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Margot Sunderland: Die neue Elternschule. Kinder richtig verstehen

Rezensiert von Michael Schnabel, 08.06.2007

Cover Margot Sunderland: Die neue Elternschule. Kinder richtig verstehen ISBN 978-3-8310-1001-1

Margot Sunderland: Die neue Elternschule. Kinder richtig verstehen. Dorling Kindersley Verlag (München) 2007. 288 Seiten. ISBN 978-3-8310-1001-1. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 35,00 sFr.
Originaltitel: The science of parenting.

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Thema

"Eltern werden beschuldigt, aber nicht geschult. Millionen neuer Mütter und Väter übernehmen jedes Jahr eine Arbeit, die zu den schwierigsten zählt, die jemand haben kann; sie bekommen ein Kind, einen kleinen Menschen, der fast vollkommen hilflos ist, und nehmen die volle Verantwortung für sein physisches und psychisches Wohl auf sich, um ihn zu erziehen, auf dass er ein produktiver, kooperativer und mitwirkender Bürger werde. Gibt es eine schwierigere und anspruchsvollere Aufgabe?"

Diese These von Thomas Gordon aus der Einleitung zur "Familienkonferenz" wurde häufig zum Ausgangspunkt und Berechtigungsnachweis für die Entwicklung von Elterntrainings und Schulungsprogrammen für Eltern. Dagegen gibt es immer wieder kritische Einwände, die bezweifeln, ob man das Elternsein so wie ein Schulfach lernen könne. Wie dem auch sei, eines ist jedoch sicher: Begründete Informationen und das Aufzeigen von Wirkungen des pädagogischen Handelns helfen Eltern entscheidend bei der Erziehung ihrer Kinder. Die Veröffentlichung von Margot Sunderland "Die neue Elternschule" ist beileibe kein Schulungsprogramm, vielmehr stellt sie fundierte Informationen bereit und zeigt Wirkungen des erzieherischen Handelns von Eltern auf.

Aufbau und Inhalte

Die Autorin Margot Sunderland ist Direktorin der Abteilung Erziehung und Ausbildung am Centre for Child Mental Health in London. Sie hat eine Vielzahl wissenschaftlicher  Untersuchungen aus der modernen Gehirnforschung gesammelt und im Hinblick auf sozial-emotionale Bedürfnisse von Kindern ausgewertet. Auf dieser Grundlage entstand die vorliegende Publikation "Die neue Elternschule". Sie macht deutlich, wie der Umgang der Eltern mit ihren Kindern Stress mindern kann und den Weg zu einer erfüllten Lebensgestaltung öffnet. "Wir werden herausfinden, wie wir helfen können, Schlüsselsysteme im Gehirn zu aktivieren, die Neugier und Antriebskraft zu fördern, damit Ihr Kind die nachhaltige Fähigkeit ausbildet, das Leben zu erkunden. Ebenso werden wir nach Wegen zur Erhaltung der Kreativität suchen", verspricht die Autorin in der Einleitung.

Die Veröffentlichung ordnet die inhaltlichen Schwerpunkte nach der zeitlichen Entwicklung des Kindes: Zunächst werden die Vorgänge im kindlichen Gehirn beschrieben und wie Eltern darauf Einfluss nehmen, Weiterhin zeigt die Autorin auf, wie verschiedene Reaktionen der Eltern auf Bedürfnisse ihres Babys seine Entwicklung hemmen oder fördern können. Es wird verdeutlicht, wie Kinder nach und nach soziale Fertigkeiten so verinnerlichen, dass sie problemlos den Bildungsanforderungen gewachsen sind. Folgende Überschriften geben eine erste Orientierung bei der Vielzahl der Einzelthemen:

  • Das Gehirn ihres Kindes
  • Schreien und Alleingelassen-Werden
  • Schlaf und Schlafenszeit
  • Die Chemie des schönen Lebens
  • Schlechtes Benehmen
  • Anstrengende Situationen
  • Alles über Disziplin
  • Die Chemie der Liebe
  • Die soziale Intelligenz Ihres Kindes
  • Achten Sie auf sich selbst.

Die allgemeinen und zusammenfassenden Kapitelüberschriften geben nur einen groben Einblick davon, wie konkret und praktisch viele Einzelfragen aus dem Familienalltag angegangen werden und wie realitätsnah Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Kindern geschildert werden. Abschnitte aus einzelnen Kapiteln liefern aussagekräftige Beispiele:

  • Was bewirkt anhaltendes Schreien beim Baby?
  • Wie werden Babys richtig beruhigt?
  • Können Trennungen zwischen Eltern und Kindern Schaden anrichten?
  • Was tun, wenn mein Kind klammert?
  • Dürfen Kinder im Bett der Eltern schlafen?
  • Wie erfolgt ein gehirngerechtes Schlaftraining?
  • Wie können Eltern bei ihren Kindern Glückshormone wecken?
  • Wie sollen sich Eltern verhalten, wenn sich ihre Kinder daneben benehmen?
  • Wie sollen Eltern auf den Wutanfall ihres Kindes reagieren?
  • Wie kann man eine langweilige Autofahrt überbrücken?
  • Darf ein Kind seine Eltern tyrannisieren?
  • Was bewirken Botenstoffe der Liebe?
  • Und: Wie sollen Eltern für sich Oasen der Ruhe und Erholung einplanen?

