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Susanne Zehetbauer: Ich bin eine Frau ohne Kinder

Rezensiert von Dr. phil. Petra Thorn, 26.05.2008

Cover Susanne Zehetbauer: Ich bin eine Frau ohne Kinder ISBN 978-3-466-36757-3

Susanne Zehetbauer: Ich bin eine Frau ohne Kinder. Begleitung beim Abschied vom Kinderwunsch. Kösel-Verlag (München) 2007. 188 Seiten. ISBN 978-3-466-36757-3. D: 14,95 EUR, A: 15,37 EUR, CH: 27,30 sFr.

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Thema

Nachdem es viele Jahre lang zum Thema "Abschied vom Kinderwunsch" kaum Ratgeberliteratur gab, ist dies nun, nach den Publikationen von Enchelmaier (2004, vgl. die Rezension) und Black und Scull (2007, vgl. die Rezension), das dritte Buch, das sich mit dem Thema befasst. Offensichtlich ist aus diesem Nicht-Ereignis ein Phänomen geworden, das in der Literatur zunehmend wahrgenommen wird. Nach wie vor ist dies ein wichtiges Thema, denn die Zahl kinderloser Paare, ob gewollt oder ungewollt, steigt in allen Industrieländern, auch in Deutschland. Für ungewollt Kinderlose ist die Akzeptanz eines Lebens ohne Kind in der Regel ein schmerzhafter und langwieriger Prozess – langwierig nicht zuletzt deshalb, weil medizinische Möglichkeiten immer wieder Hoffnung machen und eine bewusste Entscheidung gegen (weitere) medizinische Hilfen den Meisten schwer fällt.

Autorin

Susanne Zehetbauer, geb. 1966, arbeitet seit vielen Jahren als Journalistin mit den Themenschwerpunkten Psychologie, Medizinethik, Sozialpolitik, Spiritualität und hat die Zeitschrift "Engagiert" des katholischen Frauenbundes KDFB mitbegründet. Als ihre zweite Tochter durch eine schwere Erkrankung dauerhaft pflegebedürftig wurde, erlebte sie, was es bedeutet, sich vom Wunsch nach einem - gesunden - Kind zu verabschieden.

