Wulf D. Hund: Rassismus
Rezensiert von Prof. Dr. Gazi Caglar, 21.12.2007

Wulf D. Hund: Rassismus. transcript (Bielefeld) 2007. 170 Seiten. ISBN 978-3-89942-310-5. 15,80 EUR.
Thema
Das Buch ist ein originärer Beitrag zur Rassismusforschung und eine glänzende Einführung in die Rassismusanalyse nicht nur für ein allgemeines interessiertes Publikum, sondern vor allem auch für die Fachkreise.
Autor
Prof. Dr. Wulf D. Hund lehrt und forscht am Department für Wirtschaft und Politik der Universität Hamburg und ist neben seinen Studien zur kritischen Arbeitssoziologie ein hervorragender Kenner der Rassismusforschung. In einer Reihe von Fallstudien hat er sich mit rassistischen Stereotypen befasst und den theoretischen, historischen und strukturellen Dimensionen der Rassismusanalyse auseinandergesetzt. Das vorliegende Buch ist eine sehr gute Einführung in die Thematik auf der Grundlage dieser erkenntnisreichen Theoriebildung.
Aufbau und Inhalt
Das Buch enthält neben der Einführung und dem mit "Einsichten" überschriebenen letzten Kapitel drei weitere Kapitel, die nacheinander die Grundlagen (Rasse, Kultur, Herrschaft, Geschlecht, Klasse, Nation, Konstruktion, Inklusion, Exklusion, Rassismus als soziales Verhältnis), die Formen (Kultivierte und Barbaren, Reine und Unreine, Erwählte und Teufel, Zivilisierte und Wilde, Weiße und Farbige, Wertvolle und Minderwertige) und die Methoden (Desozialisation, Entfremdung, Differenzierung, Inferiorisierung, Stigmatisierung, Verkörperung, Assimilation, Segragation) der Konstruktion rassistischer Differenz behandeln, die zur Legitimation von Macht- und Herrschaftsansprüchen dient.
W. D. Hund plädiert für einen paradigmatischen Wandel in der Rassismusanalyse, da sie bis heute häufig Rassismus an Rasse binde und so seinen Entstehungszusammenhang verdunkle. "Der Rassismus ist älter als die Rassen" (S. 120), so fangen auch die "Einsichten" an, die wohl als das Kernstück des Buches bezeichnet werden dürften. Rassen werden behandelt als soziale Konstruktionen, die Produkt des Rassismus sind. Die unterschiedlichen Formen der rassistischen Diskriminierung erstrecken sich bis in die "europäische Antike" (S. 36 ff), so dass der Rassismus bei Hund keine epochale Eingrenzung erfährt, sondern seine negativen Vergesellschaftungsmuster auch in der vorkapitalistischen Periode rekonstruiert werden.
Ebenso kann sich die rassistische Diskriminierung mit Kategorien wie Geschlecht, Klasse, Nation und Kultur verbinden, so dass er von Geschlechterrassismus, Klassenrassismus, Nationalrassismus und Kulturrassismus spricht (S. 124 f). Der kritische Nutzen dieser Form der Erweiterung des Rassismusbegriffes sowohl in die Geschichte als auch auf andere konstruierte Identitätskategorien muss sich allerdings noch erweisen.
Fazit
Das Buch ist sprachlich brillant und verständlich geschrieben und bietet einen Einblick in die Geschichte und Gegenwart rassistischer Diskriminierung sowie theoretische Positionen in der Rassismusanalyse. Als theoretisch und historisch fundierte Einführung mit einer enormen Materialfülle möchte ich das Werk allen Interessierten ans Herz legen.
Rezension von
Prof. Dr. Gazi Caglar
Professor an der Fakultät für Soziale Arbeit und Gesundheit der HAWK Hildesheim / Holzminden / Göttingen
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