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Dietmar Krone: Albtraum Erziehungsheim

Rezensiert von Prof. Dr. Peter Schütt , 15.06.2008

Cover Dietmar Krone: Albtraum Erziehungsheim ISBN 978-3-86703-323-7

Dietmar Krone: Albtraum Erziehungsheim. Die Geschichte einer Jugend. Engelsdorfer Verlag (Leipzig) 2007. 145 Seiten. ISBN 978-3-86703-323-7. 10,00 EUR.

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Vorbemerkung und Überblick

Diese Rezension kritisch. Kritisch in Kenntnis der Geschichte der deutschen Heimerziehungsgeschichte . Der Autor Dietmar Krone, Jahrgang 1954, schreibt über seine Geschichte als unerwünschtes Kind seiner Mutter  und seines ständig alkoholisierten Vaters. Er schreibt über sich als unerwünschtes Kind welches geschlagen wurde, gehungert hat und frühzeitig Kinderarbeit verrichten musste. Ein Kind taucht da auf ohne Kindheit. Ein Kind, welches weder erwünscht war, noch gutes Leben kennen lernte, ein Kind, welches Verzweiflung, Demütigung und Hilflosigkeit durch seine Mutter und Vater als besondere Tugenden kennen lernte. Abgeschoben und hilflos wurde er den Großeltern übergeben, dem nahe gelegenen Kinderheim oder sich selbst überlassen oder eingeschlossen. So fand der Autor in jungen Jahren (ca. 13/14 Jahre alt) den Weg zu einer Kirchengruppe und einem älteren Freund. Dies war letztlich Grund (sittliche Verwahrlosung) der Fürsorgeeinweisung bis zu seinem 21. Lebensjahr. Seine Leidensgeschichte als großes Kind und Jugendlicher in der Fürsorgerziehung Deutschlands aus den Jahren  1967 bis 1973 . Er beschreibt engagiert die eigenen Erinnerungen an Erfahrungen mit perversen Erziehern, erzählt von weiteren Demütigungen, von Elend, von Erniedrigungen, von unbezahlter Arbeit (teilweise bis zu 13 Stunden am Tag), und vom ungeheueren Gefühl des Verlassenseins von Menschen, von Menschen, die selbst nicht gut zu dem Autor waren. Oftmals ist der Text holperig und sprunghaft. Es sind Erinnerungen einer Kindheit ohne Netz und Boden. Es ist keine wissenschaftliche Arbeit. Es ist ein Dokument der Zeitgeschichte.

Zentrum dieses Dokumentes sind die Erfahrungen einer Kindheit ohne Liebe und Sorge, Erfahrungen aus den Heimen noch der 60iger Jahre in der alt BRD. Diese Erfahrungen sind  geprägt davon, Objekt fremder Mächte zu sein, bis hin zu Briefunterschlagungen und Zensur. Von Mächten, die ihre sadistische Freude als Erzieher und Pfarrer darin sahen, andere kleine Menschen zu bespitzeln, zu erniedrigen, zu quälen, hoffnungslos zu machen. Erziehern, die nach wie vor in den Ideologien des Faschismus und des lebensunwerten Lebens behaftet waren und danach handelten.

Zum Inhalt

Es beginnt mit der unerwünschten Ankunft als Geburt 1954. Dietmar Krone berichtet von den bescheidenen Verhältnissen zu dieser Zeit, vom Tod ihres Vaters, vom ständigen Begleiter Hunger, vom Frieren auf dem Dachboden und von den kleinen Freuden des Treffens von guten  Menschen, die abgeben konnten. Die Mutter, die nie eine war, hatte das Ziel, den jungen Dietmar los zu werden, ihn als billiges Objekt zu nutzen und so stand dann der Weg ins Fürsorgeerziehungsheim irgendwann auf der Tagesordnung.

Erst über den Weg der Psychiatrie traf der Autor Krone wieder Menschen, die sich um ihn sorgten und für ihn sorgten. So kam der Autor vorzeitig in Freiheit. In eine Freiheit ohne Netz und Boden und ohne gute schulische Vorbereitung oder Ausbildung. Der Autor beschreibt sich selbst als WILLENLOS, als ohne mitteilbarer Vergangenheit und ohne verwandtschaftliche Netze gestrandeter Mensch.

Durch Zufall und Glück landete der Autor im Kunsthandel und konnte sich darüber eine Existenz aufbauen. Spät hat Dietmar Krone dann angefangen über seine Vergangenheit zu reden und Forderungen auf Wiedergutmachung zu stellen. Dabei wird deutlich, wie schwer es diesen Menschen nach Jahrzehnten fällt, die Demütigungen und Erniedrigungen, die Gefühle des Verlassenseins  und der Wertlosigkeit zu formulieren gegen die, die dies verursacht haben.

Fazit

Für viele ehemalige Heimzöglinge wird dieses Buch trotz aller Kritik (Stil, Ungereimtheiten, mangelnde Sachlichkeit) ein Buch der Aufforderung und des Beispiels sein, aus dem eigenen Schweigen der Jahrzehnte auszubrechen.

Abschließend, es wäre gut wenn Caritas und Diakonie und Innere Mission und die Landschaftsverbände zu einer Entschuldigung und Wiedergutmachung kämen. Aber möglicherweise muss dieses auch erst vor den Gerichten erstritten werden. Das Buch ist dazu eine Hilfe.

Rezension von
Prof. Dr. Peter Schütt
Hochschule Mittweida, Fachbereich Soziale Arbeit
Sozialarbeiter, Dipl. Pädagoge, Dipl. Psychologe, Familientherapeut
1967 -1969 Mitarbeiter im Team "Haus am Bach", Heim für schwerst geschädigte Kinder/Jugendliche
1977-83 Projekt Pflegekinderarbeit
1983-1990 Arbeit mit ehemaligen psychiatrisierten Langzeitpatienten

Es gibt 11 Rezensionen von Peter Schütt .

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Zitiervorschlag
Peter Schütt . Rezension vom 15.06.2008 zu: Dietmar Krone: Albtraum Erziehungsheim. Die Geschichte einer Jugend. Engelsdorfer Verlag (Leipzig) 2007. ISBN 978-3-86703-323-7. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/5194.php, Datum des Zugriffs 13.12.2024.


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