Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Wolfgang Böttcher, Heinz G. Holtappels et al. (Hrsg.): Evaluation im Bildungswesen

Rezensiert von Prof. Dr. Susanne Gerull, 10.04.2008

Cover Wolfgang Böttcher, Heinz G. Holtappels et al. (Hrsg.): Evaluation im Bildungswesen ISBN 978-3-7799-1530-0

Wolfgang Böttcher, Heinz G. Holtappels, Michaela Brohm (Hrsg.): Evaluation im Bildungswesen. Eine Einführung in Grundlagen und Praxisbeispiele. Juventa Verlag (Weinheim) 2006. 318 Seiten. ISBN 978-3-7799-1530-0. 19,50 EUR.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Kaufen beim socialnet Buchversand

Thema

Mehr als 160 Milliarden Euro jährlich für Ausgaben im Bildungsbereich, aber auch das schlechte Abschneiden deutscher SchülerInnen in internationalen Vergleichstests wie PISA, haben den Druck auf die Bildungseinrichtungen verstärkt ihren Nutzen und ihre Qualität zu belegen. Als Instrument der Qualitätsentwicklung werden immer häufiger Evaluationen im Bildungswesen durchgeführt. Der vorliegende Sammelband vereint Beiträge namhafter AutorInnen aus Wissenschaft und Forschung, die das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Neben grundsätzlichen Auseinandersetzungen mit dem Thema Evaluation im Bereich Schule und Ausbildung werden Chancen und Grenzen von verschiedenen Forschungsdesigns anhand von Praxisbeispielen erörtert.

Aufbau und Inhalt

  1. Der erste Teil des Buches befasst sich – nach einer Einführung der HerausgeberInnen – mit Evaluation als Instrument von Steuerung und Qualitätssicherung im Bildungswesen. Stockmann erläutert in seinem Beitrag die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Qualitätsmanagement und Evaluation und konstatiert, dass Evaluationen im Bildungswesen häufig (noch) nicht den Standards, z. B. der Deutschen Gesellschaft für Evaluation, entsprechen. Auch Böttcher plädiert für "starke Standards", richtet sich aber gegen die Reduzierung von Evaluationen auf reine Personenevaluationen sowie den sogenannten Goldstandard als einzig tolerierbaren Standard in der Evaluationsforschung. Altrichter und Heinrich stellen die Entwicklung von Schulevaluationen seit den 90er Jahren dar, sie beschreiben diverse Akzeptanzprobleme bei Evaluationen und sprechen sich für ein evaluationsbasiertes Steuerungskonzept aus. Meyer und Siemer beleuchten in ihrem Beitrag den Zugang zu "Qualität" jenseits von reinen Merkmalslisten und raten zu mehr Gelassenheit und Partizipation, aber auch zu "mehr entscheidungsfreudige(n) und regelbrechende(n) Manager(n)" (S. 77).
  2. Im zweiten Part stehen grundlegende Problemstellungen in der Evaluationspraxis im Vordergrund. Krapp hält ein Plädoyer für partizipative Evaluationen (lässt dabei allerdings die NutzerInnen der Angebote außer Acht), beschreibt die Arbeitsschritte bei einer Auftragsforschung und betont die Notwendigkeit von adäquaten Erhebungsinstrumenten. Auch Müller-Kohlenberg thematisiert in ihrem Beitrag Selbstevaluationen, die aus ihrer Sicht einen Nebeneffekt der selbstorganisierten Weiterbildung haben, da hierdurch vertiefte Einsichten in das Zustandekommen von Arbeitsergebnissen gewonnen werden. Abs, Maag Merki und Klieme unterstreichen das Erfordernis, spezielle Gütekriterien für Schulevaluationen zu entwickeln, da die allgemeinen Standards hier nicht ausreichend seien, und bieten als Lösungsvorschlag die Formulierung intentionsunspezifischerer, d. h. eher minimaler Anforderungen an. Gastager und Patry beschäftigen sich mit den widersprüchlichen Anforderungen an EvaluatorInnen und sprechen sich für Konfliktprophylaxe, z. B. im Umgang mit Wertekonflikten, aus. Balzer stellt eine empirische Studie über Evaluation im Bildungsbereich vor, die mithilfe der Delphi-Methode die Bedingungen eines erfolgreichen Evaluationsprojektes identifizieren sollte. Hierbei stellte sich heraus, dass für einige der erfassten Bedingungen von den TeilnehmerInnen an der Studie akuter Handlungsbedarf gesehen wurde, da sie in der Praxis zu wenig beachtet würden.
  3. Der dritte Abschnitt des Sammelbands beschäftigt sich mit Formen umfassender Qualitätsevaluation. Kramis berichtet über die externe Schulevaluation von Luzerner Volksschulen, die im Forschungsdesign eines sequenziellen Verfahrens mit unterschiedlichen Evaluationsinstrumenten und einer regelmäßigen Rückkopplung der Zwischenergebnisse erfolgt. Bei Holtappels geht es um die Qualität von Lern- und Organisationskultur von Grundschulen. In einer systemvergleichenden Evaluation wurden zwei unterschiedliche Schulformen in Bremen gegenübergestellt und bewertet. Peek und Dobbelstein setzen sich kritisch mit vergleichenden Leistungsuntersuchungen an Schulen auseinander, da diese i.d.R. keine außerschulischen Merkmale wie die soziale Herkunft der SchülerInnen berücksichtigen. Zudem stellen sie fest, dass externe Evaluationen nur gelingen können, wenn mit den Ergebnissen kompetent umgegangen wird, d. h. auch die Grenzen von Leistungsstudien und Vergleichsarbeiten berücksichtigt werden. Sommer stellt an einem Praxisbeispiel die schulischen Möglichkeiten der Leistungsevaluation vor, wenn eine Beziehung zwischen den Ergebnissen von Vergleichsuntersuchungen und lokalen Phänomenen hergestellt wird und plädiert für Längsschnittuntersuchungen mit Wiederholungen in nachfolgenden Jahrgängen.
  4. Im letzten Teil des Buches geht es um die Evaluation in Entwicklungsprozessen und Innovationsprojekten. Fußangel, Schulz-Zander und Kemna stellen eine Begleitforschung zu berufsvorbereitenden Maßnahmen mit digitalen Medien vor, die mit konkreten Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Programms endete. Bremer und Haasler haben in einem Modellvorhaben eine Evaluationsmethode entwickelt, die die Kompetenzentwicklung von Auszubildenden erfasst und bewertet, wobei das Lernen hier nicht im Sinne einer Verwandlung von Input in Output bewertet wird, sondern mithilfe von Entwicklungsaufgaben, für deren Lösung ein halber Arbeitstag zur Verfügung steht. Brohm beschreibt die Evaluation von Schüler- und Lehrertrainingsprogrammen und plädiert in diesem Zusammenhang für evidenzbasierte Forschung mit Vergleichs- bzw. Kontrollgruppen. Eine Evaluation zur Hochbegabtenförderung stellt Schroer vor, wofür spezielle Evaluationskriterien entwickelt wurden; unterschiedliche Evaluationsansätze werden aufgezeigt und bewertet. Das Buch endet mit einem Artikel von Koch, die die Evaluation des Pilotprojekts "Fit in Deutsch" vorstellt. Hier wurden qualitative und quantitative Verfahren eingesetzt und das Verfahren der Triangulierung zur "kumulativen Validierung" der Forschungsergebnisse genutzt.

