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Barbara Friebertshäuser, Heide von Felden et al. (Hrsg.): Bild und Text. Methoden und Methodologien visueller Sozialforschung

Rezensiert von Prof. Dr. Joachim König, 14.11.2007

Cover Barbara Friebertshäuser, Heide von Felden et al. (Hrsg.): Bild und Text. Methoden und Methodologien visueller Sozialforschung ISBN 978-3-86649-101-4

Barbara Friebertshäuser, Heide von Felden, Burkhard Schäffer (Hrsg.): Bild und Text. Methoden und Methodologien visueller Sozialforschung. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2007. 344 Seiten. ISBN 978-3-86649-101-4. 33,00 EUR.

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Thema, Entstehungshintergrund und Zielsetzung

Das spannungsreiche Verhältnis zwischen Bild und Text soll von namhaften Fachleuten aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden, so der Anspruch dieses Buches. In der Tat: Viele große Namen der universitären Erziehungswissenschaften haben sich in diesem Herausgeberwerk versammelt, um in dieses auch tatsächlich aus der Sicht der pädagogischen Praxis nicht nur spannungsreiche sondern auch wirklich spannende Verhältnis etwas mehr systematisches und möglicherweise auch konzeptionell erhellendes Licht zu bringen. Entstanden ist der Sammelband aus Vorträgen, die die AutorInnen auf der Herbsttagung der Kommission Biographieforschung in der Sektion Allgemeine Erziehungswissenschaft der Gesellschaft für Erziehungswissenschaft 2004 gehalten haben.

Und so geht es auch - verständlicher Weise - primär um die Klärung der methodischen Herausforderungen und methodologischen Fragen, die sich aus dem Bedarf ergeben, Bildinterpretationskompetenzen als "Schlüsselqualifikation innerhalb des Kanons erziehungswissenschaftlicher Forschung" zu etablieren. Dies klingt auch vernünftig, denn die Zunahme des Visuellen in öffentlichen und privaten Kontexten und auch die spezifische Bedeutung von Bildhaftigkeit in pädagogischen Handlungskontexten sind ja in der Tat evident - mit enormen Konsequenzen für die pädagogische Praxis!

Aufbau

Aus vier Teilen besteht das Buch. An den folgenden, durchaus subjektiv ausgewählten Beispielen soll diese Struktur und auch die spannende Vielfalt der insgesamt 18 Beiträge illustriert werden:

1. Methodisch-methodologische Fragen der Bildinterpretation. Im ersten Teil stehen die methodisch-methodologischen Fragen der Bildinterpretation im Vordergrund:

  • Ralf Bohnsack entwickelt die Perspektive der dokumentarischen Methode zur Analyse von bildhaftem Material. Zentraler Gedanke dabei: Die Qualität von Bildern gegenüber Texten besteht in ihrer simultanen Gleichzeitigkeit, dem "Alleinstellungsmerkmal des Ikonischen". Sie ermöglicht es, die in Bildern enthaltenen impliziten Wissensbestände zugänglich zu machen.
  • Wilfried Marotzki und Katja Stoetzer nähern sich der Methodologie der Bildinterpretation in biographie- und bildungstheoretischer Absicht. Sie entwickeln dazu ein Modell der Ikonografie, das Bezug u.a. auf Humboldts Selbst- und Weltbezug des Menschen nimmt.

2. Triangulation von Bild und Text. Im zweiten Teil stehen diejenigen Beiträge im Mittelpunkt, die sich der Triangulation von Bild und Text annehmen:

