Klaus Boers, Jost Reinecke (Hrsg.): Delinquenz im Jugendalter (Längsschnittstudie)
Rezensiert von Prof. Dr. Hartmut-Michael Weber, 03.04.2008

Klaus Boers, Jost Reinecke (Hrsg.): Delinquenz im Jugendalter. Erkenntnisse einer Münsteraner Längsschnittstudie.
Waxmann Verlag
(Münster/New York/München/Berlin) 2007.
412 Seiten.
ISBN 978-3-8309-1769-4.
29,90 EUR.
Reihe: Kriminologie und Kriminalsoziologie - Band 3.
Herausgeber, Autorinnen / Autoren des Buchs
- Klaus Boers ist Direktor des Instituts für Kriminalwissenschaften an der Universität Münster und hat eine Professur für Kriminologie inne. Er ist Rechtswissenschaftler mit verschiedenen kriminologischen Forschungsschwerpunkten sowie Mitherausgeber der Zeitschrift "Neue Kriminalpolitik", Mitglied des Beirats der "Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform" und Vorsitzender der Regionalgruppe Westfalen-Lippe der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen.
- Jost Reinecke ist Professor für Soziologie und empirische Sozialforschung an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Neben anderen Schwerpunkten in der empirischen Sozialforschung beschäftigt er sich mit der Modellbildung zur Entwicklung von Jugendkriminalität. Diese Ausrichtung spiegelt sich in seiner Mitgliedschaft in verschiedenen Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie wider wie auch in seiner Eigenschaft als Mitglied im Editorial Board der Zeitschrift "Methodology".
Boers und Reinecke fungieren nicht nur als Herausgeber, sondern auch mehrfach als (Mit-)Autoren von Beiträgen. Die übrigen Autorinnen und Autoren, auf deren Beiträge im Folgenden ebenfalls eingegangen wird, haben an dem hier besprochenen Forschungsprojekt „Kriminalität in der modernen Stadt“ mitgearbeitet und verfügen über eine Ausbildung in Soziologie, Rechtswissenschaft oder Pädagogik.
Aufbau und Inhalt
Nach einem einführenden Überblick (Klaus Boers und Jost Reinecke) über ihr DFG-Forschungsprojekt "Kriminalität in der modernen Stadt" entfaltet Boers die Hauptlinien der kriminologischen Längsschnittforschung, indem er differenziert das Spektrum der theoretisch-empirischen Ansätze für Längsschnittuntersuchungen nebst ihren hauptsächlichen Untersuchungsergebnissen aus den vorwiegend angelsächsischen Ländern aber auch der Bundesrepublik entfaltet. Er schließt mit dem Hinweis, dass zur Zeit wohl trotz gewisser Fortschritte "diese Forschungen alles andere als abgeschlossen sind und sich in Deutschland allenfalls in der Anfangsphase" (S. 33) befänden.
Sodann stellen Boers und Reinecke ihr Strukturdynamisches Analysemodell und ihre Forschungshypothesen vor. Sie betonen, dass es sich bei der Untersuchung um eine kriminologische und zugleich soziologische Studie handelt, die Einstellungen und Verhalten auf der individuellen Ebene, auf der Ebene der Sozialstruktur und auf der Ebene der (formellen) sozialen Kontrolle untersucht und sich einer Analyse der (Wirk-)Zusammenhänge zwischen ätiologischen und konstruktivistischen Prozessen widmet (S. 41 ff.). Dieses "strukturdynamische Analysemodell" wird in einem Schaubild verdeutlicht, die drei Ebenen werden erläutert. Das Kapitel endet mit differenzierten Forschungshypothesen, wie sie vor allem Längsschnittuntersuchungen ermöglichen.
