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Uwe Flick (Hrsg.): Qualitative Evaluationsforschung

Rezensiert von Prof. Dr. Joachim König, 04.07.2006

Cover Uwe Flick (Hrsg.): Qualitative Evaluationsforschung ISBN 978-3-499-55674-6

Uwe Flick (Hrsg.): Qualitative Evaluationsforschung. Konzepte - Methoden -Umsetzung. Rowohlt Verlag (Reinbek) 2006. 512 Seiten. ISBN 978-3-499-55674-6. 16,90 EUR. CH: 29,90 sFr.

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Hintergrund und Funktion des Buches

Nach einem ersten Blick in die Einleitung stehen Fragen im Mittelpunkt dieses Buches, deren Zentralität denjenigen nicht direkt einleuchten mag, die an Hinweisen für die Praxis der Evaluation interessiert sind:

  • Gibt es eine systematische Differenz zwischen Evaluation und Evaluationsforschung? Wenn ja, wie kann diese formuliert werden?
  • Ist es sinnvoll, die Eigenständigkeit qualitativer Evaluation(sforschung) zu betonen und konzeptionell zu entwickeln? Oder ist sie sinnvoller Weise als Teil von Evaluation(sforschung) zu beschreiben, nur eben mit qualitativen Methoden?
  • Sind eigene Bewertungen der EvaluatorInnen bzw. EvaluationsforscherInnen mit qualitativen Methoden speziell zulässig oder müssen sie auf den Bewertungen der Akteure im Feld aufbauen?

Diesen und vielen weiteren Fragen hat sich die Sektion „Methoden der qualitativen Sozialforschung“ in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie während zweier Symposien (mit durchaus prominenter Beteiligung) ausführlich gewidmet und es ist der Verdienst von Uwe Flick, die Ergebnisse dieser Debatten nun in einem ausführlichen Herausgeberwerk differenziert sowie sehr übersichtlich und klar strukturiert dargestellt zu haben.

Die Ziele des Buches vor dem Hintergrund solcher Fragen nennt Flick auch (vgl. S. 28). Er

  • strebt "eine Bestandsaufnahme zur qualitativen Evaluationsforschung, ihrer wesentlichen Ansätze, Methoden und Diskussionslinien" an,
  • will "mit den vorgestellten Ansätzen, Methoden und Fragen eine Grundlage für die Vermittlung von Kompetenzen zur Rezeption und Durchführung qualitativer Evaluationsforschung in der Lehre in unterschiedlichen Disziplinen" legen und
  • möchte das "in der Entwicklung befindliche Konzept einer qualitativen Evaluationsforschung durch die Beiträge in diesem Buch weiter ausbuchstabieren".

Und - es sei vorweggenommen - diese Ziele werden auf den folgenden 500 Seiten auch auf eine sehr differenzierte Art und Weise erreicht.

Inhaltliche Einblicke in das Buch

Sinnvoller Weise gliedert Flick das Buch dazu in vier Teile.

Der erste Teil widmet sich zunächst eher theoretischen Fragen und Überlegungen zur gesellschaftlichen Relevanz qualitativer Evaluationsforschung:

  • Was spricht unter welchen Bedingungen dafür, von qualitativer Evaluationsforschung (und nicht nur von Evaluation) zu reden? (Christian Lüders)
  • Worin liegt die gesellschaftliche Bedeutung von Evaluationsforschung insgesamt und von qualitativer Evaluationsforschung im Speziellen? (Ernst von Kardorff)
  • Welche verschienen Modelle von Evaluation lassen sich im Zusammenhang mit dem Einsatz von qualitativen Methoden unterscheiden? (Wolfgang Beywl)
  • In welchem Zusammenhang steht qualitative Evaluationsforschung mit dem Paradigma der Kausalität? (Udo Kelle)
  • Wie kann eine „dokumentarische Evaluationsforschung“ in ihrer Verbindung mit der Handlungspraxis beschrieben, definiert und eingesetzt werden? (Ralf Bohnsack)

Der zweite Teil des Buches beleuchtet verschiedene methodische Ansätze und diskutiert dabei vor allem Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung qualitativer Methoden aus dem Blickwinkel verschiedener Praxisfelder. Folgende Fragen werden diskutiert:

  • Wie kann "dokumentarische Evaluationsforschung" am Beispiel der Schul-Mediation methodisch konkretisiert und umgesetzt werden? (Iris Nentwig-Gesemann)
  • Was können Gruppendiskussionsverfahren in diesem Zusammenhang leisten? Wo liegen ihre Grenzen? (Stefanie Ernst)
  • Worin bestehen die Potentiale von Interviews im Rahmen der qualitativen Evaluationsforschung? (Uwe Flick)
  • Wie sieht qualitative Programmevaluation im Anwendungsfeld "Gewalt in der Schule" durch Einsatz von so genannten "Vignetten" aus? (Moria Atria, Dagmar Strohmeier & Christiane Spiel)
  • Wie funktioniert die Evaluation von Umweltverträglichkeitsprüfungen durch Einsatz der „realistischen Evaluation“ und der "Qualitative Comparative Analysis"? (Fritz Sager & Simone Ledermann)