  • Iris Nentwig-Gesemann thematisiert Spiel- und Aufführungspraktiken von Kindern, in denen sprachliche und nicht sprachliche Interaktionen zum Ausdruck kommen. Mithilfe von videogestützten Gruppendiskussionen zeigt sie, wie Gemeinschaftsbildung und Differenzbearbeitung in Spielsituationen geschieht.
  • Antje Langer entwickelt Perspektiven der Fotografie für die ethnografische Forschung und legt dabei sinnvoller Weise auch Wert auf die Klärung der Bedeutung, die die Interaktion rund um das Fotografieren hat. Deutlich wird an ihren Beispielen u.a., wie Jugendliche ihr Mann- und Frau-Werden im Rahmen des Schulalltags inszenieren.
  • Olaf Dörner demonstriert die Möglichkeiten der dokumentarischen Methode als Instrument zur Analyse von Comics. Diese zeichnen sich demnach besonders dadurch aus, dass sie eine durchgehende Verschränktheit von Text und Bild aufweisen und deshalb das Verhältnis zwischen narrativer Dramaturgie und formaler Bildkomposition interpretierbar machen.

3. Bildqualität und Bildaneignung. Im dritten Teil sind diejenigen Beiträge versammelt, die Bildqualitäten und Prozesse der Bildaneignung thematisieren:

  • Ulrike Pilarczyks Überblick über Forschungsfelder und Forschungsperspektiven der Fotografie in der erziehungswissenschaftlichen Forschung hebt im Wesentlichen auf das Verhältnis zwischen Fotografie und kulturellem Gedächtnis ab. Deutlich wird dabei vor allem, welche Rolle Moden, Stile, Motivtraditionen und Klischees dabei spielen.
  • Dagmar Beinzger stellt eine medienbiografisch orientierte Studie vor, in der am Bespiel von sechs Frauen filmisch konstruierte Geschlechterbilder analysiert werden. Sie plädiert in diesem Zusammenhang für eine "geschlechterreflektierende Medienpädagogik".

4. Bildhaftigkeit von Sprache. Im vierten Teil geht es schließlich um die Bildhaftigkeit von Sprache selbst:

  • Micha Brumlik macht anhand von bildlichen Darstellungen der "Ilias" deutlich, dass die Beziehung zwischen Bild und Schrift vor allem mit dem Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit zu tun hat. Eine zentrale Rolle in seiner Argumentation spielen dabei die Schriftkritik Platons und - interessanterweise - das Verhältnis zwischen Schrift und Gottesbegriff.
  • Dieter Nittel untersucht die Bedeutung von Metaphern, die er in Selbstbeschreibungen und Professionalisierungsprozessen bei Erwachsenenbildnern gefunden hat. Bildhafte Sprache sieht er dabei vor allem als "Seismograf des Neuen". Und so bieten nach seiner Ansicht Metaphern die Möglichkeit, "einen ersten Schritt in die sich erst noch formierende Wirklichkeit zu tun und die Flüchtigkeit und Emergenz des Geschehenen einzufangen".

Fazit

Schade, dass dieses bunte und an vielen Stellen inspirierende Buch in weiten Teilen auf der Forschungsperspektive verbleibt. Gerade die Verwertungsperspektiven und Nutzen von Befunden einer auch auf Bildmaterial ausgerichteten Sozialforschung, vor allem auch in der pädagogischen Praxis, etwa von Kindertagesstätten, Schulen und Jugendhilfe, könnten eine enorme konzeptionelle Kraft entfalten. Hier könnte, ja müsste weiter gedacht, weiter entwickelt und weiter geforscht werden. Dann würde sich der Kreis der zu Recht Interessierten sehr schnell in ganz viele Bereiche der pädagogischen Praxis hinein vergrößern und nicht auf die recht kleine Gruppe der wissenschaftlich und forschend Beteiligten beschränkt bleiben.

Rezension von
Prof. Dr. Joachim König
Evangelische Hochschule Nürnberg
Allgemeine Pädagogik & Empirische Sozialforschung
Leiter des Instituts für Praxisforschung und Evaluation
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Es gibt 26 Rezensionen von Joachim König.

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Zitiervorschlag
Joachim König. Rezension vom 14.11.2007 zu: Barbara Friebertshäuser, Heide von Felden, Burkhard Schäffer (Hrsg.): Bild und Text. Methoden und Methodologien visueller Sozialforschung. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2007. ISBN 978-3-86649-101-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/4708.php, Datum des Zugriffs 14.09.2024.


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