Andreas Pöge und Jochen Wittenberg erläutern sodann das Untersuchungsdesign und die Stichproben der Münsteraner Schülerbefragungen. Es wurden zwischen den Jahren 2000 und 2003 in Münster vier Schülerbefragungen durchgeführt, drei Querschnitte der Schülerjahrgänge 7, 9 und 11 (Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Sonderschule) im Jahr 2000 sowie eine Längsschnittbefragung beginnend im Schülerjahrgang 7 und endend im Schülerjahrgang 10 (jährliche Befragungen 2000 bis 2003, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Sonderschule). Die Fallzahlen der Querschnitte schwankten zwischen 1947 und 1816, die Fallzahl des "Vier-Wellen-Panels" betrug 813 und wird von den Autoren als repräsentativ bezeichnet. - Ferner unternahm das Forschungsteam im Jahr 2001 eine Querschnittuntersuchung der Jahrgänge 7, 9 und 10 in Bocholt und eine Paneluntersuchung in Duisburg, beginnend mit dem Jahr 2002 und dem Jahrgang 7, der bis zum Jahrgang 11 begleitet werden soll. Hier liegen erste Teilergebnisse vor.
Außerdem fanden Zusatzerhebungen (Marc Brondies und Alina Pöge) statt. In der vierten Befragungswelle (2004) erfolgte eine Erhebung von Registrierungsdaten der Polizei und Eintragungen im Erziehungsregister; ferner gab es eine Lehrerbefragung über Präventionsaktivitäten in den Klassen, um den Einfluss von Präventionsmaßnahmen zu überprüfen.
Der Verbreitung und Entwicklung delinquenten und abweichenden Verhaltens unter Jugendlichen widmet sich sodann der Beitrag von Klaus Boers und Christian Walburg. Auch in der Münsteraner Untersuchung ließ sich die These der Ubiquität leichter bis mittelschwerer Delinquenz im Jugendalter bestätigen, offenbar überraschend waren für die Forscher die darauf folgenden Spontanbewährungen ab dem 14. und 15. Lebensjahr. Solche Spontanbewährungen trafen auch auf die Gruppe der Mehrfach-Gewalttäter (fünf und mehr Delikte im vergangenen Jahr) zu – ein Widerspruch zu weitläufigen Annahmen über die "Karrierepersistenz" solcher Täter. Im Übrigen gilt diese These der Spontanbewährungen auch für den Zusammenhang zwischen Alkohol-/Drogenkonsum und Gewalttaten.
Alina Pöge berichtet über Untersuchungsergebnisse zur Klassifikation Jugendlicher anhand ihres delinquenten Verhaltens. Sie stellt heraus, dass eine Klassifikation der Münsteraner Jugendlichen nach den üblichen Deliktskategorien (Gewalt-, Eigentums- und Sachbeschädigungsdelikte) nicht sinnvoll ist, sondern eine Klassifizierung nach der Schwere der begangenen Delikte. Empirisch ließen sich als typische Delinquenzmuster herausarbeiten eine "Ladendiebstahlsklasse", eine Gruppe mit Begehung von Körperverletzung ohne Waffen und Sachbeschädigungen als dominanten Delikten und ein drittes Delinquenzmuster der vielseitigen und schweren Delinquenzbelastung. Pöge nimmt an, dass man sich insofern bei der Konzeption von Präventionsmaßnahmen auf eine überschaubare Anzahl von typischen Mustern konzentrieren könne.
Jost Reinecke geht es in seinem Beitrag über beobachtete und unbeobachtete Heterogenität im Delinquenzverlauf um die Frage des Zusammenhangs von beobachteten (exogenen) Variablen wie Geschlecht und Schulform der Jugendlichen und unbeobachteten, latenten Variablen (Delinquenzentwicklung). Aus seinem Datenmaterial schälten sich drei Klassen von Jugendlichen heraus:
- solche, die im Untersuchungszeitraum nicht oder kaum delinquentes Verhalten zeigten ("non-offenders"),
- solche mit einem geringen Ausgangswert und einer geringen Wachstumsrate ("low-rate-adolescents") und schließlich
- solche mit einem hohen Ausgangswert und einer deutlich stärkeren Wachstumsentwicklung ("high-rate-adolescents").
- Erstens, dass in Münster zwar bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine erhöhte Belastung mit Gewaltdelikten und Mehrfachtäterschaft vorgefunden wurde, in der parallel zur Münsteraner Untersuchung durchgeführten Duisburger Vergleichsuntersuchung hingegen nicht. Offenbar gibt es also spezifische städtische Kontexte, die hier nach Walburg den Ausschlag geben.
