Evaluation
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Es gibt 26 Rezensionen von Joachim König.

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Zitiervorschlag
Joachim König. Rezension vom 07.03.2006 zu: Heinz Reinders: Qualitative Interviews mit Jugendlichen führen. Ein Leitfaden. Oldenbourg Verlag (München) 2005. ISBN 978-3-486-57837-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/3519.php, Datum des Zugriffs 14.09.2024.


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