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Bernt Schnettler, Hubert Knoblauch (Hrsg.): Powerpoint-Präsentationen

Rezensiert von Prof. Dr. Thomas Münch, 31.03.2009

Cover Bernt Schnettler, Hubert Knoblauch (Hrsg.): Powerpoint-Präsentationen ISBN 978-3-86764-030-5

Bernt Schnettler, Hubert Knoblauch (Hrsg.): Powerpoint-Präsentationen. Neue Formen der gesellschaftlichen Kommunikation von Wissen. UVK Verlagsgesellschaft mbH (Konstanz) 2007. 304 Seiten. ISBN 978-3-86764-030-5. 29,00 EUR.

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Thema

Ihnen ist wahrscheinlich nicht bewusst, welch gefährliches Werkzeug die Microsoft Software Powerpoint darstellt? Dass der Absturz der Challenger Raumfähre durch dieses Programm verursacht worden ist? Weil es die Problemanalyse bei der NASA nie weiter geführt hat, als zu maximal fünf Spiegelstrichen! Und dadurch konnte das Problem der unsicheren Dichtungsringe in den Treibstofftanks der Challenger nicht entdeckt werden. Und Sie benutzen Powerpoint immer noch tagtäglich in Vorträgen, Vorlesungen und Seminaren? Obwohl der amerikanische Soziologe Edward Tufte schon 2003 behauptet hat, „Powerpoint is evil“! Ist diese Präsentations - Software vielleicht eher eine Waffe?

Der Untertitel des von Bernt Schnettler und Hubert Knoblauch herausgegebenen Sammelbandes lässt aber schon erkennen, dass es hier um „neue Formen der gesellschaftlichen Kommunikation von Wissen“ geht und nicht um eher abseitige Fragestellungen. Obwohl die techniksoziologischen Arbeiten von Tufte so abseitig nun auch wieder nicht sind.

Hubert Knoblauch hat bereits in seinem 2005 publizierten Band „Wissenssoziologie“ ( https://www.socialnet.de/rezensionen/3258.php ) sehr schlüssig argumentiert, dass die Wissensgesellschaft der neue Typus der postfordistischen Gesellschaft ist. „Wissen“ ist die zentrale Ressource und ist das zentrale Produkt dieser neuen Gesellschaftsformation. In dieser neuen Gesellschaftsformation gibt es folgerichtig neue Kommunikationsformen, von denen die Präsentations-Software Powerpoint eine zentrale ist. Diese neue Kommunikationsform steht im Fokus des von Knoblauch und Schnettler geleiteten Forschungsprojektes „Die Performanz computergestützter visueller Präsentationen“ und die Ergebnisse dieser Forschung werden in diesem Sammelband präsentiert.

Untersuchungsziel

Dabei geht es nicht um eine klassische techniksoziologische Untersuchung, vielmehr steht im Mittelpunkt der Untersuchung die „neue Gattung der Präsentation als Ganzes, also die ‚realweltliche‘ und gesamtheitliche Kommunikationssituation, in der Folien gezeigt werden“(10). Forschungsleitend sind dabei die Fragen nach der neuen Art und Weise der Realisierung des kommunikativen Handelns mit Powerpoint, sowie nach der Art und Weise wie diese neue Software den mündlichen Vortrag verändert.

Aufbau und Inhalt

Bereits in der Einleitung von Schnettler, Knoblauch und Pötzsch wird die Generallinie des Bandes und damit des Forschungsprojektes erkennbar: Powerpoint ist eine eigenständige kommunikative und performative Gattung, eine Gattung, in der die foliengestützte Kommunikation und Performanz im Mittelpunkt stehen. Mit Performanz wird dabei gemeint, dass „zwischen Sprecher und Publikum vielfältige Interaktionen und Kommunikationsabläufe entstehen“(19) die zeitlich, körperlich und multimedial hergestellt werden. Und dieser situative und prozesshafte Aspekt sei es, der die Powerpoint-Präsentation von einer reinen Technik der Folienerzeugung unterscheide.

Wie sich diese neue Performanz und Kommunikation realisiert, ist der rote Faden des Bandes. Nach einer Einleitung der Herausgeber folgt ein erster historischer und systematischer Überblick über die Entwicklung des Mediums – schließlich sind Overhead-Folien und Diavortrag noch nicht so lange Vergangenheit und klassische Fragen der Rhetorik sind auch heute noch aktuell. Und eine linguistische Analyse der neuen wissenschaftlichen Präsentationformen macht das Spannungsverhältnis zwischen Text, Performanz und Bild deutlich erkennbar.

Die folgenden empirischen Kapitel des Bandes untersuchen im ersten Schritt die Elemente und Formen der Powerpoint-Präsentation und im zweiten Schritt die Interaktionsanordnung. Wir lesen über die „Ikonographie der Folien“, über „Zeigen und Wissen“ und über die „Orchestrierung von Listen“. Aber auch über die Funktion von Pannen im Vortrag – wer kennt das nicht – über den „Raum der Rede“ und über die „Güte von Präsentationen“ erfahren wir als Leserin und Leser empiriegestützte Fakten.