- Zweitens, dass die in multivariaten Analysen hinter dem Etikett des Migrationshintergrundes gefundenen Variablen der sozioökonomischen Lage der Familien und im besonderen der (ausschlaggebenden!) Bildungsbenachteiligung (Schulform) die erhöhte Belastung mit Gewaltdelikten erklären.
- Drittens, dass bei den im Inland geborenen Jugendlichen von Eltern mit Migrationshintergrund trotzdem noch ein erhöhtes Gewaltdelinquenzrisiko verbleibt, relativiert allerdings durch die Anmerkung, dass hier die Stichprobe sehr klein und heterogen sei, m.a.W. noch weiter Forschungsbedarf bestehe.
Hier ließen sich Alltagshypothesen bestätigen wie bspw., dass männliche Schüler mit geringerem Bildungsniveau eine höhere Wahrscheinlichkeit hatten, in der delinquentesten Klasse zu sein als weibliche Jugendliche auf gleichem Bildungsniveau, und dass weibliche Jugendliche eine höhere Wahrscheinlichkeit hatten, zu den nicht oder nur gelegentlich auffälligen Personen zu gehören, als männliche.
In einer Analyse der Motive und Hemmnisse jugendlicher Ladendiebe (Jochen Wittenberg) ergaben sich keine empirisch belegbaren, dominanten Erklärungsmuster für das Begehen oder Nicht-Begehen von Ladendiebstählen, sieht man davon ab, dass entdeckte Täter etwas seltener rückfällig werden als unentdeckte Täter und dass gerade der Ladendiebstahl passageren Charakter hat: "Jugendliche, die einen Ladendiebstahl begangen haben, tun dies zwar mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch im folgenden Jahr, mehrheitlich verhalten sie sich dann jedoch konform" (S. 169).
Daniela Pollich beschäftigt sich in einem weiteren Kapitel mit der kognitiven Emotionstheorie von Richard S. Lazarus und ihrer Anwendung auf jugendliches Gewalthandeln. Hier wird lediglich überprüft, welche Grundbegriffe der Lazarus'schen Theorie sich für die Münsteraner Studie operationalisieren lassen. Im einzelnen sind dies Untersuchungsitems zum "Primary Appraisal", bei dem der Betroffene eine Umweltsituation daraufhin einschätzt, inwiefern sie für ihn irrelevant, gutartig positiv oder stressig ist (wobei der letzteren Einschätzung i. S. der Untersuchung die größte Bedeutung zukäme), zum "Secondary Appraisal", bei dem der Betroffene reflektiert, was er in der negativ bewerteten Situation tun kann, um Schaden abzuwenden oder zu mildern, und zum "Coping", worunter in der Münsteraner Studie das konkrete Gewalthandeln verstanden wird. Auf der Basis jenes Verständnisses kündigt Pollich umfassendere Analysen an.
Den Zusammenhang von sozialen Jugendmilieus und Delinquenzuntersucht Andreas Pöge. Hier erfährt man, dass eine lebensweltliche Orientierung der Untersuchung offenbar sehr ertragreich ist, wenn Lebensstile und soziale Milieus auf einen Zusammenhang mit der selbstberichteten Delinquenzbelastung untersucht werden. Interessant hier die Operationalisierung durch Selbstzuschreibungen zu verschiedenen Musikmilieus ("Die Vielseitigen", "Die angepassten Hip-Hopper", "Die Hip-Hopper und Raver", "Die konformen Durchschnittlichen" usw.) und Wertemilieus ("Die zufriedenen Pluralisten", "Die deprivierten Pluralisten", "Die unangepassten Deprivierten", die "Technik-Hedonisten", "Die Religiösen" usw.). mit einer Fülle von Ergebnissen, die der weiteren Auswertung harren und sicherlich auch folgenreich für Ansätze der Prävention von Jugenddelinquenz sind, bspw. in der offenen Jugendarbeit. Darüber sollte man allerdings nicht vergessen, dass solchen Klassifizierungen auch die Tücken einer mehr oder minder gewaltförmigen Abstraktion eignen, auch wenn es sich um Selbstzuordnungen handelt.
