Heinrich Greving: Kompendium der Heilpädagogik Band 1 (A-H)
Rezensiert von Prof. Dr. Michael Komorek, 27.02.2008
Heinrich Greving: Kompendium der Heilpädagogik Band 1 (A-H). Bildungsverlag EINS GmbH (Köln) 2007. 458 Seiten. ISBN 978-3-427-04874-9. 30,90 EUR.
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Überblick
Es gibt unzählige Kompendien, Handbücher, Einführungen und Überblicke des Faches Heilpädagogik. Schnell stellt sich die Frage, warum nun noch ein Werk die literarische Landschaft der Heilpädagogik erweitern soll. Gleichermaßen macht es neugierig, die elementaren Unterschiede zu den bestehenden Werken herauszukristallisieren. Heinrich Greving verweist schon im Vorwort darauf, dass es sich bei diesem Kompendium um eine Einführung in die wichtigsten Begriffe und Themen der Heilpädagogik handelt. Ex aequo soll es aktuell die Heilpädagogik als Handlungswissenschaft darstellen.
Aufbau und Inhalt
Das vorliegende Kompendium ist in 2 Bände unterteilt.
Der erste Band behandelt Stichworte von A - H (43) in alphabetischer Reihenfolge. Die Erläuterung der einzelnen Stichworte erfolgt in den Kategorien
- "Etymologie",
- "Geschichte",
- "Aktuelle Relevanz und theoretische Ansätze",
- "Problem- und Erfahrungsgelder",
- "Ausblick" sowie
- "kommentierte Literaturhinweise".
Beiden Bänden liegt das gleiche Vorwort, Literaturverzeichnis und auch Autorenverzeichnis zu Grunde. Dadurch wird klar, dass der Kauf von beiden Bänden (somit insgesamt 80 Stichworte) impliziert ist und folglich ein Gesamtpreis von 61,80 EUR zu Buche schlägt. Originär und motivierend zugleich ist der Verzicht auf eine altbewährte Gliederung in Geschichte der HP, Definition, Methodik, Didaktik oder klassische Behinderungsbilder, wie sie in vielen anderen einführenden Werken der Heilpädagogik zu finden ist. Begriffe in ihrem zeitgemäßen Kontext einzuordnen und kein definitorisches Klassifikationssystem erstellen zu wollen, dem die Heilpädagogik schon seit geraumer Zeit zu desertieren versucht, ist Kernmerkmal dieses Werkes. Neben Greving umfasst das Autorenverzeichnis 51 Verfasser aus überwiegend wissenschaftlichen Bereichen.
Zielgruppe
Studierende mit dem Schwerpunkt Heil- und Behindertenpädagogik erarbeiten sich einen verfeinerten Blick zu Themen der Heilpädagogik, MitarbeiterInnen von Einrichtungen der Behindertenhilfe, insbesondere Qualitätsbeauftragte oder konzeptionell Tätige erhalten ein umfassendes und aktuelles Nachschlagewerk zu vielen aktuellen Themen und Diskursen der Heilpädagogik.
Diskussion
Bei näherer Betrachtung der Autorenschaft wird deutlich, dass auf alleinige Ausführungen der Bezugswissenschaften verzichtet wird. So entsteht ein Grundlagenwerk, was von und für Heilpädagogen verfasst wurde. Zwar ist die Gliederung des Kompendiums für ein Erkenntnisinteresse über einzelne Stichworte von Vorteil, jedoch scheint eine Einführung von Querverweisen sinnvoll um die Komplexität der Faches Heilpädagogik in adäquater Weise illustrieren zu können. Oftmals wird in Fachkreisen diskutiert, in wie weit bestimmte Methoden und Theorierichtungen der Heilpädagogik inhärent sind oder in welchem Rahmen sich "heilpädagogische Professionelle" Instrumentarien wissenschaftlicher Nachbargebiete bzw. Bezugswissenschaften bedienen. In diesem Kontext würde ich die Aufnahme von Stichworten wie zum Beispiel "Heilpädagogische Diagnostik" oder "Alter" (vor allem die Trennung von "Alter" und "Alte Menschen mit Behinderung") eher kritisch sehen. Eine deutlichere Trennung oder zumindest eine klare Begründung für die Inklusion von bestimmten "externen" Begriffen in das Kompendium der Heilpädagogik wird auch in den jeweiligen Etymologien nicht immer deutlich.
Immer offensichtlicher wird die Relevanz des Themas "Alter(n)" für die deutsche Behindertenhilfe, die sich auf Grund ihrer Geschichte nun (verspätet) in wachsendem Maße mit den Folgen der Demographie auseinander zu setzen hat. Die Aktualität des Kompendiums wird durch die Aufnahme der Stichworte "Alter" und "Alte Menschen mit Behinderung" - Maximilian Buchka, deutlich. Mit Sicherheit den Rahmenbedingungen (Umfang) zu schulden, fehlen essentielle Begriffe wie "geistige Behinderung" und "Erwachsenenbildung". Unweigerlich stellt sich dem Leser die Frage, warum diese theoriebildenden und konzeptualen Begriffe nicht aufgeführt sind, aber die Beschreibung einer privatrechtlichen Körperschaft als Stichwort "Berufsverband der Heilpädagogen e.V." oder der "Fachbereichstag Heilpädagogik" aufgenommen worden ist. Um dem expliziten Ziel, Heilpädagogik als Handlungswissenschaft zu verstehen, gerecht zu werden, sollte allerdings der Bereich der "Heilpädagogischen Forschung", sofern man ihn so bezeichnen darf, nicht fehlen. Um der Aktualität zu entsprechen, rückt hier das Desideratum "computergestützte Analysemethoden" in den Fokus "wissen-schaffender" Einrichtungen des Fachbereiches Heilpädagogik.
Fazit
Das vorliegende Kompendium ist ein ansprechendes und - die aufgeführten Begriffe betreffend - umfassendes Werk, das durch Verweise auf weiterführende Literatur dem Anspruch gerecht wird, einen einführenden Überblick in die Materie der Heilpädagogik zu liefern.
Rezension von
Prof. Dr. Michael Komorek
Diplom Musiktherapeut, Dipl. Heilpädagoge. Professur für Inklusion
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Es gibt 4 Rezensionen von Michael Komorek.
Kommentare
Anmerkung der Redaktion: Vgl. auch die Rezension zu Band 2, insbesondere den Abschnitt "Diskussion".
Zitiervorschlag
Michael Komorek. Rezension vom 27.02.2008 zu:
Heinrich Greving: Kompendium der Heilpädagogik Band 1 (A-H). Bildungsverlag EINS GmbH
(Köln) 2007.
ISBN 978-3-427-04874-9.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/4359.php, Datum des Zugriffs 25.01.2025.
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