Andreas Hepp: Transkulturelle Kommunikation
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 28.08.2014

Andreas Hepp: Transkulturelle Kommunikation.
UVK Verlagsgesellschaft mbH
(Konstanz) 2014.
2., völlig überarbeitete Auflage.
293 Seiten.
ISBN 978-3-8252-4035-6.
D: 24,99 EUR,
A: 25,70 EUR,
CH: 34,70 sFr.
UTB 2746 .
Identitäten in der Zeit der medienvermittelten Transkulturalität
In der sich immer interdependenter, entgrenzender und unübersichtlicher entwickelnden (Einen?) Welt werden ethno-kulturelle Identitäten in der globalisierten, transkulturellen Kommunikation obsolet. Weil sie aber nicht verschwinden, sondern sich im aktuellen Medienwandel als subkulturelle, differenzierte und konfliktreiche, lebensweltliche Phänomene entwickeln und (ver-)formen, kommt es darauf an, Kommunikationsprozesse zu betrachten, die „über verschiedene Kulturen hinweg“ erfolgen, sich als „über verschiedene traditionale Kulturen hinweg differenzstiftend“ darstellen und als transkulturelle Kommunikation bezeichnet werden. Im begrifflichen und kategorisierenden, wissenschaftlichen Diskurs setzt sich die TK von Spezifika der interkulturellen und internationalen Kommunikation ab und bezieht die Entwicklungsphänomene der Mediatisierung und Globalisierung in die Begrifflichkeit ein; anders ausgedrückt: Transkulturalität ist „nicht einfach eine weitere Vergleichsebene ( ), die der der Interkulturalität und Internationalität hinzuzufügen ist“, sondern konkretisiert „ein bestimmtes Verständnis der Folgen der Globalisierung, eine postkoloniale Kritik und eine methodologische Reflexion“ (vgl. dazu auch: Wolfgang Gippert / Petra Götte / Elke Kleinau, Hrsg., Transkulturalität. Gender- und bildungshistorische Perspektiven, 2008, www.socialnet.de/rezensionen/7090.php).
Autor und Entstehungshintergrund
Der Kommunikations- und Medienwissenschaftler von der Universität Bremen, Andreas Hepp, legt in zweiter, weitgehend neu verfasster Auflage das von ihm bereits 2006 herausgegebene Buch „Transkulturelle Kommunikation“ vor. Er begründet die Neufassung zum einen damit, „dass Fragen der transkulturellen Kommunikation… nicht weiter an Relevanz verloren, sondern gewonnen haben„; zum anderen, dass „Mediatisierung (seitdem) …seinen Charakter weltweit verändert hat“. Er argumentiert dabei nicht mit der Diktion, dass die fortschreitende globale Mediatisierung ausschließlich mit dem „Siegeszug“ der digitalen Medien und dem Social Web zu erklären sei, sondern er berücksichtigt bei seinen Argumentationen auch, „dass es in vielen Regionen der Welt nach wie vor andere Medien sind – Fernsehen, Zeitung, Radio – die für transkulturelle Kommunikationsprozesse entscheidend sind“. Das Buch ist weitgehend während eines Forschungssemestern an der University of London entstanden.
Aufbau und Inhalt
Die in den Kulturwissenschaften und in der Kultursoziologie diskutierten Veränderungsprozesse, die kulturelle Identitäten, interkulturelle und globale Weltbilder und transkulturelle Deutungsmuster in den Blick nehmen, sind gekennzeichnet von dem Perspektivenwechsel, „das Soziale … nicht mehr von den Strukturen, dem bloß Diskursiven oder den Individuen …, sondern von den diese beiden Pole vermittelnden sozialen Praktiken her“ zu begreifen (vgl. dazu: Stephan Moebius, Hg., Kultur. Von den Cultural Studies bis zu den Visual Studies, 2012, www.socialnet.de/rezensionen/14406.php). Wenn es also darum geht, kulturelle Identitäten „jenseits von Kultur“ (Marshall T. Poe) zu denken und damit klar zu kommen, dass wir durch die modernen Kommunikationsformen (scheinbar) mehr Verständigungsmittel zur Verfügung haben, um zu einer „globalen Ethik“ zu kommen, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948) formuliert wird, dass nämlich die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet – und trotzdem nicht in der Lage sind, human miteinander zu kommunizieren und uns zu verständigen.
Der Autor gliedert seine Studie in sieben Kapitel.
Neben dem ersten, einleitenden Teil, diskutiert er im zweiten Kapitel „Zugänge zu transkultureller Kommunikation“, im dritten setzt er sich mit der “ Regulation transkultureller Kommunikation“ auseinander, im vierten stellt er die verschiedenen Felder der „Medienproduktion und deren transkulturelle Kontexte“ vor, im fünften zeigt er die „Transkulturalität von Medienprodukten“ auf, im sechsten verdeutlicht er die verschiedenen Aspekte und Prozesse von „Medienaneignung und Transkulturation“, und im siebten Kapitel bringt er die verschiedenen Zusammenhänge im transkulturellen Kommunikations-Diskurs auf den Punkt, indem er „Perspektiven transkultureller Kommunikation“ formuliert.
