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Jens Beckert, Rainer Diaz-Bone et al.: Märkte als soziale Strukturen

Rezensiert von Prof. Dr. Joachim Thönnessen, 11.04.2009

Cover Jens Beckert, Rainer Diaz-Bone et al.: Märkte als soziale Strukturen ISBN 978-3-593-38471-9

Jens Beckert, Rainer Diaz-Bone, Heiner Ganßmann: Märkte als soziale Strukturen. Campus Verlag (Frankfurt) 2007. 335 Seiten. ISBN 978-3-593-38471-9. 29,90 EUR.

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Thema und Entstehungshintergrund

Karl Marx und Max Weber haben sich in grundlegenden Werken mit der Bedeutung, der Dynamik und den Auswirkungen von Märkten auseinandergesetzt. In der Folgezeit traten Joseph Schumpeter und (nach Ende des Zweiten Weltkrieges) Karl Polanyi mit wichtigen Beiträgen zur Soziologie der Märkte hervor. Seit Mitte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts begannen Vertreter der sog. ´neuen Wirtschaftssoziologie´ sich dem Phänomen ´Markt´ aus unterschiedlichen Perspektiven anzunähern – von Seiten der Netzwerktheorie, der Organisationssoziologie und der Kultursoziologie (vgl. Swedberg im Vorwort zum Sammelband, S. 11f).

Zu dem vorliegenden Sammelband haben einige der wichtigsten Vertreter der aktuellen wirtschaftssoziologisch geprägten Marktanalyse beigetragen. Er wurde herausgegeben von Jens Beckert (Professur für Soziologie und Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln), Rainer Diaz-Bone (wiss. Assistent am Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin) und Heiner Ganßmann (Professor am Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin).

Aufbau und Inhalt

Der Sammelband enthält 17 Beiträge und ist in vier thematische Teile untergliedert:

  1. Teil: Koordination, Unsicherheit und Vertrauen in Märkten
  2. Teil: Mechanismen der Preis- und Wertkonstruktion
  3. Teil: Markstrukturen und –dynamiken
  4. Teil: Tausch und Habitus in ökonomischen Feldern

Schon an der gewählten Aufteilung werden die Schwerpunkte der ´neuen´ Wirtschaftssoziologie deutlich. Verstärkt geht es um Fragen der ´Koordination der Handlungen der Akteure´ und der ´Entstehung geordneter Tauschbeziehungen´ zwischen Marktakteuren. Verwendet wird ein ´weiterer Institutionenbegriff´ und der Einbettungsbegriff wird auf ´kulturelle, sozialstrukturelle (Netzwerke) und kognitive Strukturierungen des Handelns´ ausgedehnt. Gerade das ´Verhältnis zwischen Institutionen, Netzwerkstrukturen und Handeln´ wird zu einem zentralen Forschungsthema. Institutionelle Kontexte gelten dabei „nicht als handlungsdeterminierend und auf dieser Grundlage als Variable in der Erklärung ökonomischer Makrophänomene, sondern vielmehr als durch Akteure interpretierte und interpretationsbedürftige soziale Tatbestände“ (Becker, Diaz-Bone, Ganßmann in der Einleitung zum Sammelband, S. 29).

Diskussion

Auf alle Beiträge kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Erfrischend und intelligent ist beispielsweise der Artikel von Jörg Rössel, der am Beispiel des Kunst- und Weinmarktes der These nachgeht, dass „Unsicherheit beim Kauf von Konsumgütern nicht allein bei den Erfahrungsgütern existiert, sondern generell bei Produkten, die stärker unter ästhetischen als unter instrumentellen Gesichtspunkten erworben und konsumiert werden“ (S. 167). Hochtheoretisch ist der Beitrag von Frank Hillebrandt, der unter Berufung auf Bourdieu die ´Simultanität von Tauschpraktiken´ untersucht.

Insgesamt erscheint es als eine grossartige Leistung der Herausgeber, dass eine solche Vielzahl von unterschiedlichen Beiträgen und Perspektiven zusammengetragen werden konnte (Kritische Betrachter mögen an dieser Stelle bemerken, das Ganze sei ein ´Sammelsurium´ thematisch wenig zusammenhängender Gedanken; denen möchte ich mich jedoch nicht anfügen). Der Sammelband stellt eine Bereicherung für die Wirtschaftssoziologie dar und hilft bei ihrer weiteren Etablierung, auch im internationalen Kontext.

Fazit

Die Beiträge des vorliegenden Bandes zeigen, dass die Soziologie des Marktes ein sich international breit entwickelndes Forschungsfeld ist. Es ist ein Anwendungsbereich aktueller soziologischer Theorieströmungen und Konzepte. Durch das proklamierte neue Selbstbewusstsein der wirtschaftssoziologischen Vertreter („die Wirtschaftssoziologie tritt aus ihrer selbst gewählten rolle der Ergänzungswissenschaft heraus“; Beckert, Diaz-Bone, Ganßmann in der Einleitung zum Sammelband, S. 39), wird die Reflexion auf das Verhältnis von Soziologie und Wirtschaftswissenschaften neu angeregt. Dieses Buch zeigt, dass die Wirtschaftssoziologie einen integralen Zugang zum Verständnis der modernen Wirtschaftsprozesse bietet.

Rezension von
Prof. Dr. Joachim Thönnessen
Hochschule Osnabrück, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Studium der Philosophie und Soziologie in Bielefeld, London und Groningen; Promotion in Medizin-Soziologie (Uniklinikum Giessen)
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Es gibt 55 Rezensionen von Joachim Thönnessen.

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Zitiervorschlag
Joachim Thönnessen. Rezension vom 11.04.2009 zu: Jens Beckert, Rainer Diaz-Bone, Heiner Ganßmann: Märkte als soziale Strukturen. Campus Verlag (Frankfurt) 2007. ISBN 978-3-593-38471-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/4995.php, Datum des Zugriffs 12.09.2024.


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