Die Ausführungen werden noch praktischer und konkreter, denn die Wissenschaftlerin Margot Sunderland ist sich nicht zu schade detailgenaue Angaben zu machen: Hier einige Beispiele:

  • Wie sollen Eltern ihr Baby halten, wenn sie es beruhigen wollen?
  • Was ist zu beachten, wenn die Mutter ihr Baby massieren will?
  • Soll die Tür zum Kinderzimmer offen bleiben, wenn das Kind schläft?
  • Wie lernen Kinder voll des Glücks zu "fliegen"?

Die Autorin beschreibt die positiven Wirkungen, wenn Kinder miteinander rangeln und gibt Anregungen für tolle Balgereien zwischen Eltern und Kindern. Es werden Angaben darüber gemacht, welche Zusatzstoffe in Nahrungsmitteln die Emotionen der Kinder beeinflussen können.

Die Beispiele zeigen, die Ausführungen sind so konkret, praktisch und alltagstauglich, dass Eltern nach jedem Abschnitt sofort Umsetzungsmöglichkeiten finden werden. Mehr noch: Die positiven Wirkungen und die Langzeitfolgen werden so anschaulich und überzeugend dargelegt, dass sich Eltern mit Engagement und Begeisterung die Anregungen zueigen machen dürften.

Diskussion

Die Veröffentlichung gibt bereits unmissverständlich durch den Titel "Die neue moderne Elternschule" zu verstehen, dass die Ausführungen auf die Eltern abzielen. Ein Großteil der Informationen richtet sich an Eltern mit Kleinkindern. Wobei der Ausdruck "Elternschule" falsche Erwartungen wecken könnte, denn es geht nicht um Ratschläge und Vorschriften, sondern mehr um das Verstehen des kindlichen Verhaltens. Aufgrund dieser Tatsache enthält die Veröffentlichung äußert viele Hinweise und Informationen auch für Pädagogen und Pädagoginnen, die in Kindertageseinrichtungen tätig sind.

Die Zusammenhänge und Folgen des pädagogischen Handelns werden durchwegs immer auf der Grundlage von Erkenntnissen aus der Gehirnforschung aufgezeigt. Daher ist die Kennzeichnung "Neue Elternschule" voll und ganz berechtigt, weil bisher derart umfassend die Ergebnisse aus der Hirnforschung für die Familienerziehung noch nicht aufbereitet wurden. Besonders muss dabei lobend hervorgehoben werden, dass es der Autorin bespielhaft gelungen ist, die Forschungsergebnisse einfach, verständlich und anschaulich zu beschreiben. Noch dazu wurden durch treffende Beispiele die Informationen geradezu einladend und spannend aufbereitet.

Die große Zahl der aufgeführten Erkenntnisse aus der Gehirnforschung lässt die Argumentation plausibel und logisch zwingend erscheinen. Erfahrenen Pädagogen/innen dürften bei der eindeutigen und logisch zwingenden Argumentation Zweifel befallen, weil sich Erziehung nicht immer nach logischen und plausibel begründbaren Verhaltensmustern vollzieht. Aber trotz dieser Bedenken erhalten Eltern und Pädagogen/innen durch die Ausführungen von M. Sunderland einen so umfassenden Einblick in das Zusammenwirken von Erziehung und Gehirnentwicklung, wie er bisher noch nicht beschrieben wurde.

Geradezu vorbildhaft ist die Präsentation der Inhalte. Der durchgehende Text wird auf mehreren Ebenen veranschaulicht und vertieft: Aussagekräftige Bilder unterstützen die Informationen, Exkurse mit Grafiken liefern Hintergrundwissen, die Schilderung von Fällen ergänzt die Ausführungen durch exemplarische Beispiele, Großaufnahmen von charakteristischen Erziehungssituationen mit ausführlichen Erläuterungen beleuchten zusätzlich die Darlegungen. Eine Buchgestaltung, wie sie für alle Veröffentlichungen über Erziehungsfragen wünschenswert wäre!

Fazit

Die ansprechende Aufmachung und die bedeutungsvollen Erkenntnisse aus der Hirnforschung sollten möglichst vielen Eltern ein Anstoß sein, sich mit der Elternschule von M. Sunderland gründlich zu beschäftigen.

Rezension von
Michael Schnabel
Staatsinstitut für Frühpädagogik, München

Es gibt 45 Rezensionen von Michael Schnabel.

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Zitiervorschlag
Michael Schnabel. Rezension vom 08.06.2007 zu: Margot Sunderland: Die neue Elternschule. Kinder richtig verstehen. Dorling Kindersley Verlag (München) 2007. ISBN 978-3-8310-1001-1. Originaltitel: The science of parenting. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/4695.php, Datum des Zugriffs 18.01.2025.


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