Einschätzung und Fazit

Das Sammelwerk bietet einen umfassenden Überblick über den Stand der Evaluationsforschung im deutschen Bildungswesen und kann als Plädoyer für mehr Praxisforschung - bei Einhaltung transparenter und "starker" Standards - verstanden werden. Deutlich wird in vielen der Beiträge, wie sehr wir in Deutschland noch der Entwicklung in den USA hinterherhinken, wo Evaluationen bereits seit langer Zeit zu den Standards in der Qualitätsentwicklung gehören. Auffällig und nicht immer kritisch hinterfragt ist jedoch die mehrheitliche Ausrichtung an quantitativen Evaluationsinstrumenten, vor allem in Form von standardisierten Schülertests, um die Qualität von Bildungseinrichtungen zu überprüfen. Damit wird schulische Qualität primär den SchülerInnen zugerechnet, wie Böttcher kritisch anmerkt – Qualität sei aber für die Institution als Ganzes erforderlich (S. 46 f.). Insgesamt bietet die Publikation eine Fülle von Informationen und Anregungen, die nicht nur für PraktikerInnen und PraxisforscherInnen aus dem Bildungsbereich wertvoll sind. So werden Chancen, aber auch Fallstricke und Grenzen von Evaluationen in theoretischen sowie praxisnahen Ausführungen dargestellt. Damit leistet das Buch einen wertvollen Beitrag zur Etablierung von Evaluation als wichtiges und notwendiges Instrument der Steuerung und Optimierung pädagogischer Programme.

Rezension von
Prof. Dr. Susanne Gerull
Professorin für Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit mit den Schwerpunkten Armut, Arbeitslosigkeit, Wohnungslosigkeit und niedrigschwellige Sozialarbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin
Website
Mailformular

Es gibt 11 Rezensionen von Susanne Gerull.

Zitiervorschlag anzeigen Besprochenes Werk kaufen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245