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Hans-Günther Homfeldt, Stephan Sting: Soziale Arbeit und Gesundheit

Rezensiert von Prof. Dr. Frauke Koppelin, 13.02.2008

Cover Hans-Günther Homfeldt, Stephan Sting: Soziale Arbeit und Gesundheit ISBN 978-3-497-01867-3

Hans-Günther Homfeldt, Stephan Sting: Soziale Arbeit und Gesundheit. Eine Einführung. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2006. 244 Seiten. ISBN 978-3-497-01867-3. 24,90 EUR. CH: 43,70 sFr.

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Autoren

Dr. Hans Günther Homfeldt ist als Professor für Sozialpädagogik/Sozialarbeit an der Universität Trier tätig. Als Herausgeber der Reihe "Soziale Arbeit im Gesundheitswesen" ist er im Rahmen der UTB-Reihe des Ernst Reinhardt Verlages bekannt. Dr. Stephan Sting lehrt als Professor für Sozial- und Integrationspädagogik an der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt. Er ist in der UTB-Reihe bereits Mitautor des Werkes "Soziale Arbeit in der Suchtprävention".

Entstehungshintergrund und thematische Eingrenzung

  • "Was verbindet Soziale Arbeit und Gesundheit?
  • Auf welchen Vorstellungen von Gesundheit greifen wir im Alltag oder in der Wissenschaft zurück?
  • Welche Aufgaben kann die Soziale Arbeit übernehmen?"

Diesen Fragen stellen sich die Autoren in ihrem Werk. Inhalte und Arbeitsfelder in der Sozialen Arbeit sind in der historischen wie auch in der aktuellen Betrachtung zwar durch einen sehr hohen Bezug zur Gesundheit gekennzeichnet. Allerdings - so merken die Autoren kritisch an - schlägt sich dies nicht in der jeweils disziplinären Verortung und wechselseitigen Wahrnehmung nieder. Das Werk soll einen Beitrag dazu leisten, die wichtige Rolle der Sozialen Arbeit in den Handlungsfeldern der Gesundheit aufzeigen, und sie damit quasi aus ihrem "Schattendasein" in den aufstrebenden  Gesundheitswissenschaften zu führen. 

Aufbau und Inhalt

In dem einführenden Kapitel Soziale Arbeit und Gesundheit wird die historische Verankerung der sozialen Arbeit zur Gesundheit herausgearbeitet und anhand von vielen, sehr gut nachvollziehbaren Beispielen, untermauert. Des Weiteren setzen sich die Autoren mit der Verortung der Sozialen Arbeit in den Gesundheitswissenschaften und der Gesundheitspsychologie auseinander. Der Sozialen Arbeit fehle es an Bedeutung in den aufstrebenden Gesundheitswissenschaften. Sie monieren, dass im Gegensatz zu vielen anderen Disziplinen, die einen Einzug in den multidisziplinären Fächerkanon der Gesundheitswissenschaften in Deutschland geschafft haben, die Soziale Arbeit hier den systematischen Anschluss verpasst hat. Diese Annahme ist Ausgangspunkt für eine systematische Klärung des Stellenwertes der Sozialen Arbeit in den Handlungsfeldern der Gesundheit (wie z.B. Prävention, Gesundheitsförderung, Rehabilitation) sowie den gemeinsamen Zielgruppen, die in den darauf folgenden Kapiteln beleuchtet wird. 

Im zweiten Kapitel stellen die Autoren die Strukturen  des Gesundheitswesens und die gesundheitliche Lage in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den wesentlichen Grundzügen kurz und knapp dar. Die Darstellung der Bedeutung der WHO mit ihren international ausgerichteten Ansätzen und Strategien leitet  über zu den Herausforderungen in der Sozialen Arbeit.

Die Historischen Zusammenhänge und Verbindungslinien Sozialer Arbeit und Gesundheit werden im dritten Kapitel sehr umfassend dargelegt. Die Autoren schlussfolgern, dass der Rückblick auf die Entwicklung des Gesundheitsthemas und der Frage nach der Gesundheit, nach dem "gesunden Leben" an sich, "in zwei Kontexte einzuordnen ist:

  1. die Frage nach der Bedeutung des Körpers, der Regulierung körperlichen Verhaltens und der vorherrschenden Körperkultur.
  2. in der Herausbildung einer jeweils spezifischen "biologischen Normalität", an der sich das individuelle und gesellschaftliche Gesundheitsbewusstsein sowie die individuellen und sozialen Bemühungen um Gesundheit orientieren" (S. 37).