Im dritten Teil geht es - noch stärker bezogen auf die praktische Umsetzung qualitativer Evaluationsforschung - im Wesentlichen um folgende Fragen:

  • Wie sind der Einsatz und die Reichweite qualitativer Methoden im Bereich der drittmittelfinanzierten Evaluation am Beispiel der Umweltforschung zu beurteilen? (Udo Kuckartz)
  • Welche Stärken und welche Probleme weisen qualitative Evaluationsstudien in der Jugendhilfeforschung auf? (Udo Kelle & Christian Erzberger)
  • Welche Reichweite haben qualitative Methoden in der Organisationsforschung freier Jugendhilfeträger? (Dirk Eichler & Hans Merkens)
  • Wie gestaltet sich qualitative Prozessevaluation in Unternehmen? (Ulrike Froschauer & Manfred Lueger)
  • Worin liegen die wesentlichen Schwierigkeiten bei der Vermittlungsarbeit im Rahmen qualitativer Evaluationsforschung? (Anja Mensching)

Der abschließende vierte Teil des Buches ist der Reflexion verschiedener strittiger und problematischer Aspekte im Zusammenhang mit qualitativer Evaluationsforschung gewidmet. Dabei stehen folgende Fragen im Vordergrund:

  • Was leisten "Partizipative Evaluationsmethoden" in der Entwicklungszusammenarbeit? (Alexandra Caspari)
  • Wie kommen Urteile des Wissenschaftsrats bei der Evaluation von Hochschulen und Fakultäten durch den Einsatz von qualitativen Methoden zustande und welche methodischen Probleme sind dabei zu beobachten? (Eva Barlösius)
  • Wie lassen sich Entscheidungsprozesse (am Beispiel des Peer-Review-Verfahrens für eingereichte Artikel bei wissenschaftlichen Zeitschriften) ethnographisch untersuchen und welche Konsequenzen sind aus den Ergebnissen zu ziehen? (Stefan Hirschauer)
  • Wie lässt sich die Qualität der qualitativen Evaluationsforschung selbst erfassen? (Uwe Flick)
  • Welche Rolle können qualitative Daten als Grundlage für die Politikberatung spielen? (Christian Lüders)

Diskussion

Auch wenn der Stil des Buches in vielen Beiträgen deutlich akademisch anmutet und auch die theoretische „Eintauchtiefe“ in die einzelnen Fragen und Probleme in diesem Buch als eher hoch bezeichnet werden kann. Es handelt sich in keinster Weise um ein Buch, das dem wissenschaftlichen Diskurs in den „inner circles“ der „scientific communities“ vorbehalten bleiben sollte. Das Buch enthält eine Menge an Anregungen und Hinweise, auch für das „Alltagsgeschäft Evaluation“, also gerade auch für gut ausgebildete Fachkräfte, die sich um die Bewertung ihrer eigenen Praxis bemühen und auf der Suche nach geeigneten Instrumentarien dafür sind.

Trotzdem bleibt natürlich ein Problem, das auch Flick selbst so formuliert und das letzen Endes immer eines der entscheidenden ist, wenn es um die Umsetzung von Evaluation in der Praxis geht: Nämlich, "dass viele der gängigen qualitativen Methoden mit einem hohen Grad an Genauigkeit und ebenso hohem Zeitaufwand verbunden sind. (...) Gerade bei Drittmittelprojekten, Auftragsforschung und eben Evaluation steht diesem zeitlichen Aufwand der Methoden ein begrenzter Zeitrahmen gegenüber, in dem die Fragestellungen beantwortet werden sollten." (S. 21)

Fazit

Dieses Buch könnte Mut machen, immer wieder den Versuch zu unternehmen, qualitative Methoden mit ihrem großen Potential und ihren je eigenen Blickwinkeln trotzdem Gewinn bringend, d.h. die Gültigkeit der Ergebnisse optimierend, in die Designs zur Bewertung von Praxis einzubauen, ohne dabei Einbußen bei ihrer Zuverlässigkeit hinnehmen zu müssen.

Rezension von
Prof. Dr. Joachim König
Evangelische Hochschule Nürnberg
Allgemeine Pädagogik & Empirische Sozialforschung
Leiter des Instituts für Praxisforschung und Evaluation
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Es gibt 26 Rezensionen von Joachim König.

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Zitiervorschlag
Joachim König. Rezension vom 04.07.2006 zu: Uwe Flick (Hrsg.): Qualitative Evaluationsforschung. Konzepte - Methoden -Umsetzung. Rowohlt Verlag (Reinbek) 2006. ISBN 978-3-499-55674-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/3896.php, Datum des Zugriffs 14.09.2024.


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