Im Schlusskapitel „Präsentation und Gesellschaft“ fassen Schnettler und Knoblauch ihre „Nachüberlegungen“ zur Präsentation der Wissensgesellschaft unter sieben Gesichtspunkten zusammen:

  1. Präsentation als neue „Gattung“ liefert eine Antwort darauf, dass fast alle gesellschaftlichen Bereiche im Kontext von „Wissensarbeit“ Kommunikation leisten müssen. Diese neue Kommunikation verwendet als Werkzeug die Powerpoint-Präsentation, die in fast alle gesellschaftlichen Bereiche hinein diffundiert;
  2. Präsentationen erheben die präsentierte Information in den Rang von Wissen und präsentieren gleichzeitig den Vortragenden, der seine performativen Qualitäten zur Bewertung frei stellt – eine dreifache Performanz muss beachtet werden: die „Produkte müssen gut performen“ (271), der Vortragende muss sich gut darstellen können und er muss kundenorientiert handeln;
  3. bei der Präsentation handelt es sich um eine Kommunikationsgattung, die „konstitutiv ist für die in der soziologischen Gegenwartsdiagnose als ‚Wissensgesellschaft‘ bezeichnete Gesellschaftsformation“ (271);
  4. der durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien hervorgerufene Strukturwandel erzwingt eine „Renaissance des Präsentismus“ – die neuen globalen Internet - Nomaden scharen sich um das Herdfeuer der Powerpoint – Präsentation um Kooperation zu ermöglichen;
  5. die Powerpoint-Präsentation erzeugt darüber hinaus eine neue Präsentationsökonomie (spezialisierte Unternehmen für das Sujet), eine neue Präsentationsökologie (technische Infrastruktur) und neue Präsentationsexamina (Präsentationsprüfungen im Bildungssystem);
  6. Powerpoint bietet nicht nur „Kommunikationskrücken“ für schlechte Redner, sondern dient auch und vor allem der „Übersetzung komplexer Zusammenhänge auf die Ebene einer an der visuell geschulten Alltagserfahrung ausgerichteten Basissprache“ (277) – die Software als „Kommunikationsbrücke“;
  7. durch seine Simplizität, Redundanz, Wandelbarkeit und Anpassungsfähigkeit ist die Powerpoint – Präsentation das „Basisidiom“ bzw. die „Brückenpraxis“ der Wissensgesellschaft. „Insofern ist es berechtigt zu sagen, die Powerpoint – Präsentation sei ein neues universales Verständigungsmittel des 21. Jahrhunderts“ (282) – mit diesem Satz schließt folgerichtig der Band.

Diskussion

Dass unsere Gesellschaftsformation als Wissensgesellschaft zu bezeichnen sei, ist nicht unumstritten. Man denke nur an die Kritik dieser Konstruktion, wie sie André Gorz in seinem letzten Buch „Wissen, Wert und Kapital“ (André Gorz: Wissen, Wert und Kapital – zur Kritik der Wissensökonomie. Zürich 2004) entwickelt hat.

Aber unabhängig davon, ob man dem Apriori „Wissensgesellschaft“ der Herausgeber folgen mag oder nicht, ist der in diesem Sammelband vorgelegte Forschungs- und Diskussionsstand neu, diskussionswürdig und mit Vergnügen zu lesen. Für alle die in Forschung und Lehre das Instrument benutzen – und wer bitte arbeitet noch mit Folien und Overhead – bietet der Band eine Vielzahl von analytischen Einsichten in die innere Struktur des Mediums und den praktischen Umgang damit. Die faktengesättigten Empiriekapitel sind hoch interessant, bieten oftmals einen völlig neuen Blickwinkel und zwingen geradezu zur Überprüfung und Reflexion der eigenen Anwendung. Selbst wer den Grundannahmen und Schlussfolgerungen der Herausgeber nicht folgen mag, kann dem einen oder anderen Gedanken seine Schlüssigkeit nicht absprechen.

Fazit

So bleibt dieser Sammelband eine dringende Lektüre für alle diejenigen, die Powerpoint-Präsentationen anwenden und gleichzeitig auch über dieses Tun nachdenken wollen und müssen. Also eine Pflichtlektüre für alle Lehrenden!

Rezension von
Prof. Dr. Thomas Münch
Hochschule Düsseldorf, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften
Fach Verwaltung und Organisation

Es gibt 15 Rezensionen von Thomas Münch.

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Zitiervorschlag
Thomas Münch. Rezension vom 31.03.2009 zu: Bernt Schnettler, Hubert Knoblauch (Hrsg.): Powerpoint-Präsentationen. Neue Formen der gesellschaftlichen Kommunikation von Wissen. UVK Verlagsgesellschaft mbH (Konstanz) 2007. ISBN 978-3-86764-030-5. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/5475.php, Datum des Zugriffs 03.12.2024.


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