Ulrich Lange (Hrsg.): Musik & Märchen (Demenz)
Rezensiert von Dipl. Sozialpädagoge Peter Wißmann, 14.03.2006

Ulrich Lange (Hrsg.): Musik & Märchen. Kreativ-therapeutische Beiträge zur Begleitung von Menschen mit Demenz.
Kuratorium Deutsche Altershilfe
(Köln) 2005.
ISBN 978-3-935299-85-5.
29,00 EUR.
Film 1 "Verrückt in eine andere Welt" Musiktherapie mit verwirrten alten Menschen. Von Elisa Behner/ Susanne Mauermann
(Filmlänge 30 Min).
Film 2 „Es war einmal ...“ Ein Dasein zwischen Vergessen und Erleben. Von Patricia Schrickel / Linda Fastenrath (Filmlänge 18 Min). Begleitheft (umfang 46 Seiten).
Thema
Kein Lehrfilm über Musiktherapie ist es, was unter dem Titel "Musik & Märchen: Kreativtherapeutische Beiträge zur Begleitung von Menschen mit Demenz" in diesem Jahr als DVD und Textheft beim KDA erschienen ist. Worum es geht, macht der Herausgeber Ulrich Lange, Professor an der Fachhochschule Köln, gleich im Vorwort deutlich: Ihm geht es darum zu prüfen, welchen Beitrag kreativ-therapeutische Ansätze zu einer anderen, einer auf Beziehung angelegten Altenarbeit leisten können. Dieses Anliegen wird in die Diskussion um eine neue Kultur in der Demenzpflege und einen person-zentrierten Ansatz eingebunden. Die zentrale Frage lautet dann, wie es möglich werden kann, dass Menschen mit Demenz ohne Verlust an Würde und an Respekt in menschlicher Gemeinschaft leben dürfen und die Demenz als eine Kultur der Andersartigkeit begriffen wird.
Inhalt
Wer dies erreichen will, benötigt Zugangswege und "Schlüssel" in die Welt der Menschen mit Demenz. Dass Musik einen Königsweg des Zugangs in diese Welt darstellt, ist seit langem bekannt. Was dies genau bedeutet, wird in dem Film und in dem Text der Therapeutin Gabriele Pechan gut nachvollziehbar. Wir beobachten demenziell veränderte Personen in einem Heim, die über Musik(machen) ihre sonst so selten geforderten und wahrgenommenen Kompetenzen erfahren können. Wir sehen, wie Menschen über die Musik in Kontakt treten, wie Freude und ein Stück Lebensqualität entstehen.
Die besondere Bedeutung und Wirkung von Musik wird im Textheft am Beispiel mehrer Heimbewohner/innen geschildert. Deutlich wird, dass Musik(therapie) gerade dort besonders wirkungsvoll ist, wo sie in ein übergreifendes Konzept beziehungsorientierter Pflege eingebunden ist. Wichtige Bestandteile sind dabei validierende Kommunikation, Biografiearbeit und kreativ-sinnliche Kommunikations- und Interaktionsangebote.
Ein solches Angebot ist die im Vergleich zur Musiktherapie bisher kaum in der Alten- und Demenzpflege zum Einsatz kommende Märchenarbeit. Mit Irmgard Wessendorf stellt der Film eine Person vor, die seit vielen Jahren um die Magie von Märchen weiß und sie in einem Altenheim bei Menschen mit Demenz zum Klingen bringt. Die Altentherapeutin beschreibt, was die Geschichten mit dem charakteristischen "Es war einmal..."-Beginn bewirken können: sie vermitteln Wärme und Geborgenheit, sie ermöglichen tiefen Einblick in die Gefühl- und Erlebniswelt der demenziell veränderten Menschen und sie schaffen einen Rahmen, in dem es möglich wird Gefühle zuzulassen und zum Ausdruck zu bringen, die sonst nicht geäußert würden.
Auch hier sind es wieder die zahlreichen praktischen Schilderungen von Personen und Situationen (im Textheft), die das Anliegen der Herausgeber gut verdeutlichen und nachvollziehbar machen. Dabei werden keineswegs Probleme verschwiegen, wie beispielsweise das der Integration und der Fortsetzung der Musik- und der Märchenarbeit im normalen Pflegealltag. In seinem Plädoyer für eine ganzheitliche Pflegekultur unterbreitet Ulrich Lange hierzu eine Reihe alltagspraktischer Lösungsvorschläge.
Fazit
Eine neue, das heißt auf Begegnung als zentrale Leitkategorie zielende Kultur der Demenzpflege muss sich verstärkt darum bemühen, Zugangs-, Kommunikations- und Interaktionswege jenseits von Kognition und Verbalität zu entdecken und zu gehen. Für alle, die sich dies vorgenommen haben, stellt die von Ulrich Lange heraus gegebene und mit studentischer Unterstützung realisierte DVD/Textheft-Veröffentlichung eine inspirierende und bereichernde Hilfe dar.
Rezension von
Dipl. Sozialpädagoge Peter Wißmann
Geschäftsführer
Demenz Support Stuttgart gGmbH, Zentrum für Informationstransfer
Website
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