Aufbau und Inhalt

  • Die Autorin beschreibt im ersten Kapitel anhand vieler Beispiele, wie eng Frau-sein mit Mutter-sein historisch miteinander verknüpft ist, nicht zuletzt, da der Wunsch nach Kinder nicht reflektiert werden musste: Kinder kamen einfach, entweder als Naturgesetz oder – im Idealfall – als Zeichen der Liebe. Dies hat sich erst durch die Möglichkeit der Geburtenregelung verändert. Zwar beschreibt die Autorin den Kinderwunsch als ein relativ junges Phänomen, es soll jedoch nicht aus den Augen verloren werden, dass der unerfüllte Kinderwunsch auch schon zu früheren Zeiten viel Leid auslöste. Inzwischen bleibt jede fünfte Frau ohne Kind, nicht zuletzt aus Angst vor finanziellen und beruflichen Nachteilen. In diesem Kapitel ist ein Interview mit einer Wissenschaftlerin abgedruckt, welches aufzeigt, dass kinderlose Paare auf Dauer nicht unglücklicher sind als Paare mit Kinder und dass für eine konstruktive Zukunftsorientierung wichtig ist, sich für etwas zu engagieren, dem Leben Bedeutung zu geben, bzw. einen Sinn zu finden und Dinge zu haben, die einem erfreuen. Kinder, so die Wissenschaftlerin, sind nicht unbedingt ein Garant für ein zufriedenes Leben; eine unbefriedigende Beziehung zu Kindern kann für die Psyche letztendlich schädlicher sein, als keine Kinder zu haben.
  • Das zweite Kapitel beschreibt drei Mutter-Tochter-Beziehungen und ihre Auswirkungen auf den Kinderwunsch der Töchter. Diese Darstellungen sind sehr einfühlsam und mit viel Respekt für Individualität geschrieben. Wie bedeutsame eigene Familienerfahrungen, sowohl die Beziehung zur Mutter als auch die zum Vater, die Entscheidung für oder gegen Kinder beeinflussen können, wird im Anschluss nochmals theoretisch aufgearbeitet. Das "Erbe" der Kindheit in Form bewusster oder unbewusster Aufträge durch die Eltern und in Form bestimmter Beziehungsmuster kann die eigene Haltung Kindern gegenüber prägnant beeinflussen. Darüber hinaus wird Fruchtbarkeit als etwas Prinzipielles und nicht nur als körperliche Fähigkeit beschrieben, beispielsweise auch als Idee, etwas an eine jüngere Generation weiterzugeben und die Generativität der Herkunftsfamilie auf andere Weise fortzusetzen. Hiefür wird beispielhaft die Erlebnisse einer Frau wiedergegeben, die sich in jungen Jahren dafür entschieden hat, einem Orden beizutreten.
  • Im Anschluss wird auf die Bedeutung des emotionalen Erlebens eingegangen. Gefühle werden als Wegweiser beschrieben, daher betont die Autorin die Wichtigkeit, Gefühle wahr- und ernst zu nehmen. Als Beispiel für das emotionale Auf und Ab während der Kinderwunschbehandlung wird die Geschichte einer Frau geschildert, die sich über 10 Jahre lang immer wieder medizinischen Behandlungen unterzog. Diese Schilderung belegt die Schwierigkeit, Abschied vom Kinderwunsch zu nehmen und Trauergefühle zu durchleben. Hier bezieht sich die Autorin auch auf die Arbeit von Verena Kast und belegt mit den Geschichten betroffener Frauen eindrücklich, wie schwierig es sein kann, die Leere und Ohnmacht, die sich nach erfolglosen Behandlungen einstellen, zu ertragen, sich aktiv für einen Abschied vom Kinderwunsch zu entscheiden und eine Neuorientierung anzugehen.
  • Paardynamik und geschlechtsspezifische Bewältigungsmuster sowie der Umgang mit dem Abschied im sozialen Umfeld werden im Kapitel "Begegnungen" geschildert. Zwar wird hier nichts grundsätzlich Neues beschrieben, aber die Autorin hat, ein eher seltenes Unterfangen, hierzu auch einen Mann zu Wort kommen lassen. Die Wichtigkeit des gemeinsamen Austausches innerhalb einer Beziehung nicht nur auf der Sachebene, sondern vor allem auf der Ebene des emotionalen Erlebens wird in einem weiteren Erfahrungsbericht deutlich. Darüber hinaus weist die Autorin auf Unterstützungsmöglichkeiten durch Selbsthilfegruppen und Therapie hin. Wie schwierig der Umgang mit Kinderlosigkeit und Trauer auch für das Umfeld sein kann, wird anhand der Darstellungen zahlreicher gut gemeinten, aber unsensiblen Reaktionen und Ratschlägen Außenstehender deutlich. Die Autorin gibt hierfür recht pragmatische Vorschläge und rät, sich vorzubereiten und freundlich, aber deutlich Grenzen aufzuzeigen. Gleichzeitig zeigt sie auf, wie isolierend es sein kann, wenn Freundinnen Kinder bekommen, sich dadurch Lebensinhalte deutlich und nachhaltig verändern und dies auch zu Brüchen in sozialen Beziehungen führen kann.
  • Das letzte Kapitel befasst sich mit der Herausforderung, das Schicksal des unerfüllten Kinderwunsches anzunehmen. Auch hier gibt es eindrucksvolle Schilderungen von Frauen, die dies bewältigt haben. Darüber hinaus legt die Autorin viel Wert darauf, das Schicksal nicht nur äußerlich, definierbar durch neue Lebensziele und –inhalte, sondern vor allem auch innerlich anzunehmen, also durch Entwicklung einer veränderten Einstellung zum Leben, durch Entwicklung von mehr Gelassenheit und der Fähigkeit, im Hier und Jetzt zu leben.

Diskussion

Die sehr intimen Berichte der Frauen und Männer sind ergreifend, einerlei, was letztendlich zu einem Leben ohne Kind geführt hat. Hier zeigte die Autorin viel Sensibilität und Einfühlungsvermögen, vor allem ist es ihr jedoch gelungen, wertfrei und neutral zu bleiben. Wie wichtig der Autorin bei der Auseinandersetzung mit der Kinderlosigkeit das innere Erleben ist, wird nicht nur durch diese Erfahrungsberichte deutlich, sondern auch durch die Anregungen für den inneren Dialog und für Trauerrituale. In allen Kapiteln sind sog. Impulse enthalten, die den Leser und die Leserin motivieren, sich mit eigenen inneren Bildern auseinanderzusetzen und diese so zu verändern, dass ein Leben ohne Kind angenommen werden kann.

Zielgruppen

Das Ratgeberbuch ist für Frauen, deren Wunsch nach einem Kind nicht in Erfüllung geht, geschrieben. Darüber hinaus halte ich es auch für Männer, die sich mit diesem Schicksalsschlag auseinandersetzen möchten oder die Gefühlswelt ihrer Partnerin besser verstehen möchten, für sehr empfehlenswert.

Fazit

Ein gelungener Ratgeber, der Betroffenen einfühlsam und Anteil nehmend einem Leben ohne Kind nahe bringt.

Rezension von
Dr. phil. Petra Thorn
Dipl. Sozialarbeiterin,Dipl. Sozialtherapeutin.
Tätig in eigener Praxis für Paar- und Familientherapie; Arbeitsschwerpunkte: Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch, Familienbildung mit Spendersamen
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Es gibt 12 Rezensionen von Petra Thorn.

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ISSN 2190-9245