Stefan Gillich (Hrsg.): Streetwork konkret. Standards und Qualitätsentwicklung
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 03.08.2007

Stefan Gillich (Hrsg.): Streetwork konkret. Standards und Qualitätsentwicklung.
Triga Verlag
(Gründau-Rothenbergen) 2007.
214 Seiten.
ISBN 978-3-89774-542-1.
13,90 EUR.
CH: 25,10 sFr.
Reihe: Beiträge aus der Arbeit des Burckhardthauses - Band 14.
Streetwork ist "reflektierte Parteilichkeit"
Streetwork und Mobile Jugendarbeit sind zwei eigenständige und professionelle Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit. "Sie versuchen, Jugendliche und Erwachsene (in deren Lebenswelt) zu erreichen, für die der öffentliche Raum zum überwiegenden Lebensort geworden ist und über herkömmliche Angebote der Sozialen Arbeit nicht (mehr) erreicht werden". Der stellvertretende Leiter des Burckhardt-Hauses in Gelnhausen, Dipl.-Päd. Stefan Gillich (Jg. 1957) ist Herausgeber der mittlerweile richtungsweisenden und engagierten Jahrbücher für Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit. Insbesondere gilt sein Interesse dem "professionellen Handeln auf der Straße" (2006) und der Entwicklung von Qualitätsmerkmalen für eben dieses professionelle Handeln von SozialarbeiterInnen.
Entstehungshintergrund
Mit dem vorliegenden Buch dokumentiert Stefan Gillich als Herausgeber und Referent die theoretischen und praktischen Beiträge der Bundesarbeitsgemeinschaft Streetwork vom 19. bis 23. Juni 2006 im Burckhardthaus Gelnhausen durchgeführten Streetworker-Fachtagung.
Inhalt
Ziel des Treffens von Praktikern und Sozialwissenschaftlern war es, deutlich zu machen, dass "Streetwork als Chance für benachteiligte Personengruppen" gelten könne, Möglichkeiten eröffne, um "Brücken zu marginalisierten Gruppen zu bauen", mit der Streetworkertätigkeit "für angemessene Integrationsangebote Sorge zu tragen" und nicht zuletzt die "präventive Bedeutung von Streetwork" in die Gesellschaft hinein zu vermitteln. Die zentralen Handlungsprinzipien für Streetwork bilden dabei gleichzeitig den Rahmen für die Entwicklung von professionellen Standards und Qualitätsentwicklung:
- Niederschwelligkeit - weil die Angebote der Streetworker sich an den Bedürfnissen und Möglichkeiten ihrer Adressanten orientieren müssen.
- Freiwilligkeit der Kontaktaufnahme - als Voraussetzung für nachhaltiges Handeln.
- Akzeptanz des Andersseins - als humaner Wert.
- Vertrauensschutz und Gewährung der Anonymität - damit eine Zusammenarbeit überhaupt möglich wird.
- Verbindlichkeit - als Grundlage für Kooperation.
- Kontinuität - als vertrauensbildende Maßnahme.
- Orientierung an den Bedürfnissen und der Lebenswelt und Lebenswirklichkeit - weil nur so Kontakte geschaffen werden können.
- Ganzheitlichkeit - als Basis für eine stadtteilorientierte Gemeinwesenarbeit.
- Ressourcenorientierung - weil Schwächen und Stärken den Menschen ausmachen.
- Geschlechtsdifferenzierte Ansätze - als Möglichkeit zum Erkennen von rollenspezifischem Verhalten.
- Parteilichkeit - um Unterstützer, nicht Verwalter sein zu können.
- Interkulturelle Arbeit - damit kulturelle Sozialisation gelingen kann.
In der Dokumentation der Fachtagung werden im ersten Teil Grundlagen für Streetwork und Mobile Jugendarbeit referiert und diskutiert:
- Der Erfurter Sozialwissenschaftler Ronald Lutz reflektiert in einem lesenswerten Essay über "Straßensozialarbeit: Rahmenbedingungen und neue Herausforderungen". Er macht dabei auf die sich entwickelnde "Zwei-Klassen-Sozialarbeit" aufmerksam, die zwischen Almosen, wie die zunehmenden Suppenküchen, Kleiderkammern, u. a. und den sich dabei darstellendem schlechten Gewissen der "reichen Gesellschaft" pendeln und dabei die Bedürftigen weiterhin in die Marginalisierung treiben, und gleichzeitig das eigentliche Ziel eines Sozialstaates, nämlich den sozialen Ausgleich zwischen Wohlstand und Armut aus den Augen verlieren.
- Der Koordinator der innovativen und aktiven Treberhilfe Dresden e.V., Dieter Wolfer, zeigt in seinem Beitrag "Haltung, Qualität und Standards bei Streetwork und Mobiler Jugendarbeit" auf, dass eine personell gut ausgestattete Jugendarbeit das beste Instrument darstellt, "eine optimale, qualitativ hochwertige, effiziente und integrierende (Jugend-) Sozialarbeit anzubieten, die präventativ wirkt als aktivierende Gemeinwesenarbeit".
- Frank Dölker aus Fulda verdeutlicht, dass "interkulturelle Kompetenz als Schlüsselqualifikation in der Arbeit mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund" unverzichtbar ist.
- Stefan Gillich greift mit seinem Beitrag über "Sozialraumorientierung als Standard in der Arbeit mit Jugendlichen auf der Straße" in den Diskurs ein.
- Monika Jonischkat aus Bochum nimmt die Genderaspekte auf, indem sie über "Frauen im Arbeitsfeld Streetwork" spricht und geschlechtsspezifische Gesichtspunkte in Standards und Qualitätssicherung fordert.
- Die Bremer Tim Ossyssek und Guido Gulbins berichten über ihre Erfahrungen über "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in der aufsuchenden Jugendarbeit mit rechtsorientierten und migrantischen Jugendlichen".
- Tom Küchler aus Olbernhau stellt verschiedene "systemisch-lösungsorientierte Konzepte im Kontext der Einzelfallhilfe in den Arbeitsfeldern Streetwork und Mobile Jugendarbeit" vor.
- Silke Panhaus aus Dresden und Frank Thorausch aus Freital berichten über einen Workshop, in dem eine "erste Orientierungshilfe für NeueinsteigerInnen in Streetwork und Mobiler Jugendarbeit" vermittelt wurde.
Im zweiten Teil der Dokumentation geht es um einen Blick über den Gartenzaun.
-
Vera Junker-Eferl
informiert über "außerschulische Kinder- und Jugendarbeit in Wien";
- Mandy Eisenbeiss und Michele Salvatore diskutieren "aktuelle Entwicklungen der Mobilen Jugendarbeit in der Schweiz"; und
- Thomas Köhl und Stéphanie Silva stellen "gemeinsame Fachstandards für Streetwork in Luxemburg" dar.
Fazit
Weil fachliche Standards die Grundlagen von professionellen Handelns bei Streetwork und Mobiler Jugendarbeit sind, die Visitenkarte nach außen für die Streetworker darstellen und gleichzeitig als Selbstverpflichtung für die Professionellen gelten, ist die Qualitätsentwicklung auf diesem Feld der Sozialarbeit unverzichtbar. Die vorliegende Dokumentation bietet einen weiterführenden Baustein dafür an.
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
Mailformular
Es gibt 1710 Rezensionen von Jos Schnurer.