Beispiele aus der Tuberkulosefürsorge, der Säuglingsfürsorge und Schwangerenberatung unterstreichen die Darstellung.

Dieses dritte Kapitel hilft, die im vierten Kapitel "Gesundheitsverständnisse in Wissenschaft und Alltag" dargestellten Theorie und Modelle von Gesundheit und Krankheit einordnen und disziplinäre Grenzen im Gesundheits- oder auch Krankheitsverständnis erkennen zu können. Hier werden die allgemein bekannten und vertrauten Modelle erläutert (Biomedizinisches Modell, Salutogenese, Lebensweisen-Modell u.a.), kritisch betrachtet und in ihrem Stellenwert für die Soziale Arbeit untersucht.

Im fünften Kapitel "Herausforderungen für die soziale Arbeit" stellen Homfeldt und Sting anhand der dominierenden gesundheitlichen Problemstellungen "die darin enthaltenen Aufgaben für die soziale Arbeit" explizit heraus (S. 99). Sie verweisen auf die Nähe und Deckung der inhaltlichen Ausrichtung, was besonders gut nachvollziehbar wird, wenn wir die hohe Bedeutung der Resilienzforschung wie auch des "sense of coherence" nach A. Antonovsky  sowohl für die Gesundheitswissenschaften wie die Soziale Arbeit betrachten. Mit Blick auf die zunehmende Prekarisierung der Lebensverhältnisse und die Implikationen für die Gesundheit der Einzelnen, schaffen Homfeldt und Sting einen umfassenden Einblick in die Theorien und Konzepte der Ungleichheitsforschung, deren Methoden und Ergebnisse.

Gesundheit im Spiegel der Lebensalter steht im Zentrum des sechsten Kapitels. Dabei beziehen die Autoren in ihrer Darstellung konsequent die verschiedenen Zielgruppen Familien, Kinder und Jugendliche, Männer und Frauen und alte Menschen mit ein und fragen nach der Förderung intergenerationaler familialer Solidarität durch die gesundheitsbezogene Soziale Arbeit.

Im vorletzten Kapitel setzen sich die Autoren vor dem Hintergrund der vorher benannten Herausforderungen mit den relevanten Handlungsfeldern für die Soziale Arbeit auseinander. Spätestens hier wird auch dem/der in der Thematik nicht kundigen Leser/innen deutlich, wie breit gesteckt und vielfältig die Handlungsfelder im Schnittfeld Soziale Arbeit und Gesundheit ausfallen. Die dualistische Trennung und Darstellung in "klassische Sozialarbeit im Gesundheitswesen" (z.B. Klinische Sozialarbeit) und der "Gesundheitsarbeit im Sozialwesen" (z.B. Gemeinwesenarbeit, Aufklärung) wird zugunsten einer Orientierung an den dominierenden Handlungsfeldern aufgelockert. So verwundert es nicht weiter, dass die Autoren den enormen Stellenwert der Prävention, Rehabilitation und Gesundheitsförderung dagelegen und dies an den Beispielen der AIDS-Prävention, Suchtprävention, Mutter/Vater-Kind-Kuren als Beispiel für Rehabilitationverfahren sowie der Schulbezogenen Jugendhilfe und Gesundheitsförderung darstellen. Gesundheitsförderung in sozialen Netzwerken und im Gemeinwesen wird mit Blick auf die Möglichkeiten und Ansätze der Netzwerkintervention und der Gesundheitsbezogene Gemeinwesenarbeit vorgestellt. Welche klassischen Aufgaben in der Krankenversorgung, z.B. im Bereich der Klinischen Sozialarbeit, liegen, führen die Autoren mit Blick auf die Institutionen des Krankenhauses und der Rehabilitationseinrichtungen aus. Auch neuere Ansätze, wie die Integrierte Versorgung, werden aufgegriffen. Der Stellenwert der Interprofessionelle Kooperation wird betont. Es werden aber auch die Risiken und Chancen aufgezeigt, die sich im Spannungsfeld zwischen Konkurrenz und Kooperation (z.B. in der Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie) festmachen lassen.

