Sonja B. Michaelsen: Bewegung und Schulsozialarbeit
Rezensiert von Prof. Dr. Katharina Megnet, 10.12.2008

Sonja B. Michaelsen: Bewegung und Schulsozialarbeit. Entwicklungschancen für Kinder durch Ganztagesschulen.
Waxmann Verlag
(Münster/New York/München/Berlin) 2007.
106 Seiten.
ISBN 978-3-8309-1804-2.
13,90 EUR.
Reihe: Bewegung und Kommunikation - Band 4.
Thema
In der Nachfolge der aktuell geführten Bildungsdebatten nach PISA wurde deutlich, in welcher Weise gerade auch Länder in denen die Ganztagsschulen zur Regel gehören erfolgreichere pädagogische Ergebnisse erzielten als Länder in denen das dreigliedrige Schulsystem noch die Regel ist. Im Zuge der durchaus recht zurückhaltenden Einführung von gebundenen Ganztagsschulen wurden bereits vielfältige Konzepte diskutiert und publiziert, die sich mit der Frage beschäftigen, in welcher Weise eine erfolgreiche, attraktive und ganzheitliche Förderung der SchülerInnen durch eine konzeptionell flexibel gestaltete Ganztagsschule strukturell umgesetzt und finanzierbar sein könnte.
Im vorliegenden Buch geht die Autorin, ausgehend von der Darstellung der Bedeutung der Bewegung für die kindliche Entwicklung der Frage nach, in welcher Weise sinnvolle bewegungsbezogene Angebote und Impulse an Ganztagsschulen verstärkt eingeführt und von SchulsozialarbeiterInnen durchgeführt werden können. Die Bedeutung dieser Veröffentlichung basiert darauf, dass sie durch das Aufzeigen schlüssiger Begründungzusammenhänge eine Handreichung bietet als Argumentationsgrundlage zur Implementierung einer bewegungsbezogenen Schulsozialarbeit an Ganztagsschulen, die das traditionelle Sportpädagogische Unterrichtsfach nicht ersetzen sondern ergänzen soll, im Hinblick auf eine fundierte Förderung, die die Schüler in ihrer körperlichen, kognitiven, emotionalen und sozialen Entwicklung im Blick hat.
Autorin und Entstehungshintergrund
Die Autorin Sonja B.Michaelsen, Sozialpädagogin in der Jugendarbeit und in Fortbildung zur Motopädagogin, schloss ihr Studium zur Dipl.Sozialarbeiterin Sozialpädagogin 2006 an der FH Münster ab. Die vorliegende Veröffentlichung basiert auf Ihrer Diplomarbeit. Sie verbindet darin auf sehr engagierte Weise ihre bisherigen Erfahrungen in der bewegungsbezogenen Kinder-und Jugendarbeit, theoretisch gut fundiert , mit curricularen Überlegungen zur Ausweitung der Implementierung von Stellen für Schulsozialarbeit mit einem bewegungsbezogenen Aufgabenfeld an Gesamtschulen.
Aufbau und Inhalt
Das vorliegende Buch ist in 5 Kapiteln gegliedert, in denen der Fragen nachgegangen wird, wie ein curriculares Konzept zur Implementierung einer bewegungsbezogenen Schulsozialarbeit an Gesamtschulen theoretisch schlüssig fundiert werden kann.
- Im ersten Kapitel führt Frau Michaelsen grundlegend in die Bedeutung der Bewegung für die ontogenetische und phylogenetische Entwicklung der Menschen auf der körperlichen, kognitiven und emotionalen Ebene ein. Sie zieht dabei einen Bogen von der Bedeutung der Bewegung für die kindliche Entwicklung bis hin zur Erörterung der sozialen und ökonomischen Ursachen und Folgen von Bewegungsmangel vieler Kinder in der heutigen Gesellschaft, deren Entwicklungsstörungen sich in Übergewicht, Störungen im Lern- und Leistungsverhalten, motorischen Auffälligkeiten, mangelndem Selbstwertgefühl und Verhaltensauffälligkeiten niederschlagen können. Ein weiterer Schwerpunkt des 1. Kapitels bildet die Herausarbeitung wesentlicher didaktisch-methodischer Grundsätze einer ganzheitlichen Bewegungserziehung, zur Entwicklung von individuellen, autonomen Handlungskompetenzen, durch gezielte Impulse, die vielfältige motorische, kognitive, soziale und emotionale Erfahrungen ermöglichen.
