Heike Jung: Führen und Leiten in der öffentlichen Jugendhilfe
Rezensiert von Doris Scherer-Ohnemüller, 08.03.2008
Heike Jung: Führen und Leiten in der öffentlichen Jugendhilfe. Eine Studie zur Führungs- und Leitungssituation rheinland-pfälzischer Jugendamtsleiterinnen und Jugendamtsleiter.
Verlag Dr. Kovač GmbH
(Hamburg) 2007.
288 Seiten.
ISBN 978-3-8300-2763-8.
68,00 EUR.
Reihe: Chemnitzer Beiträge zur Sozialpädagogik - Band 4.
Thema
Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussen nicht nur Menschen und ihre persönlichen und sozialen Strukturen sondern ebenso öffentliche Verwaltungen. Das gilt vor allem für den Bereich der öffentlichen Jugendhilfe, die Jugendämter, die mit ihrem Leistungsangebot auf eben diese wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen und deren Auswirkungen für Kinder, Jugendliche und Familien reagieren müssen.
Leitungs- und Führungskräfte in Jugendämtern tragen die Verantwortung für die aus diesen Entwicklungen resultierenden Wandlungsprozesse. Dennoch erhalten Führungs- und Leitungsaufgaben in der öffentlichen Jugendhilfe immer noch zu wenig Aufmerksamkeit und das, obwohl das Jugendamt (gesetzlich im SGB VIII verankert) die zentrale kommunale Einrichtung der Kinder- Jugend- und Familienhilfe ist.
Um dieser Aufgabe gerecht zu werden ist es unerlässlich, Führungs- und Leitungskompetenzen einem ständigen Reflektions- und Qualifizierungsprozess unterziehen.
Entstehungshintergrund
Ihre eigenen beruflichen Erfahrungen als Führungs- und Leitungskraft in einem Jugendamt und Supervisorin motivierten die Autorin, Heike Jung, im Rahmen einer Dissertationsarbeit eine Studie zur Führungs- und Leitungssituation in rheinland-pfälzischen Jugendämtern durchzuführen.
Aufbau und Inhalt
Die Studie beinhaltet einen umfassenden theoretischen und emiprischen Teil. Als Untersuchungsmethode wurde das offene, mündliche, leitfadenorientierte Experteninterview gewählt. Elf rheinland- pfälzische Jugendamtsleiter und Jugendamtsleiterinnen wurden interviewt.
In den ersten vier Abschnitten dieser Studie werden die theoretischen Bezugsrahmen, Definitionen, Forschungsergebnisse, wissenschaftliche Grundlagen zu "Führung" und "Jugendhilfe" beschrieben und generelle Aussagen zur Forschungsmethodik und Durchführung der Untersuchung getroffen.
Der fünfte Abschnitt stellt das Jugendamt als Organisationseinheit einer kommunalen Selbstverwaltung vor und geht ausführlich ein auf seine einzigartige "duale Struktur" (Amt und Jugendhilfeausschuss, mit Vertretern und Vertreterinnen freier Träger der Jugendhilfe und Kommunalpolitik, bilden eine Einheit, § 70 SGB VIII) und seine daraus resultierende außergewöhnliche Stellung in der gesamten kommunalen Verwaltung. wird ausführlich eingegangen.
In weiteren sieben Abschnitten geht es um die Darstellung, Interpretation und Bewertung der Untersuchungsergebnisse, jeweils hinterlegt mit relevanten Literaturhinweisen. Es wird eingegangen auf:
- Ausbildungs- und Bewerbungsmotivation (Qualifikation und Fachlichkeit als Führungs- und Leitungsvoraussetzung)
- Führungs- und Leitungsverständnis (Antagonismus zwischen Anspruch und Wirklichkeit)
- Einflussfaktoren auf das Führungs- und Leitungshandeln z.B. durch(Verwaltungsstrukturen, Politik und Verwaltung sind unzureichend für die besondere Organisationseinheit Jugendamt)
- Strukturelle und soziale Gefüge der öffentlichen Verwaltung (Das unmittelbare Arbeitsverhältnis als entscheidender Einflussfaktor im strukturellen und sozialen Gefüge der öffentlichen Verwaltung)
- Geschlechtsspezifische Perspektiven (Mythos und Realität zu Gleichstellung und geschlechtsspezifischem Führungs- und Leitungshandeln)
- Qualifizierungsmaßnahmen, Beratungsmethoden, und Konzepte (Unterstützungsmanagement als notwendige prozesshafte Begleitung)
- Veränderungsprozesse im Führungs- und Leitungsverhalten sowie Perspektiven für die Zukunft (Wenig kann bleiben wie es ist - Veränderung ist maßgeblich
Die letzten drei Abschnitte beschäftigen sich mit insgesamt sechs, aus den Interviews rekonstruierten Deutungsmustern der Befragten. So z.B., wie gehen die Befragten mit bestimmten Situationen um? Wie integrieren sie die Wahrnehmungen in ihren beruflichen Kontext und welche Funktionen haben die Deutungsmuster im Arbeitsalltag? Des weiteren wird auf ihre Arbeitsbeziehungen sowohl zu ihren eigenen Vorgesetzten (Beigeordnete/Dezernenten) als auch zu ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eingegangen.
Darauf folgend werden die theoretischen Grundlagen zusammengefasst, neue Einsichten, Erkenntnisse aufgezeigt und die fünf wesentlichen, signifikanten Ergebnisse der empirischen Untersuchung dargestellt. Daraus resultierende Schlussfolgerungen und handlungsleitende Empfehlungen bilden den Abschluss.
Ein umfangreiches Literaturverzeichnis und den Leitfaden zu den Experteninterviews findet man im Anhang.
Fazit
Diese Studie liefert eine sehr gute und umfassende Beschreibung der alltäglichen Leitungs- und Führungspraxis unter Einbeziehung und Würdigung sozialpolitischer Zusammenhänge und der besonderen strukturellen Organisationsform des Jugendamtes. Nicht nur Interessierte an Führungs- und Leitungsaufgaben erhalten durch diese Studie einen theoretischen Überblick über und praxisbezogenen Einblick in diesen Aufgabenbereich. Bereits tätige Leitungsverantwortlichen in Jugendämtern und anderen Sozialverwaltungen finden viele ihrer bisherigen Erfahrungen in dieser Studie bestätigt. Sie erhalten jedoch ebenso Erklärungsmuster und wichtige Hinweise, um zum einen ihren eigenen Reflektionsprozess zu qualifizieren und zum anderen notwendige Veränderungsprozesse anstoßen und/oder mitgestalten zu können. Diese Studie ist eine solide Basis zur Reflexion der Leitungs- und Führungspraxis.
Rezension von
Doris Scherer-Ohnemüller
LVR-Landesjugendamt Rheinland, Köln
Es gibt 2 Rezensionen von Doris Scherer-Ohnemüller.
Zitiervorschlag
Doris Scherer-Ohnemüller. Rezension vom 08.03.2008 zu:
Heike Jung: Führen und Leiten in der öffentlichen Jugendhilfe. Eine Studie zur Führungs- und Leitungssituation rheinland-pfälzischer Jugendamtsleiterinnen und Jugendamtsleiter. Verlag Dr. Kovač GmbH
(Hamburg) 2007.
ISBN 978-3-8300-2763-8.
Reihe: Chemnitzer Beiträge zur Sozialpädagogik - Band 4.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/5019.php, Datum des Zugriffs 07.10.2024.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.