Das abschließende Kapitel benennt die  Problemstellungen und Zukunftsaufgaben. Homfeldt und Sting konzentrieren sich im Resümee auf den Stand und die Aufgaben der Sozialen Arbeit in der  Gesundheitsförderung. Ferner verweisen sie auf die seit den 1980ger Jahren gestellte Fragen nach der Qualität von gesundheitsbezogenen Leistungen, die sich die Soziale Arbeit mit ihren dort verankerten Handlungsfeldern ebenfalls stellen muss.  Das Kapitel schließt mit einem Ausblick auf die Ausbildungssituation, das Beschäftigungsfeld und den zentralen Forschungsfragen. Hierbei gehen die Autoren auf die Chancen für die Soziale Arbeit ein, die sich durch die Neuorientierung in der deutschen Hochschullandschaft mit den Bachelor- und Masterstudiengänge für Interessierte ergeben.

Zielgruppen

Das Buch ist als Einführung gedacht. Es ist aber aufgrund seiner Ausrichtung sowohl für Interessierte, Studienanfänger/innen und Professionelle sehr gut geeignet.

Für Studienanfängerinnen und Anfänger ist es mit Blick auf die Schnittstellen der Sozialen Arbeit zum Themenfeld eine sehr wichtige Orientierungshilfe und trägt dazu bei, die disziplinäre Verinselung von Gesundheit und Sozialer Arbeit zu überwinden und konsequent interdisziplinär zu denken. Die kritische Haltung der Autoren gegenüber dem "geringen" Stellenwert der Sozialen Arbeit im weiten Handlungsfeld Gesundheit wird sich mit seinem Facettenreichtum wohl nur den im Feld kundigen Professionellen systematisch eröffnen.

Fazit

Das Werk ist sehr gut zu lesen. Aktuelle Forschungsergebnisse und eigene Studien werden systematische in die Darstellungen eingebettet, was den Praktikern und Praktikerinnen eine schnelle und sehr fundierte Orientierung in den aktuellen Stand der Forschung und Diskurse ermöglicht. Alle Kapitel beginnen mit einem Kurzüberblick. Dies ist eine gute Hilfestellung bei der Orientierung in den einzelnen Kapiteln und gewährleistet insgesamt eine gute Handhabbarkeit des Werkes. Die in der Einleitung der Autoren eher düstere Zeichnung des Standes der Sozialen Arbeit im Zusammenhang mit den vielfältigen Betätigungsfeldern im Gesundheitswesen, entkräften die Autoren mit dem vorgestellten Werk selber. Dabei muss die Frage gestellt werden, ob der Versuch einer Einordnung in das sehr weite Feld der Gesundheitswissenschaften/Public Health letztendlich nur zu der traurigen Schlussfolgerung führen kann, dass die Soziale Arbeit dort keinen sichern Stand hat. In  der historischen Betrachtung haben beide disziplinären Ausrichtungen ihre spezifische Tradition und Berührungspunkte gehabt. Das ist auch gut so, denn nach wie vor wollen bevölkerungsbezogene Ansätze wie sie in den Gesundheitswissenschaften üblich sind, die Gesundheit der Bevölkerung und einzelner Teilgruppen fördern und durch eine systematische Analyse der Risikofaktoren (z.B. durch Gesundheitsberichterstattung und epidemiologische Forschung) Ansätze zur primären, sekundären und tertiären Prävention liefern. Durch die Politik der WHO und nicht zuletzt durch die Ottawa-Charta, erfahren die Methoden der Sozialen Arbeit einen Bedeutungszuwachs besonders im weiten Feld der Gesundheitsförderung. Hier werden die Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten besonders deutlich. Der besondere Beitrag von Homfeldt und Sting liegt darin, dass sie es schaffen, dies sehr plastisch herauszuarbeiten.

Rezension von
Prof. Dr. Frauke Koppelin
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Es gibt 3 Rezensionen von Frauke Koppelin.

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Zitiervorschlag
Frauke Koppelin. Rezension vom 13.02.2008 zu: Hans-Günther Homfeldt, Stephan Sting: Soziale Arbeit und Gesundheit. Eine Einführung. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2006. ISBN 978-3-497-01867-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/4310.php, Datum des Zugriffs 09.10.2024.


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