- Im zweite Kapitel zur "Schulsozialarbeit" setzt sich die Autorin zu Beginn mit der derzeitig noch ungenügenden rechtlichen Verankerung der Schulsozialarbeit auseinander. Sie bezieht sich in der Begründung auf unterschiedliche Literaturquellen, zur Herausarbeitung der Aufgaben von sozialer Arbeit im schulischen Kontext. Schulsozialarbeit soll u.a. nach M.Dilling ( 2001) die Arbeit der Kinder-und Jugendhilfe an den Schulen unterstützen, deren Aufgabe es ist, Entwicklungsprozesse zu begleiten und Kompetenzen zur Lösung von persönlichen und/sozialen Problemlagen zu fördern. Grundsätzliche Konzeptionsansätze und Handlungsprinzipien der Schulsozialarbeit werden in Bezug auf ihre gesetzliche Verankerung im KJHG dargestellt. Des weiteren geht Frau Michaelsen auf unterschiedliche Formen von Kooperationsmodellen zwischen Schule und Jugendhilfe ein und verdeutlicht dabei deren Vor-und Nachteile in Bezug auf die Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Einstellungsträger und Kooperationspartner, die in nicht zu geringem Maße die pädagogischen und sozialarbeiterischen Konzeptionen beeinflussen können.
- Unter der Überschrift "Grundsätze von Ganztagsschulen" setzt sich Frau Michaelsen sehr engagiert mit den Chancen und Möglichkeiten heutiger Ganztagsschulkonzepte auseinander. Ihre Ausführungen greifen aktuelle bildungspolitische Debatten im Nachklang der PISA Studie 2001 auf, die aufgrund des schlechten Abschneidens des Deutschen Bildungssystems die massive Förderung der Implementierung von Ganztagsschulen fordern. Auch wenn die durchaus optimistischen curricularen Überlegungen zur idealtypischen Form von Ganztagsschulen bisher nur unzureichend umgesetzt wurden, verdeutlicht die Autorin anhand der kritischen Darstellung der Grundsätze verschiedener Ganztagsschulmodelle Möglichkeiten, wie eine ganzheitliche und individuelle Förderung der Kinder strukturell umgesetzt werden kann. In idealtypischer Weise sollte die Ganztagsschule den Schülern Erfahrungsräume und Impulse zur ganzheitlichen Entwicklung durch die Förderung von sozialen-, kulturellen-, künstlerischen und bewegungsbezogenen Kompetenzen ermöglichen, unabhängig von den finanziellen Ressourcen der Familien. Inwieweit die finanziellen Möglichkeiten der Schulen wirklich ausreichen werden, diese Form der Breitenförderung anzubieten, wird sich in der konkreten Praxis zeigen, denn die durchaus auch positiv zu bewertenden Kooperationsmodelle mit anderen professionellen Institutionen, wie z.B. Musikschulen und Sportvereinen werden nicht ohne einen familiären Beitrag umgesetzt werden können.
- "Entwicklungschancen für Kinder durch Bewegung und Schulsozialarbeit an Ganztagsschulen". In diesem Kapitel findet eine Zusammenführung der bisherigen Schwerpunkte statt mit dem Ziele die herausgearbeiteten positiven Ansätze und Begründungen insoweit auf einander zu beziehen, dass eine theoretisch fundierte Argumentationslinie zur Implementierung bewegungsbezogener Schulsozialarbeitsangebote in der gebundenen Ganztagsschule deutlich wird. Ergänzt werden die theoretischen Ausführungen durch die Darstellung konkreter und bereichender Praxisbeispiele zur Bewegungs- und Entspannungsförderung, die in unterschiedlicher Weise in den rhythmisierten Tagesablauf der gebundenen Ganztagsschule eingefügt werden können, ergänzend zum regulären Sportunterrichtsangebot. In vorangegangenen Kapiteln benannte Prinzipien sozialarbeiterischen Praxis an der Schule, wie z.B. Ressourcenorientierung, Umweltorientierung und Präventionsarbeit, werden in diesem Kapitel in Bezug auf didaktische und methodische Überlegungen gezielter Bewegungsangeboten hin konkretisiert.
