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Sabine Keller, Stiftung Warentest: Leben und Wohnen im Alter

Rezensiert von Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind, 18.02.2007

Cover Sabine Keller,  Stiftung Warentest: Leben und Wohnen im Alter ISBN 978-3-937880-26-6

Sabine Keller, Stiftung Warentest: Leben und Wohnen im Alter. Stiftung Warentest (Berlin) 2006. 215 Seiten. ISBN 978-3-937880-26-6. 19,90 EUR.

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Zur Thematik des Buches

Leben und Wohnen im Alter drückt etwas äußerst Sensibles aus, denn selbständig leben lässt sich nur in einem Wohnumfeld, das von dem einzelnen noch bewältigt werden kann, das ihn nicht überfordert oder in die völlige Isolation drängt. Es kommt also auf die richtige Passung von Person und räumlichem und teils auch sozialem Umfeld an, damit ein menschenwürdiges Leben noch zu meistern ist. Da sich das Alter als Lebensphase in modernen Gesellschaften schon auf mehrere Jahrzehnte erstreckt - Begriffe wie die Dritte und Vierte Lebensphase sind mittlerweile geläufig - sind in der letzten Zeit parallel hierzu unterschiedliche Wohn- und Betreuungsformen je nach dem Grad der Rüstigkeit oder auch Gebrechlichkeit entstanden. Und auch nach dem Grad der materiellen Verhältnisse der Senioren differenziert sich zusehends das Leistungsspektrum der entsprechenden Dienstleistungen.

Bei dem vorliegenden Ratgeberband der Stiftung Warentest fungieren als Mitherausgeber die Bertelsmann Stiftung und das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA).

Inhalt

Der Ratgeber ist dem Altersverlauf entsprechend aufgebaut, so dass er mit der Phase der Rüstigkeit beginnt und bei der ständigen Pflegebedürftigkeit im Alter endet.

So werden zu Beginn die Dienst- und Betreuungsleistungen beschrieben, die ein selbständiges Wohnen in der eigenen Wohnung erleichtern und manchmal auch erst ermöglichen. Strategien der Wohnanpassung, die teils mit kleineren Umbaumaßnahmen besonders im Sanitärbereich verbunden sind, werden aufgezeigt. Ergänzend hierzu wird auf Angebote der Wohnberatung, die in manchen Bundesländern bereits weit verbreitet sind, und die Möglichkeit von Finanzierungszuschüssen bei den erforderlichen Bautätigkeiten hingewiesen. Anschließend wird das ganze Spektrum an ambulanten und teilstationären Dienstleistungen, teils mit praktischen Tipps und Hinweisen (u. a. Preise und Vergütungen mittels der Pflegeversicherung) versehen, offeriert:

  • mobile soziale Dienste,
  • Notrufsysteme,
  • ehrenamtliche Hilfe und Nachbarschaftshilfe,
  • Pflegedienste und
  • die Angebote Tagespflege und Nacht- und Wochenendpflege.

Im Anschluss hieran wird eine Reihe von unterschiedlichen Formen des Wohnens  beschrieben, die mit bestimmten Erwartungshaltungen verbunden sind:

  • Wohngemeinschaften,
  • Hausgemeinschaften und Wohnprojekte wie z. B. das Mehrgenerationenprojekt "Haus Mobile" in Köln. Hierbei wird auch auf die in den Niederlanden weit verbreiteten Altenwohnhäuser verwiesen, die Privatheit (eigene Wohnungen) mit einem bestimmten Ausmaß an Begegnungen und Kontakten zu verbinden versuchen. In Deutschland haben sich bisher erst recht wenige Initiativen eines gemeinschaftlichen Wohnens etabliert.
  • Es folgen Ausführungen über das Betreute Wohnen (u. a. Serviceangebote und Kosten), Altenwohnanlagen und Seniorenresidenzen und Wohnstifte.

Der folgende Abschnitt beinhaltet die Beschreibung von Versorgungsformen, die bereits einen fortgeschrittenen Grad an Gebrechlichkeit und damit auch Abhängigkeit von Hilfeleistungen voraussetzen:

  • Betreute Wohngemeinschaften,
  • Betreute Hausgemeinschaften und
  • die Alten- und Pflegeheime.

Den Abschluss bildet ein kurzer Abschnitt über so genannte Quartiersbezogene Wohnkonzepte. Hierbei handelt es vorwiegend um von Wohnungsbaugesellschaften oder Nachbarschaftsinitiativen entwickelte Formen der Vernetzung von wohnungsnahen Diensten mit der Ansätzen der ehrenamtlichen und Nachbarschaftshilfe.

