Seddik Bibouche (Hrsg.): Interkulturelle Integration in der Kinder- und Jugendarbeit
Rezensiert von Prof. Dr. Gazi Caglar, 25.07.2006

Seddik Bibouche (Hrsg.): Interkulturelle Integration in der Kinder- und Jugendarbeit. Orientierungen für die Praxis. Juventa Verlag (Weinheim) 2006. ISBN 978-3-7799-2124-0.
Thema
Die Dimensionen der interkulturellen Integration in den Praxisfeldern der Kinder- und Jugendarbeit sind vielfältig, weil die vielfach vermittelnde Arbeit in kulturellen Überschneidungssituationen stattfindet und Integration nicht als einfaches Muster der Anpassung an die vorherrschende "deutsche Kultur" funktioniert. Eine Hauptschwierigkeit rührt daher, dass sowohl der Begriff der Integration als auch der der Interkultur trotz zahlreicher Klärungsversuche in der wissenschaftlichen wie auch öffentlichen Debatte bis heute umstrittene Herausforderungen darstellen. Die Herausforderungen betreffen nicht nur den sozialpädagogischen Alltag. Sie bestimmen auch die theoretische Suche nach präzisen handlungsfähigen Begriffen, wie dies dem Herausgeber bewusst ist. Das Buch möchte in Theorie und Praxis eine "Pfadfinderkompetenz" leisten, um gelingende interkulturelle Integrationsprozesse von mehrdimensionalem Charakter anzuleiten (S. 9).
Aufbau und Inhalt
Der Band gliedert sich m. E. in zwei sehr gut ausgewogene und durchmischte Hauptteile. Neben theoretischer Analyse verschiedener Dimensionen von Integration und Interkulturalität im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen werden ausgewählte Handlungsfelder und konkrete Projekte dargestellt und diskutiert.
- Mansell befasst sich mit Integration und Individuation von Zuwanderern und definiert die verschiedenen Ebenen der Integration. Desintegrations- und Integrationsdynamiken werden in Auseinandersetzung mit den individuellen und gesellschaftlichen Ebenen definiert und diskutiert. Seine These, Integration als Teil der Persönlichkeitsentwicklung zu verstehen und auf Freiwilligkeit zu gründen, ist eine begründete und wohltuende Gegenmeinung zum Gros öffentlicher Äußerungen.
- Yildiz behandelt in seinem Aufsatz die Interkulturalität als Ressource für das urbane Zusammenleben und kritisiert die defizitorientierte einseitige Sichtweise, in der regelmäßig die Probleme in den Städten als von migrantischem Dasein verursachte erscheinen. Interkulturalität ist eine ernstzunehmende Ressource unserer Städte und bereits gelebte Alltagsnormalität. Insbesondere kann an seiner empirisch begründeten Kritik am herrschenden Diskurs der Ghetto- bzw. Parallelgesellschaft dazugelernt werden.
- Steffenund Feldtkeller behandeln in ihrem Aufsatz zu Sozialraum, Stadtplanung und Integration die Bedeutung einer partizipativen interkulturellen Stadtplanung, die um die Bedeutung von in städtischen Mikrowelten stattfindenden Integrationsprozessen weiß. An Hand von selbst durchgeführten und begleiteten Projekten können sie Kriterien für erfolgreiche integrative Arbeit entwickeln.
- Jeuk befasst sich mit dem seit einiger Zeit in den Integrationsdebatten vorherrschenden Thema der Sprache und Sprachen in der Einwanderungsgesellschaft. Seine These, dass mehrsprachige Identität nicht das Problem der Kinder und Jugendlichen, sondern vielmehr der einsprachig fixierten Mehrheitsgesellschaft sei, kann auch durch Arbeiten des Rezensenten bestätigt werden. In der Tat müssen vor allem Kindergärten und Schulen in einer mehrsprachigen Einwanderungsgesellschaft ankommen.
- Bibouche interessiert sich für die Übersetzungsmöglichkeiten theoretischer Konzepte in die Praxis der offenen Kinder- und Jugendarbeit und begreift Interkulturalität als Ressource.
- Gelebte interkulturelle Integrationsarbeit wird in den nachfolgenden Praxisberichten durch Spertham Beispielder interkulturellen Entwicklung einer Tübinger Hauptschule, durch Giest-Warsewaam Beispiel des Projekts "Mentoren für Jugendliche", durch Hainam Beispiel eines Jugendhausprojektes, durch Bormannam Beispiel der Netzwerkarbeit in einem Quartier, durch Niethammeram Beispiel der Integrationskraft des Sports und Künzeram Beispiel eines interkulturellen Kinderzirkusses dargesetellt und diskutiert.
- Der informative Reader mit Materialien, Tipps und Kontakten als Abschluss des Bandes sei sowohl Wissenschaftlern als auch Praktikern empfohlen.
Fazit
Ein gelungener, kritischer Sammelband, der neben fundierter Theorie aufgrund seines starken Bezugs zur Praxis zu loben ist. Den zahlreichen Anregungen und Anschlussmöglichkeiten für die alltägliche interkulturelle Arbeitsgestaltung ist nur ihre umfassende Umsetzung und Erprobung zu wünschen.
Rezension von
Prof. Dr. Gazi Caglar
Professor an der Fakultät für Soziale Arbeit und Gesundheit der HAWK Hildesheim / Holzminden / Göttingen
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