- Im Kapitel "Schulsozialarbeit und Ganztagsschule in der Praxis" wirft Frau Michaelsen anhand der nur für einzelne Bundesländer zur Verfügung stehenden veröffentlichten Daten einen Blick auf die aktuelle Stellensituation im Bereich der Schulsozialarbeit, sowie der aktuellen Verbreitung von Ganztagsschulen in der Bundesrepublik bzw. den einzelnen Bundesländern. Deutlich wird hierbei, dass das von der Autorin favorisierte Modell der gebundenen Ganztagsschule bei Datenerhebung 2003 nur mit ca. 10% in der Praxis vertreten war.
Das Schlusswort kann als Plädoyer zur Einführung möglicht vieler gebundener Ganztagsschulen gelesen werden, an denen SchulsozialarbeiterInnen die Möglichkeit bekommen sollten, den Schulalltag der Kinder durch vielfältige Formen von Bewegungsangeboten zu bereichern, um ressourcenorientiert und präventiv wirken zu können, um auf diese Weise die Entwicklungschancen und –möglichkeiten vor allem auch der sozial und sozioökonomisch benachteiligten Kindern zu erhöhen.
Zielgruppe
Das Buch eignet sich in besonderen Maße für Studierende und Dozenten der Studiengänge des Soziawesens und des Lehramts, weil es klare Begründungszusammenhänge für den Einsatz bewegungsbezogener Methoden, übertragbar auch auf tanz- und spielpädagogische Angebote, aufzeigt. Es kann als leicht und schnell zu lesende Handreichung überzeugende Anregungen für Bildungspolitiker, Schulrektoren und Vertreter der Jugendhilfe geben, die sich curricular mit schulischen Konzepten beschäftigen.
Letztendlich bietet dieses Buch Sozialpädagoginnen und Sozialarbeiterinnen interessante Impulse für ihre Praxis, nicht nur im Bereich der Schulsozialarbeit.
Fazit
Gerade in der jetzigen Anfangsphase der noch recht zögerlichen Einführung von unterschiedlichen Ganztagsschulkonzepten im Rahmen des Investitionsprogramms " Zukunft, Bildung und Betreuung" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ist es wichtig, dass sich engagierte Autorinnen zu Worte melden, die überzeugende Impulse für die pädagogische Praxis liefern, als Antwort auf die problematischen Folgen der zunehmende Bewegungs- und Anregungsarmut vieler Kinder, die zu vielfältigen Entwicklungsstörungen führen können, vor allem wenn diese einen sozioökonomische problematischen familiären Hintergrund haben.
Das von Frau Michaelsen entwickelte Konzept bietet wichtige Impulse zur Implementierung möglichst vielfältiger bewegungsbezogener Angebote für Kinder, die übertragbar sind auf unterschiedliche pädagogische Institutionen, in denen die ganzheitliche Entwicklungsförderung der Kinder eine Rolle spielt.
In leicht verständlicher Sprache verdeutlicht sie anhand recht vielfältiger Literaturquellen eine eigenständige Argumentationslinie, die anregende Impulse für die Praxis aber auch für die curriculare Weiterentwicklung der Studiengänge Soziale Arbeit im Bereich der Methodenkompetenzen geben kann.
Rezension von
Prof. Dr. Katharina Megnet
Professorin für Musik-,Tanz-und Theaterpädagogik im Studiengang Soziale Arbeit an der Katholischen Fachhochschule Freiburg
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