Peter-Ulrich Wendt: Selbstorganisation Jugendlicher und ihre Förderung durch kommunale Jugendarbeit
Rezensiert von Prof. Dr. Titus Simon, 16.11.2007

Peter-Ulrich Wendt: Selbstorganisation Jugendlicher und ihre Förderung durch kommunale Jugendarbeit. Zur Rekonstruktion professionellen Handelns.
Verlag Dr. Kovač GmbH
(Hamburg) 2005.
228 Seiten.
ISBN 978-3-8300-2064-6.
78,00 EUR.
Schriftenreihe Sozialpädagogik in Forschung und Praxis, Band 14.
Thema
Selbstverwaltung, Partizipation und Selbstorganisation sind heute generelle Entwicklungsziele der Jugendhilfe - und sie sind seit mittlerweile 40 Jahre Bestandteil jenes Teils der offenen Jugendarbeit, der sich in den 1960er Jahren von den tradierten Konzepten der Jugendhäuser und Häuser der Offenen Tür emanzipiert hat.
Inhalt
Kern des Buches von Peter-Ulrich Wendt ist eine Untersuchung, mittels derer Einstellungen und Deutungsmuster professioneller Mitarbeiter der kommunalen Jugendarbeit in Erfahrung gebracht werden sollen. Er fragt dabei insbesondere nach dem Stellenwert von Selbstverwaltung und Selbstorganisation im Handlungskonzept der Professionellen, den Hemmnissen für die Selbstorganisation junger Menschen, sowie nach den Modellen und Instrumenten, die die Förderung der Selbstorganisation befördern (können). Die empirische Basis der Studie sind Interviews mit insgesamt 82 Professionellen der offenen Jugendarbeit, mittels derer das Gelingen und Mißlingen jugendlicher Selbstorganisation, dafür notwendige Settings, Rahmen und Kompetenzen und die aus den Umweltbeziehungen sowie den Jugendlichen selbst resultierenden Grenzen und Hemmnisse entschlüsselt wurden.
Aus den dargestellten Sicht- und Handlungsweisen leitet der Autor drei - zahlenmäßig häufiger auftretende - "Akteurstypen" ab:
- "Typ A" stellt die Beziehungsarbeit in den Vordergrund. Die Unterstützung von Selbstorganisation ist eher das Mittel zum Zweck der Beziehungsintensivierung.
- "Typ B" sieht in den Bestrebungen nach Selbstorganisation vorrangig einen Lern- und Erfahrungsraum. Er problematisiert deutlich die verfremdenden und kolonialisierenden Wirkungen - auch gut gemeinter - sozialpädagogischer Intervention.
- "Typ C" deutet sich als "fördernden" und "unterstützenden" Begleiter von Selbstorganisation, deren Erreichung er vor allem durch die internen, in den Jugendlichen selbst liegenden, Grenzen behindert sieht. Somit sei die Unterstützung von Selbstorganisationsbestrebungen vorrangig Entwicklungsförderung.
Nicht ganz überraschend bilanziert Peter-Ulrich Wendt, das es zwar keinen definierten Handlungsmodus der Förderung von Selbstorganisation gibt. Eine Förderung durch Professionelle kann unverändert zu einer zentralen Dimension der offenen Jugendarbeit gemacht werden, in dem diese Rollenanteile eines "Navigators" in den lebensweltrelevanten Sozialräumen übernehmen.
Die besondere Qualität des Bandes liegt weniger in der Deskription neuer Handlungskonzepte, die Selbstverwaltung und Selbstorganisation befördern können, sondern vor allem in der Rekonstruktion und Analyse der unterschiedlichen Haltungen der Professionellen und aus diesen resultierenden beruflichen Identitätsbildungen.
Fazit
Trotz kleiner formaler Mängel - etwa dem Fehlen eines Inhaltsverzeichnisses - ist der Band gut geeignet, in Lehrveranstaltungen mit dem Schwerpunkt "Berufliche Identitäten und Identitätsbildungen in der Sozial- und Jugendarbeit" zum Einsatz gebracht zu werden. Aufgrund des hohen Preises wird das Buch vor allem den Fachbibliotheken der Ausbildungsstätten Sozialer Arbeit und der Verbände zu empfehlen sein.
Rezension von
Prof. Dr. Titus Simon
lebt in Wolfenbrück, einem Weiler mit 140 Einwohnern; lehrt zu ausgesuchten Themen in Magdeburg und St. Gallen und schreibt kritische Heimatromane.
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