Kritische Würdigung   

Einen Ratgeberband zu erstellen, erfordert u. a. das Wissen um die Interessen und auch Bedarfslagen der potentiellen Leser. Es kann vermutet werden, dass es sich bei dieser Publikation vorwiegend um ältere Menschen handelt, die sich Gedanken machen über ihre zukünftige Wohnform bei vielleicht einsetzenden gesundheitlichen Problemen. Praxisnahe und fachlich ausgewiesene Hinweise über die Vielfalt des Wohnens im Alter stehen hierbei im Vordergrund. Die vorliegende Publikation kann diesem Anspruch jedoch nicht gerecht werden, denn es werden Fakten über Angebote mit Einstellungen und sozialpolitischen Positionen eines Mitherausgebers (KDA) unzulässig vermengt. Konkret macht sich dies an folgenden Aspekten bemerkbar.

  • Der Heimbereich und Betreutes Wohnen im Alter. Pflegeheime und Einrichtungen des Betreuten Wohnens sind mittlerweile standardmäßige Leistungsangebote für hilfe- und pflegedürftige alte Menschen geworden, die bereits fast flächendeckend angeboten werden. Über diese Wohn- und Versorgungsformen werden jedoch in dem Ratgeber recht wenige Informationen angeführt. So werden z. B. die zunehmende Binnendifferenzierung der Heime (u. a. Einrichtung von demenzspezifischen Wohnbereichen) und die Vielfalt der Einrichtungstypen des Betreuten Wohnens hinsichtlich des Leistungsspektrums und der Einbindung an andere ambulante und stationäre Leistungserbringer nicht erwähnt. Auch das Faktum, dass sich die Pflegeheime zur zentralen außerfamiliären Versorgungsstruktur für Demenzkranke mit allen damit verbundenen Strukturelementen wie z. B. Milieukomponenten, Demenzarchitektur und Demenzgarten entwickeln, findet in der Publikation keinerlei Berücksichtigung.
  • Die Wohn- und Hausgemeinschaften. Im Gegensatz hierzu werden Ansätze, die sich gegenwärtig noch im Experimentierstadium befinden oder mehr oder weniger Nischencharakter besitzen, in aller Ausführlichkeit als die neuen Perspektiven in diesem Bereich beschrieben: Wohngemeinschaften, Hausgemeinschaften, Wohnprojekte (u. a. Mehrgenerationenwohnen und Frauenprojekte) für rüstige Senioren und so genannte "Betreute Wohngemeinschaften" und "Betreute Hausgemeinschaften" (u. a. die "KDA-Hausgemeinschaften") für pflegebedürftige und meist demenzkranke alte Menschen. Besonders die letzteren Versorgungsformen mit einem hohen Betreuungsaufwand, die vorwiegend für Demenzkranke konzipiert sind, werden recht unkritisch dargestellt. Dass z. B. die ambulant betreuten Wohngemeinschaften versorgungsrechtlich sich in einer Grauzone befinden, da die demenzkranken Bewohner als "Mieter" fungieren, um die Schutz- und Regulationsfunktionen des Heimgesetzes (u. a. die Personalmindestverordnung) zu umgehen, findet keine kritische Würdigung. Erwähnt wird auch nicht, dass der so genannte Hausgemeinschaftsansatz (Dezentralisierung hauswirtschaftlicher Versorgungseinrichtungen wie Küche und Wäscherei in den Heimen) nie so richtig über eine Phase der Erprobung in wenigen Einrichtungen hinausgekommen ist.

Fazit

Wenn ideologische und teils dogmatische Grundpositionen über das Wohnen und die Versorgung alter Menschen einen Ratgeberband dominieren, dann kann eine sachgerechte und ausgewogene Wissensaneignung über diesen äußerst lebenswichtigen Gegenstandsbereich kaum erfolgen. Es besteht eher die Gefahr einer potentiellen Desinformation, die zu einer Verunsicherung bei den Adressaten führen kann. Es bleibt zu hoffen, dass die Stiftung Warentest diesen Sachverhalt bei weiteren Publikationen über diesen Themenbereich berücksichtigen wird.

Rezension von
Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind
Gerontologische Beratung Haan
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Zitiervorschlag
Sven Lind. Rezension vom 18.02.2007 zu: Sabine Keller, Stiftung Warentest: Leben und Wohnen im Alter. Stiftung Warentest (Berlin) 2006. ISBN 978-3-937880-26-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/4038.php, Datum des Zugriffs 26.01.2025.


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