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Juliane Sagebiel, Edda Vanhoefer: [...] Systemische Variationen der Teamberatung

Rezensiert von Peter Schröder, 21.10.2006

Cover Juliane Sagebiel, Edda Vanhoefer: [...] Systemische Variationen der Teamberatung ISBN 978-3-89670-529-7

Juliane Sagebiel, Edda Vanhoefer: Es könnte auch anders sein. Systemische Variationen der Teamberatung. Carl Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2006. 192 Seiten. ISBN 978-3-89670-529-7. 24,95 EUR. CH: 44,00 sFr.

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Einführung in das Thema, Hintergründe und Autorinnen

Die systemische Beratung hat sich, besonders in ihren familientherapeutischen Arbeiten, schon oft dadurch ausgezeichnet, dass sie mit überraschenden Wendungen im Beratungsgespräch und im Beratungsprozess gearbeitet hat - immer getreu dem Motto: "Wenn du das System nicht verändern kannst, irritiere es!" Dass alles auch ganz anders sein könnte, ist eine systemische Grundannahme. Wirklichkeit ist nicht "an sich" erkennbar, sondern immer nur "für mich": es gibt eine individuelle, aber auch eine soziale Konstruktion von Wirklichkeit. Individuelle und soziale Konstruktionen müssen sich nicht reibungslos ineinander fügen - im Gegenteil: oft genug sind sie inkompatibel. Sowohl von Individuen als auch von Systemen werden die eigenen Konstruktionen allerdings als "die Wahrheit" verstanden, die Konfrontation mit einer fremden "Wahrheit" bedeutet eine Irritation: "Es könnte auch anders sein". Systemische Teamberatung bedeutet also auch, Team in ihren Selbstverständlichkeiten zu irritieren und so einen Veränderungsimpuls zu setzen - in der Hoffnung, dass der im System seine Wirksamkeit entfaltet. Der Druck auf Teams, sich zu verändern, entsteht im Kontext des Teams, in der "Systemumwelt": Globalisiserung, Anpassungsdruck, Entsolidarisierung und Individualisierung, knappere finanzielle Ressourcen in den Bereichen der Öffentlichen Hand etc. Jede Teamberatung arbeitet in diesem Kontext und muss die Umweltbedingungen der beratenen Systeme im Blick behalten.

Juliane Sagebiel ist Professorin an der Fachhochschule München im Fachbereich Sozialwesen, gleichzeitig ist sie als Trainerin und Referentin im Non-Profit- und Profitbereich tätig. Edda Vanhoefer ist Diplom-Sozialpädagogin, Gruppendynamikern, Team- und Organisationsentwicklerin, Körpertherapeutin und Geschäftsführerin eines Unternehmens für Training und Beratung in München (Change Corporation, www.changecorp.de).

Aufbau und Inhalt

Das Buch hat drei Teile: I. Teamberatung, II. Theoretische Grundlagen, III. Praxistransfer.

  1. Der erste Teil zu Teamberatung birgt keine Überraschungen und wenig neue Informationen. Das Thema der Einleitung, die Veränderung, die die Globalisierung und der ständige, temporeiche Wandel für Organisationen und ihre MitarbeiterInnen bedeuten, ist schon häufig beschrieben worden. Der zweite Abschnitt mit dem Titel "Was ist Teamberatung in Organisationen" klärt zunächst den Begriff des Teams, fragt nach den Möglichkeiten und Grenzen einer Teamberatung (Indikationen und Kontraindikationen) und definiert schließlich "Lernen" in Organisationen. Der dritte Abschnitt referiert Grundlagen der Gruppendynamik wie Entwicklungsphasen, Rollenmodelle, Beratermodelle etc. - auch das sind Informationen, die in vielen anderen Publikationen hinreichend zur Verfügung stehen.
  2. Der zweite Teil stellt die "theoretischen Grundlagen" des Konzeptes vor, zuerst und vor allem zwei verschiedene Fassungen von Systemtheorien: eine "ontologische Systemtheorie" von Mario Bunge, die das Modell eines rational handelnden und interagierenden Subjekts trotz systemtheoretischer Sicht retten will,  und die "Funktionale Systemtheorie" Niklas Luhmanns, die in den Konzepten systemischer Beratung ohnehin breit, wenn auch selektiv rezipiert ist. Ziel dieses Theorienvergleichs ist letztendlich eine "Handlungstheorie", die einen professionellen beraterischen Umgang mit praktischen Problemen ermöglicht. (Abschnitt 7) Testfall für die Tauglichkeit des systemtheoretischen Konzeptes ist dann im folgenden Abschnitt das Thema "Macht" in Organisationen. Dieser Teil endet mit der Reflexion professioneller Beraterkompetenzen in der Teamberatung.
  3. Der dritte Teil schließlich dient dem Transfer der konzeptionellen Überlegungen in die Praxis. Anhand von drei Beispielen von Teamberatung wird die Wirksamkeit konkreter Methoden vorgestellt: zum einen geht es um ein Training für neu gebildete Teams, zum anderen um Konfliktregelung im Team und zum dritten um einen Workshop mit dem Thema erfolgreicher Arbeit in einem Geschäftsführungsteam. Diesen Beispielen gehen drei einführende Abschnitte voraus: eine "Einführung in die Praxisbeispiele", in der der Arbeitsweg verdeutlicht wird, die "systemische Auftragsklärung", die in anderen Zusammenhängen auch "Kontraktarbeit" genannt wird, und schließlich eine Reflexion der Arbeitsbeziehungen in der Teamberatung.

