Sandra Roscher: Erziehung durch Erlebnisse (Kurt Hahn)
Rezensiert von Monika Pietsch, 22.06.2007

Sandra Roscher: Erziehung durch Erlebnisse. Der Reformpädagoge Kurt Hahn im Licht von Zeitzeugen. ZIEL Verlag (Augsburg) 2005. 200 Seiten. ISBN 978-3-937210-64-3. 15,80 EUR.
Thema
Kurt Hahn wurde bekannt als Politiker (um Prinz Max von Baden), Reformpädagoge und über die von ihm gegründete Schule, das Internat "Schloss Salem" am Bodensee. Er gilt als einer der Begründer der Erlebnispädagogik. Seine Beobachtungen und Schlüsse zur Erziehung von Kindern und Jugendlichen bilden unter anderem die Basis der Erlebnispädagogik in Deutschland und weltweit.
Entstehungshintergrund
S. Roscher spricht von einer großen Faszination, die von der Person Kurt Hahns ausgeht und der gleichzeitig kontroversen Diskussion seiner Ideen und Handlungsansätze. Beides hat sie zu der Recherche des vorliegenden Buches, ihrer Dissertation, angeregt. Sie hatte dazu Zeitzeugen, ehemalige Schüler, Kollegen und Weggefährten befragt und in Archiven recherchiert.
Aufbau und Inhalt
Beginnend mit einer tabellarischen Kurzbiographie Kurt Hahns, sind die Interviews mit den folgenden 10 Gesprächspartnern im 2. Teil abgedruckt:
- P. Carpenter, Leiter der Outward Bound Sea School in Aberdovey (von K. Hahn gegründete Schule)
- Dr. M. Kölbinger, ehem. Schüler in Luisenlund/ Schleswig- Holstein (von K. Hahn gegründete Schule)
- L. Davis, OB School Kinarut/ Malaysia
- Lawson, lehrte in Gordonstoun/ Schottland, Mitglied von OB International
- D. Plate, Direktor Schloss Schule Salem
- I.H. Marie-Alex Herzogin zu Schleswig Holstein, Mitglied der Gründerfamilie Luisenlunds
- M. Schweitzer, Schüler K. Hahns, Privatsekretär und Lehrer in Schloss Schule Salem
- D. Sutcliffe, Leiter Atlantic College/ Wales (von K. Hahn gegründete Schule), Biograf Hahns
- H. Tunstall- Behrens, ehem. Schüler Hahns
- J. Winthrop-Young, ehem. Schüler in Gordonstoun, Mitarbeiter in Salem
Neben 5 persönlichen Interviews mit einem standardisierten Fragenkatalog wurden von Roscher sowohl Brief- und Mailantworten als auch Texte zu Interviews umgeschreiben.
Die Fragen umfassen die Themenbereiche:
- persönliche Daten
- Kontakte zu Hahn
- Einfluss Hahns auf die jeweilige Person und die Arbeit in der jeweiligen Einrichtung
- persönliche Erinnerungen und Anekdoten
- Vorstellungen zur Einschätzung Hahns über die aktuelle Entwicklung der Erlebnispädagogik und der Schulen
Beschrieben werden unter anderem die Hintergründe der Hahnschen Pädagogik, sowie deren praktische Umsetzung und Ausprägung in den verschiedenen Einrichtungen. So wird z.B. deutlich gemacht, wie sich das Internat Luisenlund/Schleswig-Holstein allein durch die räumliche Entfernung zum "Stammhaus" Salem/Bodensee unabhängiger von den Maßgaben Hahns entwickeln konnte und sich diese Freiheit bewahrt hat.
Schließlich werden Anekdoten aus dem Leben mit Kurt Hahn, Begegnungen in den Schulen, bei Besprechungen oder Besuchen beschrieben.
Die angesprochene Kritik an Kurt Hahn spiegelt sich in einigen Passagen wider, so wird noch einmal deutlich, wie z.B. Hahns Trainingsplan das Leben der Jugendlichen regelte und wenig eigenen Gestaltungsspielraum ließ, auch nicht für die Lehrkräfte. Gleichsam wird neben dem Demokratieverständnis Hahns das Spannungsfeld zwischen seiner Autorität und seinem Vorbildcharakter gegenüber den Schülern und Lehrkräften deutlich gemacht.
Abschließend fasst Roscher den persönlichen Einfluss Kurt Hahns auf die Interviewpartner zusammen. Alle Originalunterlagen und Quellen befinden sich im Anhang.
Zielgruppen
Als Zielgruppe kommen alle Interessierten an der Geschichte der Erlebnispädagogik und an der Person Kurt Hahns in Frage.
Diskussion
Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um eine Dissertation. Die Mühe und Geduld, die es kostete, um die vorliegenden Interviews zu führen, die Menschen aufzuspüren und sie zu Aussagen zu bewegen, scheinen erheblich gewesen zu sein. Schon dafür ist der verliehene Preis "erleben und lernen 2004 " im Bereich Publikation gerechtfertigt.
Leider ist das Buch nicht flüssig und gut zu lesen. Vieles wiederholt sich und wird langatmig. Alle Teile sind im Original, d.h. deutsch oder englisch wiedergegeben. Hilfen gibt es durch Vokabeln am Blattrand, doch ist ein guter eigener Wortschatz zum Verständnis nötig. Es fehlt die Zusammenführung der Berichte, alle bleiben nebeneinander stehen ohne Verbindung oder Bezug zueinander. Zu den Interviewpartnern fehlen darüber hinaus konkrete und überschaubare Daten und ihrer Einbettung in die Geschehnisse der Erlebnispädagogik und das Zeitgeschehen. So kann sich der Leser wenig selbst orientieren und einen roten Faden spinnen. Vieles bleibt bruchstückhaft in den Antworten verborgen (doch möglicherweise ist das in Gesprächen und in Erinnerungen nur so möglich). Auch wären Informationen über die Einrichtungen, die die Gesprächspartner repräsentieren und von denen sie berichten, zur Orientierung des Lesers hilfreich.
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass es interessant ist, von Zeitzeugen authentische Berichte über die Vergangenheit zu hören. Dabei sind viele sehr persönliche Aussagen. Das Bild über Kurt Hahn wird dabei nur wenig erweitert.
Rezension von
Monika Pietsch
Training und Konstruktives Lernen
selbständige Trainerin und Beraterin, Schwerpunkt: Team- und Führungskompetenzen mit den Methoden des konstruktiven Lernens
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