Matthias Burisch: Das Burnout-Syndrom. Theorie der inneren Erschöpfung
Rezensiert von Prof. Dr. Werner Reiners-Kröncke, 07.03.2006

Matthias Burisch: Das Burnout-Syndrom. Theorie der inneren Erschöpfung. Springer (Berlin) 2006. 3., überarbeitete Auflage. 305 Seiten. ISBN 978-3-540-23718-1. 27,95 EUR. CH: 48,00 sFr.
Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-642-12328-3 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.
Einführung
Das Burnout-Syndrom, ein Erschöpfungszustand der sich (meist) langsam entwickelt, wird besonders in helfenden, erziehenden, dienstleistenden und kreativen Berufen diskutiert. Das Buch ist für Betroffene und interessierte (Sozial-)Wissenschaftler geschrieben, wobei den Betroffenen keine direkte Lebenshilfe, aber doch Orientierung über das "Wie" und mögliche Hilfen in welcher Form und an welcher Stelle gegeben wird. Trotz dieser vom Autor vorgenommen Einschränkung bietet es zahlreiche Hinweise und auch Hilfen für das eigenen Erleben und Tun (z. B. S. 259 = "Antreiber"-Abwehr).
Entstehungshintergrund
Der Autor betrachtet das Phänomen "Burnout" und benachbarte Forschungsergebnisse auf dem Hintergrund eigener, über mehr als 15 Jahre zurückreichender (Berufs-)Erfahrung, die durch praktische und theoretische Arbeit "gefüllt" ist.
Aufbau und Inhalt
Das Buch führt von einer sehr differenzierten, immer präziser werdenden Definition über "Anleihen bei benachbarten Forschungsergebnissen" zu einem eigenen, integrierenden Burnout-Modell. Auswege aus dem burnout-Syndrom und Hinweise auf verschiedene Hilfen, einschl. einer kurzen Beschreibung und subjektiven Bewertung, runden die Schrift ab.
- Das Kapitel 1 "Definitorische Eingrenzung" liefert Zustands- und Prozessdefinitionen sowie unter der Überschrift "Symptomatologie" einen Überblick über oft betroffene Berufsgruppen, die Burnout-Symptomatik, einen differenzierten Phasenverlauf der "Erkrankung" und Hinweise auf die Messung des Phänomens (wobei dem Leser in der Schrift selber leider keine Messverfahren angeboten werden). Der Punkt "1.4 Ätiologie" stellt zahlreiche und die am häufigsten diskutierten Erklärungsmodelle vor, in denen der aufmerksame (betroffene) Leser sich selber an der einen oder anderen Stelle "finden" wird. So werden schon hier Hinweise für eine (Eigen-)Diagnose und mögliche Auswege gegeben.
- Im nachfolgenden Kapitel "Anleihen bei benachbarten Forschungsgebieten" wird in erfreulicher Weise nicht nur auf die Stressforschung eingegangen, sondern es werden auch der Kontrollverlust, die Hilflosigkeit sowie Frustrationserlebnisse angesprochen und in ihrer Bedeutung für das Burnout-Syndrom beschrieben. Psychosomatische Beschwerden und Krankheitsbilder, Theorien zur Arbeits(un)zufriedenheit sowie, besonders hervorzuheben, subjektives Wohlbefinden und Imagination werden abschließend ausgeführt. Auch hier findet der Leser Hinweise auf sich selber.
