Thomas Kreher: "Heutzutage muss man kämpfen". Bewältigungsformen junger Männer [...]
Rezensiert von Dipl. Soz.-Päd. Gregor Prüfer, 28.05.2010
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Thomas Kreher: "Heutzutage muss man kämpfen". Bewältigungsformen junger Männer angesichts entgrenzter Übergänge in Arbeit. Juventa Verlag (Weinheim) 2007. 224 Seiten. ISBN 978-3-7799-1926-1. 19,50 EUR. CH: 34,30 sFr.
AutorInnen
Thomas Kreher präsentiert hier seine überbearbeitete Dissertation, die er an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Technischen Universität Dresden eingereicht hat und die von Prof. Dr. Lothar Böhnisch betreut wurde.
Entstehungshintergrund
Vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Gesellschaft mit veränderten Anforderungen an Jungen und Mädchen, Männer und Frauen stellt sich die Frage, wie wird der Übergang in den Beruf heute von jungen Männern bewältigt? Verunsicherung, mangelnde Perspektiven und unklare Übergänge insbesondere bei jungen Männern in benachteiligten Lebenslagen bestimmen eine Ambivalenz zwischen traditionellen und veränderten Vorstellungen von männlichen Lebensentwürfen. Dies erfordert eine genaue Betrachtung und für die Zukunft eine veränderte Haltung und veränderte Inhalte entsprechender sozialer Förderung. Thomas Kreher greift diese Fragen auf und schließt mittels der Auswertung biografischer Interviews von jungen Männern aus Ostdeutschland auf Ansätze zeitgemäßer und geschlechtersensibler Maßnahmen.
Aufbau und Inhalt
Thomas Kreher nähert sich dem Thema, indem er zunächst bedingungen von entgrenzten Übergängen definiert, er beschreibt Lebenswirklichkeiten im Übergang zum Beruf von jungen Männern. Anschließend beschreibt er mögliche Bewältigungsformen im Allgemeinen. Er legt sein Vorgehen in den biografischen Interviews offen und beschreibt dann drei exemplarische Fälle von jungen Männern mit prekären Übergangsperspektiven. In der Analyse beschreibt er die unterschiedlichen Formen der Bewältigung auf verschiedenen Ebenen. Abschließend bietet Thomas Kreher einen Ausblick in zukünftige Förderung und deren notwendige Schwerpunktsetzung.
Im ersten Teil beschreibt der Autor entgrenzte Übergange anhand der strukturellen Gegebenheiten. Besondere Aufmerksamkeit widmet er dabei dem Strukturwandel, hin zu Segmentierung (Zergliederung) und Entgrenzung (Auflösungstendenzen). Vor dem Hintergrund der Vorstellung von Normalarbeitsverhältnis und geschlechtshierarchischer Arbeitsteilung weichen immer mehr Lebensläufe ab. Rationalisierungsprozesse, Jugendarbeitslosigkeit, die Beschaffenheit von Benachteiligtenhilfe, als auch die Auflösung und Neugliederung von Lebensbereichen innerhalb der Gesellschaft werden hier näher erläutert.
Im zweiten Teil geht es um die spezifischen Bewältigungsformen von jungen Männern in der sich verändernden Arbeitsgesellschaft. Welche Möglichkeiten der Bewältigung bietet die biografische Auseinandersetzung und welche Rolle spielt dabei das Geschlecht „männlich“. Hierzu widmet der Autor seine Aufmerksamkeit möglichen männlichen Bewältigungsformen und beschreibt Phänomene von männliche Sozialisation, sowie männliche Externalisierung, Verdeckungen im Zusammenhang mit geschlechtshierarchischen Strukturen, männliche Erwerbsrollenfixierung, und rigide Männlichkeitsvorstellungen im Zusammenhang mit benachteiligten Lebenslagen. Einen weiteren Abschnitt widmet der Autor möglichen Lernorten und der Kompetenzentwicklung benachteiligter junger Männer.