Diskussion

Die beiden Autorinnen führen seit Jahren Beratungen in unterschiedlichen Bereichen durch. In ihrer Zusammenarbeit begegnen sich also Wissenschaft und Praxis. Das ist in dem Buch deutlich zu spüren. In Beratungsprozessen, in Aus- und Fortbildungen werden Konzepte und Skripte erstellt, die die eigene Arbeit begleiten und dokumentieren. Die ursprüngliche Idee, die in diesem Zusammenhang gemachten Erfahrungen und das entwickelte Methodenrepertoire anderen zur Verfügung zu stellen, ist von den Autorinnen deutlich erweitert worden - vermutlich vor allem im Theorieteil. Dadurch changiert der Band merkwürdig zwischen altbekannten Konzepten, die aber in Ausbildungszusammenhängen immer wieder Thema sind (Team, Gruppenphasen, gruppendynamische Grundannahmen etc.), theoretischen Entscheidungen, die ihren Ort in der wissenschaftlichen Debatte haben und in der vorliegenden Form kaum nachvollziehbar sind, und Praxisbeispielen, die in dieser Form häufig auch in Fachzeitschriften auftauchen. Damit bleibt die Frage nach dem "Wozu" dieses Buches unklar: Eher ein Lehrbuch? Eher ein Praxisbericht? Eher eine wissenschaftlich relevante Konzeptdiskussion?

Es gibt eine ganze Reihe spannender Themen in diesem Buch. In konzeptioneller Hinsicht finde ich die Diskussion zwischen der Systemtheorie Luhmanns und der "ontologischen" Systemtheorie Bunges interessant. Es brächte eine Beratungstheorie in der Tat voran, wenn es gelänge, trotz systemischer Sicht das handelnde Subjekt nicht verabschieden zu müssen. Bislang verläuft genau hier eine Bruchlinie vieler systemischer Konzepte, deshalb sollte hier weiterdiskutiert werden. Spannend finde ich auch die Reflexion der Praxisbeispiele: hier können Praktiker manches gewinnen. Und Menschen, die in der Ausbildung von Beratern arbeiten, werden ebenfalls viel Material finden. Die Zielgruppe, die die Autorinnen selbst nennen, besteht aus Kollegen, Kolleginnen und Studierenden. Und ihr Wunsch lautet: "Mögen der Leser und die Leserin beim Durchblättern oder Lesen genügend inspiriert, irritiert, genährt und verführt werden, den eigenen Trainingsstil zu vervollkommnen und die eigene Kür in diesem wunderbaren Berufsfeld zu erfinden!" (S. 10)

Fazit

Es gibt bei der Lektüre des Bandes manches zu gewinnen, dennoch hätte ich mir ein klareres Konzept für das Buch gewünscht.

Rezension von
Peter Schröder
Pfarrer i.R.
(Lehr-)Supervisor, Coach (DGSv) Seniorcoach (DGfC) Systemischer Berater (SySt®)
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Zitiervorschlag
Peter Schröder. Rezension vom 21.10.2006 zu: Juliane Sagebiel, Edda Vanhoefer: Es könnte auch anders sein. Systemische Variationen der Teamberatung. Carl Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2006. ISBN 978-3-89670-529-7. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/4049.php, Datum des Zugriffs 09.06.2023.


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