Die Auseinandersetzungen mit den Entstehungs- und Veränderungsbegriffen, wie sie mit der Kennzeichnung der „transkulturellen Kommunikation“ erfolgt, bedürfen sowohl der historischen Rückgriffe, als auch der aktuellen Analyse und der perspektivischen Vorausschau, und zwar aus philosophischer, anthropologischer, wirtschaftswissenschaftlicher und kommunikations- und medienwissenschaftlicher Perspektive. Die daraus entwickelte Definition, dass transkulturelle Kommunikation davon ausgeht, „dass alle Kulturen grundsätzlich gemischt sind“. Unter der Schwerpunktsetzung der „Mediatisierung“ zeigt sich ein Kreislaufzusammenhang bei den „Artikulationsebenen von Medienkultur“, der die Produktion, die Strukturen, Praktiken und Prozesse beschreibt, die Repräsentation von Kulturprodukten anbietet, und die Aneignung im Alltag ermöglicht.
Mit regulativen Formen in transkulturellen Kommunikationsprozessen wird die Bedeutung der (macht- und globalisierungs-) politischen Aktionen aufgezeigt, wie sie bei internationalen Einrichtungen, wie etwa der UNESCO, durch die Diskussion um eine Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung, aber auch durch Regulationsbestrebungen, wie sie von den USA als „free flow“ und „free trade of communication“ vertreten werden, von anderen Weltmächten (Russland, China, Indien…) ins Spiel gebracht werden, und nicht zuletzt durch die immer mächtiger sich entwickelnden Medienkonzerne sich machtvoll und unkontrolliert entwickeln (vgl. z. B.: Götz Hamann / Khuê Pham / Heinrich Wefing, Die Vereinigten Staaten von Google, in: DIE ZEIT, Dossier, Nr. 33 vom 7. 8. 14, S. 11ff).
Mit „transkultureller Medienproduktion“ werden „alle Strukturen, Praktiken und Prozesse der Herstellung von Medienkulturprodukten“ benannt. Die global und oligopol agierenden und (kapitalistisch) wachsenden Akteure weisen jeweils spezifische Medienkulturen und Zielsetzungen aus, und sie konzentrieren sich auf ausgewiesene Orte und globale Medienstädte. Das führt zu Ungleichheiten sowohl innerhalb von Staaten, als auch im globalen Maßstab; und nicht zuletzt dazu, soziale, fiskalische und gesetzliche Figurationen zu umgehen und sogar außer Kraft zu setzen. Sie im Sinne des freiheitlichen Presserechts zu kontrollieren, erfordert komplexe Analysen, die lokal und global wirksam werden.
„Medienprodukte“ und deren Präsentation zeigt sich in räumlichen und medien- und ökonomisch mächtigen Strukturen, etwa in Orten wie Hollywood, Bollywood und Nollywood, in Medien- und Presseagenturen, und nicht zuletzt in virtuellen Mächten, wie etwa Wikileaks. Der Autor richtet die Aufmerksamkeit auf eine kritische Medienberichterstattung und Öffentlichkeit: „Statt von vornherein eine in der Globalisierung und Mediatisierung bestehende globale Öffentlichkeit zu postulieren, wäre es … zielführender, durch eine detaillierte Analyse der jeweiligen kommunikativen Figuration die transkulturellen Bedeutungspotentiale, die ein einzelnes Medienevent hat, herauszuarbeiten“.
Die Frage, wie Menschen sich Medien aneignen, bedarf der kritischen Betrachtung, wie in der Vergangenheit Medien genutzt wurden, und mit dem medialen Quantensprung heute genutzt werden. Dabei zeigen sich Unterschiede; während beim „linearen Kommunikationsmodell“ Informationen erst einmal „rezipiert“ werden, bevor sie „verarbeitet“ werden, zielen heute „Praktiken der Medienaneignung auf den ‚Einbau‘ von Medien als Inhalte und Technologien in die alltagsweltliche Lebenspraxis“. Dass dabei Forderungen wie „Selbst- und Mitbestimmung“, „Bürgerschaft“ und „Öffentlichkeit“ andere Bedeutungswerte erforderlich machen und „Identitätspolitik“ und „Medienidentität“ als lokal- und globalgesellschaftliche Herausforderungen neu diskutiert werden, weist der Autor in zahlreichen Beispielen auf.
Fazit
Die engagierte Auseinandersetzung darüber, „was Menschen mit Medien als Inhalte und Technologien machen“, wie sie diese aneignen und welche Transkulturationen dabei stattfinden, wie auch umgekehrt die Frage, was Medien mit Menschen machen, welche Medienklüfte bei der Medienaneignung entstehen, verweist auf eine politisch und gesellschaftlich notwendige Aufklärung über transkulturelle Kommunikationsprozesse. Die Absicht des Autors, mit seinen Analysen und Reflexionen „einen transkulturellen Zugang zu unserer heutigen Medienkommunikation insgesamt vorzustellen“, ist gelungen. Die theoretischen Grundlegungen, „kommunikative Figurationen als musterhafte (transmediale) Interdependenzgeflechte von kulturübergreifender Kommunikation zu erfassen“, wie auch die aufgeführten Fallbeispiele und Wirklichkeitsanalysen machen die Studie „Transkulturelle Kommunikation“ zu einem Lehrbuch, nicht nur für Studierende von Medien- und Sozialwissenschaften!
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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