Bevor sich Thomas Kreher den exemplarischen Fallportraits zuwendet, beschreibt er sein methodisches Vorgehen im dritten Teil. Seine Forschungsfragen beziehen sich hauptsächlich auf die Bewältigungsmuster von jungen Männern vor dem Hintergrund der individuellen Vorstellungen und biografischen Orientierungen der einzelnen Männer. Wie angemessen sind diese Vorstellungen für die Lebensrealitäten der Einzelnen und wo zeigen sich Lernprozesse? Desweiteren erläutert der Autor den biografischen Zugang, sein methodisches Vorgehen und seine Analyseverfahren.
Entsprechend der Beschreibungen im vorigen Teil stellt Kreher im vierten Teil drei junge Männer vor. Dies geschieht jeweils anhand eines Kurzportaits, der Beschreibung der jeweiligen Bewältigungsprozesse und der erkennbaren individuellen Lernprozesse.
Im fünften Teil fasst Thomas Kreher die Ergebnisse seiner Analyse zusammen und setzt diese in Bezug zu arbeitsgesellschaftlichen Orientierungen und den daraus resultierenden Fragen. Er vergleicht Bewältigungsanforderungen und Bewältigungsformen, er beleuchtet die jeweiligen Handlungsmöglichkeiten bei prekären Übergangsperspektiven und wendet sich den entsprechenden Lernorten und Lernprozessen im biografischen Kontext zu.
Im Ausblick beleuchtet Thomas Kreher kritisch die bisherigen Chancen von Bewältigungsformen und von sozialer Förderung in der Unterstützung dieser Leistung. Thomas Kreher kommt zu dem Schluss, dass Unterstützung zur Leistungsfähigkeit vor dem Hintergrund von Entgrenzung heutzutage deutlich zu kurz greift. Angemessene Förderung bedeutet in Zukunft in verstärktem Maße die Berücksichtigung auch jener Lebensbereiche, die nicht unmittelbar oder ausschließlich dem Erwerbsleben dienen.
Diskussion
Das Buch von Thomas Kreher nähert sich dem Thema seiner Absicht entsprechend von mehreren Seiten. Ein solider Theorieteil wurde hier mit den Falldarstellungen und einer weiterführenden Analyse verbunden. Die Lesbarkeit ist abhängig von den inhaltlichen Abschnitten unterschiedlich gut gewährleistet. Dennoch sind besonders in den zusammenfassenden Passagen auch komplexe Zusammenhänge bündig und pointiert beschrieben. Die Schwerpunktsetzung des Autors ist nachvollziehbar und dem Thema angemessen. Der Untersuchungsgegenstand ist eng gefasst und Ableitungen zu angrenzenden Themen wie Gewalt, Migration, Sucht oder Behinderung bei jungen Männern kommen daher etwas kurz.
Fazit
Besonders die Frage nach möglichen Handlungsansätzen bei der Förderung junger Männer mit prekären Lebensperspektiven scheint mir an diesem Buch sehr wertvoll. Die Beschreibung gesellschaftlicher Zusammenhänge im Geschlechterkontext bietet auch für Einsteiger mit sozialwissenschaftlichem Grundwissen einen guten Einstieg zum Geschlechtsbezug der Forschungsfragen. Als Leser aus dem Süddeutschen Raum kommt Neugier auf, wie sich diese Arbeit bei einer Untersuchungsgruppe aus der eigenen Region ausgenommen hätte.
Rezension von
Dipl. Soz.-Päd. Gregor Prüfer
M.A. Päd. / Dipl. Soz.-Päd.(FH)
War lange tätig in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit; Aktiv in der Vernetzung von Jungenarbeit in München seit 1993 (www.netzwerk-jungenarbeit.de), freiberuflicher Fortbildungsreferent zu Themen der Genderpädagogik und zu Gender Mainstreaming seit 1999. Seit 2005 Mitarbeiter im Münchner Informationszentrum für Männer mit den Schwerpunkten Männerberatung und Gruppenarbeit für Männer mit Gewalthintergrund (www.maennerzentrum.de), seit WS 2008/09 auch Lehrbeauftragter an der Katholischen Stiftungshochschule München (www.ksh.de). Seit 2011 außerdem Mitarbeiter am Pädagogischen Institut in München, zuständig für Geschlechtergerechte Pädagogik und Jungenförderung an den Städtischen Münchner Schulen (www.pi-muenchen.de).
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