Maja Storch, Benita Cantieni et al.: Embodiment. Die Wechselwirkung von Körper und Psyche [..]
Rezensiert von Prof. Dr. Annemarie Jost, 05.10.2006
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Maja Storch, Benita Cantieni, Gerald Hüther, Wolfgang Tschacher: Embodiment. Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen. Verlag Hans Huber (Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2006. ISBN 978-3-456-84323-0. 26,95 EUR.
Zur Zielgruppe
Dieses interdisziplinär angelegte Buch wendet sich an Psychologen, Neurowissenschaftler, Ärzte, Therapeuten, Pädagogen und andere interessierte Fachkräfte und Studierende und hinterfragt den in unserem Kulturkreis so selbstverständlich gewordenen Siegeszug des nackten Verstandes und die damit verbundene Verleugnung des Körpers und die Unterdrückung der Gefühle. Die engen Verflechtungen zwischen Körper und Geist werden theoretisch begründet und durch experimentelle Ergebnisse unterlegt; zugleich wird der Leser angeregt, die Erkenntnisse selber umzusetzen und sich aufzurichten und im eigenen Körper einzurichten.
Zum Inhalt
Das Buch besteht aus vier anschaulich aufbereiteten und interessant und spritzig geschriebenen Kapiteln, für die jeweils ein Autor verantwortlich ist:
- Wolfgang Tschacher beginnt mit dem Kapitel: Wie Embodiment zum Thema wurde. Hier geht es insbesondere um den Unterschied zwischen einem Verständnis von künstlicher Intelligenz als rein symbolische Informationsverarbeitung und der menschlichen Intelligenz, die sich Tschacher zu Folge insbesondere dadurch auszeichnet, dass letztere körperlich und sozial in eine bedeutsame Umwelt eingebettet ist und ständig aus einer großen Komplexität durch Musterbildung bedeutsame ordnende Vereinfachungen vornimmt. Kognition ist also stets in Körperzustände und Gefühle eingebettet und in einer Umwelt "situiert"; und die Symbolverarbeitende Intelligenz ist ihr Werkzeug jedoch nicht ihr Wesen.
- Maja Storch unternimmt nun in dem Kapitel: "Wie Embodiment in der Psychologie erforscht wurde" mit dem Leser eine interessante Reise durch experimentalpsychologische Ergebnisse, wie z.B. Kopfnicken Bewertungen beeinflusst oder welche Auswirkungen eine gebeugte Körperhaltung auf Hilflosigkeitsgefühle hat. Sie hütet sich jedoch davor, unkritisch pauschale Körpersprache Techniken zu propagieren, die zu unechtem, muskulär aufgesetztem Verhalten führen würden.
- Gerald Hüther erläutert nun gut verständlich neurobiologische Grundlagen und setzt sich mit der Frage auseinander, ob und wie der Verlust der Verbindung zum eigenen Körper durch neue Erfahrungen im Erwachsenenalter überwunden werden kann. Um dieses Unterfangen zu veranschaulichen, wählt er den Vergleich mit einer Baustelle, auf der das Haus windschief geworden ist, der Besitzer sich jedoch - so als wäre das völlig normal - dort eingerichtet hat und die gesamte Ausstattung an die entstandene Schieflage angepasst hat.
- Im letzten Kapitel leitet Benita Cantieni den Leser dazu an, die eigene Haltung wahrzunehmen und sich entspannt aufgespannt aufzurichten. Diese Anleitung ist allerdings recht kompliziert und lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen; vermutlich wäre für viele Leser die Unterstützung durch einen Körpertherapeuten hilfreich - hier wäre vielleicht eine Adressenliste weiterführend.
Das Buch wird durch ein ausführliches Glossar ergänzt.
Fazit
Die Inhalte sind insgesamt zwar nicht völlig neu - in der psychosomatischen Medizin wird seit langem eine ähnliche Position vertreten - jedoch ist die interdisziplinär integrative Darstellung sehr ansprechend. Auch für mit ähnlichen Ansätzen vertraute Leser findet sich eine Fülle neuer Aspekte, die Darstellung ist sehr gut lesbar, zuweilen amüsant, und durch gute Schaubilder ergänzt. Insgesamt kann ich das Buch sehr zur Lektüre empfehlen, es bereichert geistig, macht Spaß und regt zur Verbesserung der eigenen Haltung an.
Rezension von
Prof. Dr. Annemarie Jost
Professorin für Sozialpsychiatrie an der Fakultät 4 der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg
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