- Das Kapitel 3 "Ein integrierendes Burnout-Modell" darf als der eigentliche Schwerpunkt und auch als der "Höhepunkt" des Buches angesehen werden. Auf dem Hintergrund der Fragestellungen, ob eine allgemeingültige Burnout-Theorie überhaupt möglich und der Forschungsstand ausreichend ist, geht der Autor auf Fragen der Autonomie und des Stresses, auf Konflikte und Anreiz(e)-landschaften, auf (kritische) Handlungen, Störungen sowie Episoden des Ausbrennens differenziert und umfassend ein. Ein Fallbeispiel (Bournout einer Krankenschwester) sowie Aussagen zu persönlichen und umweltbedingten (Risiko-) Faktoren runden das Bild wohltuend ab, und sie liefern wieder Hinweise für eigenes Erleben und Handeln sowie mögliche Gegenreaktionen und Auswege. Im Abschnitt 3.13 "Umweltfaktoren" könnten Hinweise auf Bedingungen in Organisationen (Organisationsaufbau und -ablauf, Personalbetreuung, Führungsverhalten usw.), die bournout fördern, umfassender sein oder mehr in den Focus gerückt werden, da sie an anderen Stellen im Buch nur etwas "verstreut" zu finden sind.
- Abschließend stellt das Kapitel 4 "Umwege und Auswege" Literaturstellen und Untersuchungsergebnisse vor, die Hinweise und Hilfen gegen das Burnout-Syndrom liefern. Auch geizt der Autor nicht mit seinen eigenen, langjährigen Erfahrungen und eigenen Empfehlungen zur Bewältigung entsprechender Symptome. Da der Autor die professionelle Hilfe favorisiert und die autodidaktische nur für in Grenzen wirksam hält, ist das Buch kein "Arbeitsbuch", der Leser kann also vordergründig nicht mit Hilfe der Aussagen an Problemen arbeiten - aufmerksame und engagierte Leser werden aber doch zahlreiche Hinweise für eine veränderte (verbesserte) Lebens- und Arbeitsgestaltung finden. Zusätzlich findet er bewertete Hilfsmöglichkeiten, die er in seinem Leben finden und auswählen wird, wenn er sie finden und auswählen will. Dabei warnt der Autor mit Recht vor fixierenden Entscheidungen: "Selbst die gründlichsten Überlegungen garantieren nicht, dass ein Klient zu einem Therapeuten kommt, bei dem er bleiben mag und der ihm weiterhilft. Es ist ratsam, sich selbst ... klarzumachen, dass man eine Therapie ... auch abbrechen kann."
Diskussion
Die Schrift setzt sich differenziert mit der Burnout-Problematik auseinander, erläutert umfassend benachbarte Forschungsgebiete, liefert ein schlüssiges eigenes Konzept und zeigt Hilfen und Auswege auf. Das hohe Engagement des Autors am Thema, welches immer wieder "zwischen den Zeilen" und auch "offen" ermunternd zu finden ist, macht das Buch zusätzlich lesenswert.
Zielgruppe
Die Schrift richtet sich an alle Menschen, die sich von Burnout-Symptomen betroffen fühlen und (mehr) verstehen und Auswege finden wollen. Daneben sollte es in keinem Bücherbestand derer fehlen, die in der einen oder anderen Form (als Lehrende, als Vorgesetzte usw.) mit und für Menschen arbeiten - es wird das Verständnis und die Bewertung des Gegenüber (und des Selbst) ermöglichen, ja erleichtern und ggf. auch verändern,
Fazit
In erfrischender, verständlicher "Schreibe", losgelöst von akademischer Distanziertheit und "Unterkühlung" wird ein Buch vorgelegt, das das Burnout-Syndrom sowie seine "Nachbargebiete" umfassend beschreibt und verständlich darstellt. Obwohl der Autor keine Lebenshilfe mit dem Buch geben will, die er eher einer persönlichen Beratung und/oder Therapie vorbehalten will, liefert er zahlreiche Hinweise zum Verständnis der Problematik, zur Erkennung sowie Einordnung und er zeigt auch Auswege auf.
Rezension von
Prof. Dr. Werner Reiners-Kröncke
Dipl.-Päd./Soz.Arb.
Vizepräsident a. D. der Fachhochschule Coburg. Lehrte Pädagogik und Methoden der Sozialarbeit, insbesondere Suchterkrankungen, Kriminalität und Sozialmanagement
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