Ein weiteres Kapitel verspricht sehr viel Ertrag für diejenigen, die sich ein differenziertes Bild über die von populistischer Kriminalpolitik wie z. B. jüngst im Hessischen Landtagswahlkampf hergestellte, simple Verknüpfung von erhöhter Gewaltbelastung und "Ausländer-" bzw. Migrationshintergrund machen wollen. In Christian Walburgs Beitrag über Migration und selbstberichtete Delinquenz scheinen mir drei Ergebnisse von besonderer Bedeutung zu sein:
Kristina-Maria Kanz widerlegt in ihrem Beitrag über Mediengewalt und familiäre Gewalterfahrungen die gängige monokausale These von Gewaltfilmkonsum / Gewaltbildschirmkonsum als Ursache und Gewaltdelinquenz als Wirkung solchen Konsums. Es seien weitere Variablen, die man bei solchen Untersuchungen zu berücksichtigen habe, als da sind die erfahrenen Erziehungsmethoden im Elternhaus, die eine Gewaltdisposition ermöglichen könnten, und auch die besuchte Schulform. Empirisch ließ sich belegen, dass es über alle Schulformen hinweg lediglich einen schwachen Zusammenhang zwischen Gewaltmedienkonsum und Gewaltdelinquenz gab; für die Mädchen allerdings einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Konsum gewalthaltiger Bildschirmspiele und Gewaltdelinquenz. Ferner darf man nach Kanz von einer verstärkenden Wirkung des Gewaltmedienkonsums auf das eigene Gewaltverhalten insbesondere bei den Hauptschüler(innen) ausgehen. Es handelt sich hier um die Unterstichprobe, deren Probanden am häufigsten nicht-empathisch erzogen wurden. Kanz legt die Annahme einer Risikogruppe nahe: Hauptschülerinnen, bei denen die eigene Gewaltbereitschaft (aufgrund familiärer Erziehung) durch den Konsum medialer Gewalt verstärkt wird. Letztlich verweist sie aber auf die Notwendigkeit weiterer multivariater Analysen, um deutliche Wirkzusammenhänge herauszuarbeiten.
Marc Brondies (Schule als Sozialisations- und Präventionsraum) überprüft verschiedene Präventionsmaßnahmen, die an Münsteraner Schulen praktiziert werden, auf ihre Wirksamkeit. Als wirksame Maßnahmen arbeitet er erstens Selbstbehauptungstrainings heraus, die vor allem von Schülerinnen besucht wurden und mit einem geringeren Viktimisierungsrisiko sexueller Belästigungen einhergingen, sowie zweitens Klassengespräche über Alkohol, Drogen und Kriminalität, bei denen sich in der Kontrollgruppe, die noch nie an solchen Maßnahmen teilgenommen hatte, die Delinquenzprävalenzen von der 9. auf die 10. Klasse außerordentlich stark erhöht hätten. Brondies schließt seinen Beitrag mit einem Hinweis auf Art. 7 des Grundgesetzes, die Landesverfassungen und die Schulgesetze der Bundesländer ab, indem er neben dem Bildungsauftrag den umfassenden Erziehungsauftrag der Schule (Schule als Sozialisations- und Präventionsraum!) hervorhebt.
Über das Verhältnis von Wertorientierungen, Freizeitstilen, Rechtsnormen und Delinquenz im Quer- und Längsschnitt referiert Jost Reinecke. Nach seiner Auswertung haben Wertorientierungen, Freizeitstile und Rechtsnormen grundsätzlich Erklärungswert für die Delinquenz von Jugendlichen in einer bestimmten Altersphase: "Delinquenzfördernd wirken eher hedonistische, deprivative und technikorientierte Einstellungen, delinquenzreduzierend sind dagegen traditionelle Einstellungen" (S. 357). Jener Wirkzusammenhang sei allerdings indirekt vermittelt über die Nichtakzeptanz von Rechtsnormen und extrinsisch motiviertes, gruppenorientiertes Freizeitverhalten. Die Abnahme der Delinquenz, die ab dem 15. Lebensjahr zu verzeichnen ist, sei dagegen auf die Umsetzung zunehmend internalisierter Rechtsnormen zurückzuführen.
Die Veröffentlichung schließt mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick (Jost Reinecke und Klaus Boers) ab.
