John Erpenbeck, Volker Heyse: Die Kompetenzbiographie
Rezensiert von Dr. Sandra Schaffert, 10.10.2009

John Erpenbeck, Volker Heyse: Die Kompetenzbiographie. Wege der Kompetenzentwicklung. Waxmann Verlag (Münster/New York/München/Berlin) 2007. 2., aktualisierte und überarbeitete Auflage. 496 Seiten. ISBN 978-3-8309-1808-0. 39,80 EUR.
Kompetenzentwicklung im Fokus
Kompetenzen statt Faktenwissen – diese Anforderung und Forderung findet sich in etlichen Memoranden und Stellungsnahmen zu den gewünschten Eigenschaften von Studierenden und Mitarbeitern. Wie Kompetenzen im Verlauf eines Lebens entstehen und sich entwickeln, ist die Fragestellung des im folgenden vorgestellten, im Jahr 2007 neu aufgelegten Fachbuchs.
Entstehungshintergrund
Prof. Dr. John Erpenbeck und Prof. Dr. Volker Heyse haben 1999 mit dem Buch „Die Kompetenzbiographie. Strategien zur Kompetenzentwicklung durch selbstorganisiertes Lernen und multimediale Kommunikation“ ein Standardwerk zur Entwicklung von Kompetenzen und Möglichkeiten der Erfassung ihrer biographischen Entwicklung veröffentlicht. Für die hier vorgestellte zweite Auflage, wurden u.a. Abschnitte über die Möglichkeiten des multimedialen Lernens, die in den 1990er Jahren aktuell waren, sich aber durch die Entwicklungen von Social Software grundlegend gewandelt haben (S. 9) herausgenommen. Im Vorwort zur zweiten Auflage werden die Änderungen und neueren Entwicklungen vorgestellt, u.a. wird hier auf das KODE-Verfahren zur Kompetenzerfassung und neuen Kompetenzpässe (u.a. der ProfilPASS) hingewiesen. Das Buch enthält auch Beiträge von Timo Meynhardt und Johannes Weinberg.
Aufbau und Inhalt
Das Buch gliedert sich in 6 Kapitel, die gut strukturiert und ausführlich die Grundlagen und Vorarbeiten sowie die eigenen Forschungen der Autoren zur biographischen Kompetenzentwicklung vorstellen und durch eine gute Einführung (Kapitel 1), sowie eine komprimierte Zusammenfassung der Ergebnisse sowie Folgerungen daraus (Kapitel 6) gerahmt werden.
- Kapitel 2 ist mit „Weiterbildungstheoretische Grundlagen“ überschrieben und beschreibt welche Möglichkeiten und Grenzen Erwachsene in unterschiedlichen Kontexten haben, beispielsweise am Arbeitplatz oder in Seminaren, um zu lernen. Lernen wird dabei als „Erwerb und Erweiterung von Wissen im breitesten Sinne“ aufgefasst (S. 34). Die Autoren begreifen dabei Lernen als eine „Antwort auf die Herausforderungen der Lebenswelt“ und weisen auf die Grenzen der „Didaktisierung von Bildung, Lernen und Kompetenzentwicklung“ hin. Zudem weisen sie auf Merkmale des Lernens von Erwachsenen hin, beispielsweise zur Diagnostik von Lernstilen und der veränderten Rolle der Erwachsenenbildner zum Lernbegleiter.
- Im vergleichsweise kurzen dritten Kapitel wird der „Zusammenhang von Selbstorganisation, selbstorganisierten Lernen, Kompetenzentwicklung und Biographie“ her- und dargestellt.
- Aufbauend darauf zeigt das vierte Kapitel die Möglichkeiten und Grenzen der biographischen Methode zur Erfassung der Kompetenzentwicklung und beschreibt dabei Grundlagen qualitativer Sozialforschung und Biographieforschung.
- Im fünften Kapitel werden drei Untersuchungen vorgestellt, bei denen Kompetenzbiographien erfasst wurden um Kompetenzentwicklungen zu beurteilen: Zum Einsatz kommen dabei u.a. die LIFO Fragebögen und Interviewtexte. In der ersten Untersuchung werden erfolgreiche Unternehmer von kleinen und mittleren Betrieben befragt und die Interviewtexte sowie standardisierte Fragebögen mit Kompetenzen und den in den letzten drei Jahren wahrgenommenen Veränderungen sowie Lernstilen ausgewertet. Die zweite Studie begleitete ein Führungskräfteentwicklungsprojekt, bei denen in Interviews die Änderungen der letzten Jahre, beispielsweise was sie als Führungskräfte dazu gelernt haben, inhaltsanalytisch ausgewertet. Drittens werden die Interviews der ersten Studie noch mit ATLAS/ti ausgewertet und so Zusammenhänge, v.a. wahrgenommene Kausalitäten der Interviewpartner bei der Kompetenzentwicklung darstellbar und dargestellt.
Diskussion
Jede Entscheidung für eine Theorie, für ein Vorgehen wird begründet und eingeordnet, auch die Zusammenfassungen und Überleitungen unterstützen beim Lesen dieses Fachbuchs, bei dem die Autoren eloquent in die Theorie und Empirie zur (biographischen) Kompetenzentwicklung einführen. Das die Erfassungsinstrumente gedruckt werden und die Auswertungen ausführlich vorgestellt werden, sollte Forscher und auch Praktiker im Bereich der Kompetenzentwicklung interessieren. Dabei ist zu beachten, dass sich die Studien v.a. auf diejenigen beziehen, die im hohen Maße selbstorganisiert handeln können, d.h. als Unternehmer und Führungskräfte entsprechende Kompetenzen aufweisen sollten.
Da sich das umfangreiche Buch (496 Seiten) mit knackigen sechs Kapiteln übersichtlich gegliedert ist und gleichzeitig detaillierte Auswertungen der Untersuchungen dargestellt werden, führt leider dazu, dass es im Text selbst teils unübersichtlich viele Untergliederungspunkte und -ebenen gibt. Überhaupt ist aus meiner Sicht nur am Layout des Buches etwas auszusetzen: Wie schön wäre ein Eindruck der Kapitelüberschrift, wie hilfreich Gedankenstützen am Rand oder weitere Hilfsmittel des Layouts, um das Lesen zu unterstützen – gerade die Abbildungen (z. B. der ATLAS /ti-Analysen) sind vielleicht authentisch und originell – aber schön sind sie nicht.
Fazit
Für diejenigen, die sich mit (biographischer) Kompetenzentwicklung, vor allem im unternehmerischen Kontext beschäftigen, ist dieses Buch uneingeschränkt zu empfehlen – ein Muss, um das man nicht herumkommt.
Rezension von
Dr. Sandra Schaffert
Pädagogin. Tätigkeit in Wissenschaft und Weiterbildung
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