Es gibt einen Anhang, in dem der Leser den Schülerfragebogen 2002 selbst in Augenschein nehmen kann.
Bewertung
Das Buch gefällt durch die umsichtige und, dort wo es angebracht ist, auch die vorsichtige Formulierung von Untersuchungsergebnissen mit entsprechenden Hinweisen auf möglicherweise durch bestimmte Faktoren begrenzte Möglichkeiten der Interpretation.
In den meisten Kapiteln findet sich eingangs ein gut strukturierter Überblick über die für das Thema des Kapitels einschlägigen Forschungsergebnisse, so dass es der Leserin bzw. dem Leser erleichtert wird, den Gang der empirischen Untersuchung bzw. die Hypothesen und deren empirische Überprüfung nachzuvollziehen.
Nichtsdestoweniger gibt es in manchen Beiträgen (bspw. denen von Pöge, S. 97 ff., oder von Reinecke, S. 130 ff., 335 ff.) relativ voraussetzungsvolle Passagen, für die intensivere Vorkenntnisse quantitativer Methoden empirischer Sozialforschung erforderlich sind. Dies lässt das Buch für manche Lesergruppen nicht unbedingt attraktiv erscheinen. Hier sollte sich das Münsteraner Untersuchungsteam bemühen, entsprechende Forschungsfolgen-Abschätzungen durch Aufsätze in gängigen Fachzeitschriften unterzubringen. Gerade die Diskussion um Jugendkriminalität hat in der Vergangenheit gezeigt, dass für Politik und Praxis ein entsprechender Übersetzungsbedarf besteht.
Die Befunde zu polizeilichen und justiziellen Kontrollinterventionen werden in diesem Buch noch nicht vorgestellt, da die Verbreitung der Hellfeldkriminalität erst mit dem Ende des Heranwachsendenalters ein Maß erreicht, das aussagekräftigere Analysen gestattet. Hier dürfen wir auf künftige Untersuchungsergebnisse gespannt sein. Dies nicht zuletzt deshalb, weil wohl erst ein Abgleich mit jenen Interventionsdaten näheren Aufschluss darüber erlauben dürfte, inwiefern die Variable "selbstberichtete Delinquenz" (hier handelt es sich schließlich um großenteils emotional gefärbte Wahrnehmungen ex post) sich als valide erweist oder ob hier etwaige Phänomene des Unterberichtens von Delinquenz (z. B. um selbst als "moralisch besser" zu erscheinen) oder des Überberichtens (z. B. um sich selbst als besonders "cool" darzustellen) eine Rolle spielen. So schließen bspw. Köllisch und Oberwittler (KZfSS 56, 2004, 708 ff., 731) auf der Grundlage ihrer Untersuchungsergebnisse, "dass die Validität [ihrer] Selbstberichte in der Schulbefragung durch differentielle Effekte der sozialen Erwünschtheit auf das Antwortverhalten beeinträchtigt wird".
Fazit / Zielgruppen
Das Buch ist sehr gut aufgebaut und höchst lesenwert. Es bietet umfassende Information zu einem günstigen Preis, stellt man in Rechnung, dass Forschungsberichte normalerweise keine hohe Auflage haben und deshalb teuer sind. Hier dürfte sich die Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft bezahlt gemacht haben.
Das Buch ist wichtig für alle Berufsgruppen, die sich für Delinquenz im Jugendalter und deren Prävention interessieren. Es ist ein Muss für alle, die informiert über Jugenddelinquenz mitreden wollen.
Rezension von
Prof. Dr. Hartmut-Michael Weber
Hochschule Fulda, Fachbereich Sozialwesen
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Zitiervorschlag
Hartmut-Michael Weber. Rezension vom 03.04.2008 zu:
Klaus Boers, Jost Reinecke (Hrsg.): Delinquenz im Jugendalter. Erkenntnisse einer Münsteraner Längsschnittstudie. Waxmann Verlag
(Münster/New York/München/Berlin) 2007.
ISBN 978-3-8309-1769-4.
Reihe: Kriminologie und Kriminalsoziologie - Band 3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/5407.php, Datum des Zugriffs 04.12.2023.
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